Der südafrikanische Cellist, Vokalkünstler und Publikumsliebling Abel Selaocoe konnte am Mittwochabend nach langer Unsicherheit doch in der Kölner Philharmonie auftreten.
Nach Stromausfall in der PhilharmonieCellist Abel Selaocoe begeistert das Publikum mit virtuosen Klängen

Der südafrikanische Cellist und Vokalkünstler Abel Selaocoe
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In seiner einnehmenden Art dankte Abel Selaocoe denjenigen, die niemand sieht. Er meinte die Techniker, die die Stromversorgung der Philharmonie wiederherstellten, sodass sein Konzert stattfinden konnte, was bis 17:30 Uhr noch unklar war. Strom ist für Selaocoe wichtig, denn bei seiner Soloperformance spielt die Elektronik eine ganz entscheidende Rolle. Zum Beispiel in seiner neuen Komposition „Entanglements“, was so viel heißt wie Verwicklung und Verstrickung.
Bei Abel Selaocoe verschmelzen Körper, Stimme und Instrument
In diesem Gemeinschaftswerk mit dem niederländischen Komponisten Michel van der Aa geht es vordergründig um die Vertonung von Texten südafrikanischer Autoren. Selaocoe trägt die Textpassagen in einem rezitierenden Sprechgesang vor. Das Wesentliche in diesem Auftragswerk (u.a. der Kölner Philharmonie) ist aber die Art der Klangerzeugung. Er spielt auf seinem Instrument eine sich immer wiederholende Phrase, die sich plötzlich durch die Elektronik wie von selbst fortsetzt, dann kommt seine Stimme mit einer kurzen Melodie dazu oder weitere Schichten des Instruments. Und so wird das Klangbild, das sich auch aus äthiopischen und zentralafrikanischen Musikformen speist, dank der im Zuschauerraum sitzenden Klangingenieure immer komplexer. Einmal freilich gab es eine kurze Unterbrechung, weil offenbar die Software sich verkantet hat.
Selaocoe verfügt über ein Arsenal an instrumentalen und vokalen Techniken. Es kommt bei ihm aber noch eine fast kreatürliche Art hinzu, in der Körper, Stimme und Instrument verschmelzen, etwa sein schnarrender Kehlkopfgesang, seine Mund-Percussion, die an Bobby McFerrin erinnert, und vor allem die erstaunliche Klangvielfalt, die er seinem Cello entlockt, aus dem – elektronisch verstärkt und auch verfremdet – fast nie die großen kantablen Linien à la Dvořák oder Tschaikowsky tönen.
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Buddha-Mantra dekonstruiert
Fast hatte man den Eindruck, wie in der Komposition „Living“ von Ben Nobuto, als sei das Cello ein Drumset, vielleicht ein gezupfter Kontrabass oder eine Gitarre. In diesem Stück geht es eigentlich um freundliche Buddha-Sentenzen, die er aber garstig, grimassierend, auch krächzend und nach Art der Rapper in Wortfetzen aufgespalten vorträgt als Dekonstruktion eines Buddha-Mantras, ein Stück „out of the comfort zone“, wie er vorher warnte.
Selaocoe kann natürlich auch Bach. In Köln spielte er die Sarabande aus der 3. Cellosuite. Aber nach wenigen Takten fing er an, dazu zu singen und eine Begleitung zu zupfen. So habe seine Mutter Zuhause in Südafrika im Nebenraum gesungen, wenn er Cello übte. Unversehens mündete Bach in eine Art improvisierte Chaconne, er singt immer wieder eine simple 4-Ton-Vokalise, bis alle im Saal einstimmen. Dann hört man von ihm in höchster Lage virtuose Melismen. Das Ganze findet aber ohne falsche „Wir sind doch alle eins“-Publikumsverschwisterung statt. Im Vordergrund steht immer seine stimmliche und instrumentale Virtuosität und seine körperliche Ausdrucksfähigkeit.
Abel Selaocoe war in der vergangenen Spielzeit mit vier Konzerten Porträtkünstler der Philharmonie und trat mit verschiedenen Ensembles auf. Diese Soloperformance zeigte ihn erneut als universellen Musiker und als Idol eines enthusiastischen Publikums.
Text: Richard Lorber

