Coachella zieht 100.000 Besucher an, wird politischer – Künstler setzen Statements, Veranstalter geraten in die Kritik.
Ästhetik über EthikCoachella-Festival: Pop, Promis und ein bisschen Politik

120.000 Menschen werden pro Wochenende beim Coachella erwartet.
Copyright: Amy Harris/Invision/AP/dpa
Der Wüstenstaub liegt schwer in der Luft, die Sonne brennt gnadenlos auf die Felder von Indio. Menschen in Glitzeroutfits, mit Blumenkränzen und Sonnenbrillen tanzen zwischen Palmen und Bühnen. Doch zwischen Neonlicht und Euphorie weht in diesem Jahr ein anderer Wind durchs Coachella-Festival.
Nicht nur musikalisch, sondern auch politisch zeigt sich das Pop-Großereignis in Kalifornien ungewohnt kantig.
Seitenhieb gegen Trump von Billie Joe Armstrong
Beim Auftakt seiner Show überraschte Green-Day-Frontmann Billie Joe Armstrong mit einer Textänderung in „American Idiot“: „Ich bin nicht Teil der MAGA-Agenda“, sang er – ein klares Signal gegen Präsident Donald Trump. Auch in „Jesus of Suburbia“ passte Armstrong den Text an und sang über „Vor dem Schmerz davonlaufen wie die Kinder aus Palästina“ – ein kritischer Verweis auf das Vorgehen Israels im Gazastreifen.

Bei seiner Show überraschte Billie Joe Armstrong mit einer Textänderung in „American Idiot“.
Copyright: Amy Harris/Invision/AP/dpa
Am Samstag betrat US-Senator Bernie Sanders aus Vermont überraschend die Bühne, um Sängerin Clairo anzukündigen. In seiner kurzen Rede prangerte er das Leugnen des Klimawandels, Einschränkungen beim Abtreibungsrecht sowie wachsende soziale Ungleichheit an. „Ich bin hier, weil Clairo ihre Bekanntheit genutzt hat, um für Frauenrechte zu kämpfen und den schrecklichen, brutalen Krieg in Gaza zu beenden“, erklärte er unter Applaus einem freundlich interessierten Publikum.
Hinter den Kulissen von Coachella: Geld, Macht und Ideologie
Dass es beim Coachella-Festival längst nicht mehr nur um Musik geht, ist wohl kein Geheimnis mehr. Vielmehr hat sich das Event zu einem milliardenschweren Wirtschaftsfaktor entwickelt. Hinter dem „Coachella Valley Music and Arts Festival“ stehen mehrere Unternehmen, die unter dem Dach des US-Milliardärs Philip Anschutz (85) zusammenlaufen. Er ist Geschäftsführer der Anschutz Corporation, einer privaten Holding mit Sitz in Colorado, die in verschiedenste Branchen investiert.
Das Familienvermögen hat seinen Ursprung in der Öl- und Gasindustrie. Mit der Tochtergesellschaft Anschutz Exploration Corporation ist das Unternehmen global in der Erschließung fossiler Brennstoffe aktiv, insbesondere in den US-Bundesstaaten Colorado, Utah und Wyoming.
Kritiker sehen die Rolle des Festival-Veranstalters jedoch nicht nur aus ökologischer Sicht kritisch. Auch Anschutz’ politische Haltung sorgt immer wieder für Diskussionen: Der Unternehmer gilt als ultra-konservativ und steht im Verdacht, regelmäßig an Organisationen zu spenden, die mit rechtsradikalen, queerfeindlichen oder klimawandelleugnenden Positionen in Verbindung gebracht werden. Nach dem Urteil zur Aufhebung des landesweiten Rechts auf Abtreibung soll Anschutz 75.000 Dollar an eine Anti-Abtreibungs-Organisation gespendet haben.
Ein Festival, das mit dem Thema Diversity wirbt und queere Künstler auftreten lässt, könnte in diesem Kontext als Ausdruck von Doppelmoral erscheinen. Vor diesem Hintergrund wirkt es für viele Beobachter in sozialen Netzwerken widersprüchlich, wenn Influencer das Festival feiern und damit indirekt Strukturen unterstützen, die frauenfeindlich, queerfeindlich oder wissenschaftsfeindlich sind.
Chalamet mit Rucksack und Jenner an der Hand
Auch abseits der Bühne wurde das Festival zum Gesprächsthema: Timothée Chalamet erschien mit Rucksack und Kylie Jenner an der Hand. Das Paar wurde beim Einlass händchenhaltend gesichtet. Später tauchte Chalamet auch im offiziellen Livestream auf und jubelte als Fan beim Auftritt von Charli XCX mit.
Schauspieler Patrick Schwarzenegger zeigte sich ebenfalls vor Ort. Er unterstützte Lisa, Star der K-Pop-Welt und derzeit seine Kollegin in der Serie „White Lotus“, während ihres Auftritts auf der großen Bühne.
Queen Trifft TikTok-Star
Einen besonderen Moment schuf Sänger Benson Boone, als er gemeinsam mit Queen-Gitarrist Brian May eine Version von „Bohemian Rhapsody“ performte. Die Reaktion des Publikums blieb laut Berichten allerdings verhalten , denn offenbar erkannten viele die Bedeutung von Mays Gastauftritt nicht.
Das Coachella-Festival läuft an zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden, pro Termin werden rund 120.000 Besucher erwartet. Bekannt ist es für seine spektakulären Shows mit beeindruckender Technik, manchmal so imposant, dass die Musik fast zur Nebensache wird. Auf Instagram präsentieren deutsche Influencer meist weniger die Musik, sondern vielmehr ihre Outfits, die luxuriösen Villen, die von Marken gemietet werden, und die zahlreichen Werbeanzeigen. Ein VIP-Ticket für das Festival kann regulär bis zu 1.300 Euro kosten. Für eine einfache Becher-Limonade werden stolze 16 Dollar fällig. (hn)