Mit Soft Cell wurde Dave Ball weltbekannt. Diese 11 Songs – von „Tainted Love“ bis „Swamp Thing“ und „Breathe“ – tragen seine Handschrift.
Von Soft Cell bis KylieZum Tod von Dave Ball – 11 Songs, die seinen Sound geprägt haben

Mit Soft Cell wurde Dave Ball weltweit bekannt. Er machte aber auch Solo-Aufnahmen, gründete die Band the Grid und schrieb Hits für andere Künstlerinnen und Künstler. (Symbolbild)
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Am 23. Oktober wurde bekannt, dass Dave Ball, die eine Hälfte von Soft Cell, mit 66 Jahren gestorben ist. Vertreter erklärten, er sei „friedlich im Schlaf“ gestorben. Kurz darauf meldete sich Marc Almond mit einer langen Botschaft, in der er Ball als „wundervoll brillantes musikalisches Genie“ würdigte.
Die Nachricht löste international Trauer in der Musikszene aus. Dave Ball prägte den Synth-Pop der 1980er-Jahre und arbeitete bis zuletzt im Studio. Nur wenige Tage vor seinem Tod hatten Soft Cell ein neues Album fertiggestellt. Wir erinnern an den Musiker mit diesen elf Liedern.
Soft Cell – „Tainted Love“ (1981)
Der internationale Durchbruch von Soft Cell gelang mit „Tainted Love“, einer Coverversion des im Original von Gloria Jones stammenden Soul-Klassikers. Die langsamere, düstere Interpretation von Soft Cell, gepaart mit dem unverwechselbaren Gesang von Marc Almond, machte den Song zu einem Welthit. Er erreichte die Spitze der deutschen und britischen Charts und wurde die meistverkaufte Single des Jahres 1981.
Bemerkenswert war auch, dass Almond im Text aus männlicher Perspektive zu einem „er“ singt – damit stand die Version im Radio und Musikfernsehen offen für gleichgeschlechtliche Adressierung und wurde für viele binnen der LGBTQ-Community zu einem wichtigen Moment. Das einflussreiche Video mit seinen sternhaften Erscheinungen, in dem Almond zwischen diesen „Lichtgestalten“ singt, unterstreicht die entrückte, traumartige Atmosphäre der Neuinterpretation.
Soft Cell – „Torch“ (1982)
Die Single „Torch“, inspiriert von der New Yorker Clubszene der frühen 1980er-Jahre, erhielt durch den Gastgesang von Cindy Ecstasy eine besondere Note und festigte den Erfolg des Duos. Der Titel erreichte Platz zwei in Großbritannien. Der Text zeichnet die Szene eines Menschen, der in einer Bar vom Auftritt einer Sängerin überwältigt wird, zwischen Begehren und emotionaler Überforderung schwankt und damit motivisch typische Torch-Song-Elemente wie verletzte Sehnsucht und nächtliche Fixierung aufgreift. Das Magazin „New Musical Express“ führte „Torch“ auf Platz 49 der Liste der 50 besten Singles des Jahres.
Kylie Minogue – „Breathe“ (1997)
Das stark unterschätzte Album „Impossible Princess“ von Kylie Minogue brachte mit „Breathe“ eine hypnotisch-elektronische Single hervor, an der Dave Ball als Songschreiber und Produzent mitwirkte. Kylie reflektiert darin Selbstzweifel, Verletzlichkeit und das Ringen mit sich selbst, während sie den Moment auszuhalten versucht. Der Titel kam in Großbritannien nur in die Top 20, obwohl er zu den markantesten Stücken der Platte zählt. Kylie Minogue wurde in dieser Phase jedoch noch nicht als Kultfigur wahrgenommen – so blieb „Breathe“ ein vergleichsweise kleiner Erfolg und Dave Ball ein weiterer sicherer Top-Hit verwehrt.
Soft Cell – „Memorabilia“ (1981)
Als Kunststudierende am Leeds Polytechnic schlossen sich Marc Almond und Dave Ball Ende der 70er Jahre zusammen, um Musik für Theaterproduktionen zu schaffen. Ihre erste EP, „Mutant Moments“, ebnete den Weg zu einem Plattenvertrag. Bereits ihre frühe Single „Memorabilia“ aus dem Jahr 1981 zeigte die Erfolgsformel des Duos: eine klaustrophobische Atmosphäre, einprägsame elektronische Riffs und Almonds markanter Gesang über obsessive Charaktere.
