Marie Jacquot, von 2026/27 an Chefdirigentin des WDR Sinfonieorchesters, hatte am Pult das Ganze gut im Griff.
WDR-SinfonieorchesterMärchenklänge mit Solo-Bratsche

Dirigentin Marie Jacquot
Copyright: Werner Kmetitsch
Die Blumen des Veranstalters, die der Solist Antoine Tamestit gleich weiterreichte, bekam die Adressierte – die Harfenistin – diesmal nicht ohne Gegenleistung: Sie musste ihn in der Zugabe begleiten, John Dowlands berühmtem Lautenlied „Flow my tears“, hier in der Umschrift der Singstimme für die Viola. Das gelang vorzüglich, der Franzose vermag auf seinem Instrument in dichtem strömendem Legato tatsächlich anrührend-beseelt zu „singen“.
Überhaupt bestätigte Tamestit mit seinem Gastauftritt beim WDR-Konzert in der Kölner Philharmonie wieder einmal seinen Ruf, einer der besten Bratschisten der Gegenwart zu sein. Dazu gehört nicht so viel, mag man sagen, die Riege der einschlägig befassten Musiker ist dünn besetzt. Irgendwie stimmt das sogar, die Viola als typisches Mittelstimmeninstrument zwischen Violine und Cello hat es nie zu der Popularität ihrer Schwestern aus der Geigenfamilie gebracht, und das zeigt sich auch am mageren Repertoire für die Solo-Bratsche: Barock, die 2b-Klassiker Stamitz und Hoffmeister, Mozart und Berlioz, dann Hindemith – ist da sonst noch was?
Das Repertoire für die Solo-Bratsche ist mager
Ja, da gibt es zum Beispiel das Violakonzert des Briten William Walton von 1929, das Tamestit jetzt nach Köln mitgebracht hatte. Auch dieses Stück, ein klangprächtiges und zugleich konzis durchgearbeitetes Werk in der Tradition der britischen Spätromantik, ist längst nicht so bekannt, wie es dies eigentlich verdiente. Motivisch-thematische Arbeit verbindet sich hier mit einem nahezu unwiderstehlichen melodiösen Ingenium. Nichts da mit Schönberg-Schule und Hardcore-Moderne.
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Vor allem ist das Konzert dem Soloinstrument auf den Leib geschrieben: Die Bratsche darf sich vielfältig äußern, da gibt es rhythmisch fokussierte Attacken, Jazz-Synkopen, süffige Doppelgriff-Terzen – und, auch hier, wunderschöne melodische Phrasen. Und ganz gleich, ob Tamestit nun viele Konkurrenten hat oder nicht: Er spielt das alles in einer Weise, dass man es sich nicht besser wünschen konnte. Ein sinnlicher, in seiner Körperlichkeit überaus präsenter Ton, eine großartig sonore Tiefe, aber auch der virtuos-federnde Zugriff – das alles bringt er in eine fesselnde Gesamtleistung ein.
Marie Jacquot, von 2026/27 an Chefdirigentin des Orchesters, hatte am Pult das Ganze, also auch das reich bedachte Orchester, gut im Griff, sie schafft es – das merkt immer wieder an den gut organisierten Tempo- und Metrumwechseln –, die Leine fest in der Hand zu halten, ohne doch den vitalen Spaß auszubremsen. Diese souveräne Herangehensweise bewährte sich auch in den anderen Programmpunkten. In Anatolij Ljadows einleitender Tondichtung „Der verzauberte See“ gelang einerseits ein auratischer Pianissimo-Klang, andererseits jenes Leuchtfeuer des Instrumentalkolorits und entspanntes Fluten durch die Räume, das – keineswegs abwegig – den Eindruck erweckte, Jacquot interpretiere den Russen bereits von Debussys Impressionismus her.
Strawinskys „Petruschka“ nach der Pause schließlich beeindruckte durch die szenische Auffächerung, das drastische räumliche Nebeneinander von schäbiger Jahrmarktsatmosphäre und inwendig ablaufender Tragödie. Das insgesamt gut aufgestellte Orchester glänzte dabei immer wieder mit herausragenden Einzelleistungen.