Die Kölner Sängerin Ray Lozano hat gerade ihr zweites Album veröffentlicht. Ein Gespräch vor ihrem Auftritt auf der c/o Pop.
Ray LozanoDie Barockflötistin als Spotify-Star

Die Kölner Sängerin Ray Lozano stellt auf der c/o Pop ihr zweites Album „Silk & Sorrow“ vor
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Früher habe sie sich wahnsinnig für das Singen geschämt, erzählt Ray Lozano. Wir sitzen in einem Nippeser Café, die Morgensonne scheint durchs Fenster, die Künstlerin wirkt gelöst. Gerade ist das zweite Album der Kölnerin mit philippinisch-deutschen Wurzeln erschienen, „Silk & Sorrow“. Das Release-Konzert im Jaki lief bestens, bald steht ein Auftritt in London an, beim Brick-Lane-Jazz-Festival. Dass sie einst heimlich nach der Schule vor dem Kinderzimmerspiegel performte, wirkt an diesem Frühlingstag kaum vorstellbar.
„Aber kaum, dass ich den elterlichen Schlüssel im Wohnungstürschloss drehen hörte“, fährt die Sängerin fort, „machte ich schnell die Musik aus, gab vor, an den Hausaufgaben zu sitzen.“ Im Hause Lozano spielte Musik eine zentrale Rolle: Die Familie besuchte regelmäßig Konzerte in der Philharmonie, Ray lernte verschiedene Holzblasinstrumente – Blockflöte, Alt-, Tenor- und Piccoloflöte – und nahm erfolgreich an Wettbewerben wie „Jugend musiziert“ teil. Eine Hassliebe sei das gewesen, sagt sie heute. „Es war alles so steif und alt. Irgendwann dachte ich mir: Wer hört sich eigentlich Barockmusik an?“ Sie wechselte zum Saxofon. Aber auch dieses Instrument erschien Ray Lozano irgendwann zwischen ihr und dem, was sie der Welt mitteilen wollte, zu stehen.
Traurig war ich schon, weil ich wusste, die anderen dürfen jetzt ihre coole Teenie-Zeit erleben
Zum Glück gab es jemanden, der ihre Gesangsversuche durch die Wand gehört und für gut befunden hatte, ihren Bruder. Der ist heute Pianist. Damals überredete er seine 16-jährige Schwester, mit ihm gemeinsam zu singen. „Bald darauf habe ich dann schon angefangen, meine eigene Musik am Computer zu produzieren.“ Die Eltern waren streng. Oft habe sie Freitagabende musizierend mit ihrem Bruder verbracht, während ihre Freundinnen ausgehen durften. „Traurig war ich schon, weil ich wusste, die anderen dürfen jetzt ihre coole Teenie-Zeit erleben. Andererseits habe ich mich auf großen Partys auch nie wohlgefühlt.“ Stattdessen flüchtete sich Ray in die Welt ihrer Vorstellung und schrieb Songs über ihre Erlebnisse auf coolen, aber fiktiven Partys und die interessanten Leute, mit denen sie dort abhing. Und aller Schüchternheit zum Trotz lud sie bereits erste Songs auf Myspace hoch.
Sie musste noch einige Umwege gehen, um ihre künstlerische Identität zu finden. Das Musikstudium an einem niederländischen Konservatorium brach sie nach zwei Jahren ab: „Zu elitär, zu akademisch, zu weit entfernt von der Musik, die ich machen wollte“. Und auch aus ihrem damaligen Bandprojekt, Rachel and the Soul Criminals, stieg sie bald wieder aus. „Das war eine tolle Erfahrung, mit so krassen MusikerInnen eine Platte aufzunehmen. Die waren alle viel älter als ich und haben dementsprechend den Ton angegeben. Der Produzent, der damals die Songs mit mir geschrieben hat, brauchte nur eine junge Frau, die das gesanglich tragen konnte. Mir war schnell klar, das bin nicht ich, nur fehlte mir mit 18 natürlich noch die Stärke, das auch sofort zu sagen.“
In ihren Zwanzigern spielt sie in dem elektronischen Pop-Soul-Trio Ray Novacane, tourt als Backgroundsängerin mit Freundeskreis und Joy Denalane. Während einer Aufnahme mit Max Herre lernt sie den Berliner Produzenten Samon Kawamura kennen. Man beschließt zusammenzuarbeiten. Kawamura hat viele der Tracks, die später auf Ray Lozanos Debüt „Pairing Mode“ erscheinen werden, bereits im Laptop. „Aber dann hat er gesagt: Du produzierst doch auch, zeigst Du mir mal, was Du zu Hause aufgenommen hast? Er war begeistert, fand, das hat einen eigenen Sound, minimalistisch, aber super-hip und cool. Und sagte, lass uns das noch mit reinbringen.“
Sade hat eine bestimmte Wärme, der man seine volle Aufmerksamkeit geben kann
Eigentlich sollten die Songskizzen lediglich Instagram-Reels untermalen, doch dafür waren sie nun definitiv zu schade. Das erklärt allerdings die kaum viertelstündige Laufzeit von „Pairing Mode“, es ist eher ein Versprechen als ein Album. Wenn auch eines, das enthusiastisch angenommen wurde: Mittlerweile hat es die Künstlerin auf mehr als 60 Millionen Streams gebracht. Weltweit. Deutschland, sagt sie, komme erst an siebter Stelle. Damit kann man sich schon etwas aufbauen.
Am höchsten stieg dabei ausgerechnet ein Track, den sie ursprünglich gar nicht auf die Platte packen wollte, „Velvet Blue“. „Das war einer der ersten Songs, die ich mit Samon aufgenommen hatte, ganz ungezwungen. Aber vielleicht hat ja gerade diese Beiläufigkeit in den Leuten etwas ausgelöst.“ Wenn sie Melodien improvisiere, forme sie dabei Sounds und Wörter, die noch keinen Sinn machen, aber darunter ist schon ein Gefühl. Manchmal sind diese Takes von der Emotion her sogar stärker als das produzierte Endresultat.
Im Nippeser Café läuft gerade Sade. Deren Musik erreiche, meint Ray Lozano, treffe genau das, was sie anstrebe: „Sie hat eine bestimmte Wärme, der man seine volle Aufmerksamkeit geben kann, die man aber auch beiläufig mitlaufen lassen kann. Ich will zu jedem Moment meines Lebens einen Soundtrack haben.“
Auch ihr neues Album, „Silk & Sorrow“ hat Lozano als eine Art Audio-Reise angelegt. Es sind Lieder – diesmal etwas ausformulierter, jedoch immer noch keine Sekunde zu lang – mit denen sie die Zwischentöne in Freundschaften und Beziehungen einfängt, die kleinen Momente, die aneinandergereiht das Leben ergeben. „Es ist auch leichter, heller und weicher als ‚Pairing Mode‘“, sagt Ray Lozano, „vielleicht, weil es mir auch persönlich besser geht. Diese Musik, das bin ich.“
„Silk & Sorrow“ ist bei Melting Pot Music erschienen. Ray Lozano tritt am 24. April im Rahmen der c/o pop im Artheater auf. Das Kölner Festival findet 2025 vom 23. bis 27. April statt.