The Grid – „Swamp Thing“ (1994)
Die 1994 erschienene Single „Swamp Thing“ von The Grid, dem Projekt von Dave Ball und Richard Norris, markierte nach mehreren kleineren Erfolgen seit Gründung des Duos 1988 den Durchbruch und erreichte in Großbritannien Platz drei. Der Track fällt durch die Kombination aus treibendem Dance-Beat und einem markanten, hochgespielten Banjo-Riff auf – eine für die Rave-Ära ungewöhnliche Klangmischung, die zum Markenzeichen des Songs wurde. „Swamp Thing“ brachte Ball nach den Soft-Cell-Jahren erneut in die Charts und etablierte The Grid als feste Größe im elektronischen Pop der 1990er mit Songs wie „Texas Cowboys“ oder „Rollercoaster“.
Soft Cell – „The Art of Falling Apart“ (1983)
Die fortschreitende Auflösung der Band ist in diesem autobiografischen Stück vom gleichnamigen Album von 1983 unübersehbar. Der Text zeichnet das Bild eines Erzählers, der im eigenen Zerfall lebt, Selbstschädigung als festen Lebensmodus akzeptiert und den Absturz beinahe professionell ausstellt. Marc Almond beschreibt sich darin als „von blauen Flecken bedeckt vom Umgang mit Verlierern“ und trägt seine Probleme in tragischen Zeilen wie „Meine Freunde sagen, ich sterbe / aber ich mache es so gut“ wie ein Ehrenabzeichen – ein Text, der Soft-Cell-Fans damals Anlass zur Sorge gab.
Soft Cell & Pet Shop Boys – „Purple Zone“ (2022)
Ein spätes Gipfeltreffen: Für Dave Balls zu Lebzeiten letztes Soft-Cell-Album „Happiness Not Included“ holten sich Marc Almond und er mit den Pet Shop Boys Weggefährten aus derselben Ära hinzu. „Purple Zone“ bündelt das Gefühl eines späten Lebensabschnitts, in dem die Welt nicht mehr hell aufspringt wie früher, sondern schwer, eng und nicht mehr reparabel wirkt. Das Älterwerden in einer Gegenwart, die Sichtbarkeit vor allem für Jugend und Geld reserviert, verstärkt das Empfinden von Stillstand, Einsamkeit und Zeitrausch. Genau diese Mischung aus Rückschau, Entwertungserfahrung und Fluchtimpuls trifft den Kern des Songs.
Soft Cell – „Soul Inside“ (1983)
Ihr vorerst letztes Album „This Last Night in Sodom“ (1984), mit dem herausragenden Titel „Soul Inside“, fühlte sich wie ein letzter Schrei vor der Auflösung an. Der Song wurde im Herbst 1983 als Single veröffentlicht und erreichte in Großbritannien die Top 20. Der Text zeigt eine gereizte, überreizte Innenwelt, in der Exzess und Überforderung bereits spürbar sind. Kurz nach diesem Kapitel trennten sich Soft Cell zunächst – erst viele Jahre später kam es zur Reunion auf Bühne und im Studio.
Soft Cell - „Monoculture“ (2002)
Nach der Reunion traten zwar alte Konflikte wieder zutage, doch das Album „Cruelty Without Beauty“ (2002) wurde dann doch als gelungene Rückkehr aufgenommen. Als herausragender Titel gilt „Monoculture“, ein Song, der die Gleichförmigkeit des modernen Lebens beklagt – zu einem bewusst farbintensiven Disco-Beat und einem grellen Video, in dem Marc Almond als Fast-Food-Angestellter auftritt. Der Refrain mit den Worten „Same“ (gleich), „Ordinary“ (gewöhnlich) und „Boring“ (langweilig) unterstreicht das Thema der Monotonie, die Soft Cell im Song adressieren.
Soft Cell – „Sex Dwarf“ (1981)
„Sex Dwarf“, das unterschätzte Highlight aus dem Debüt „Non-Stop Erotic Cabaret“, zeigt, warum Soft Cell auch in frühen Dark- und Gothic-Clubmilieus Resonanz fanden: kalte Maschinen-Ästhetik, Tabu-Themen und eine klaustrophobe Grundspannung jenseits radiotauglichen Synth-Pop-Formats. Die Lyrics kreisen um sexuelle Schaulust, Dekadenz und Entgleisung und wirkten damit bis in die Dark-Wave-Szene hinein.
1981 geriet die Band mit dem zugehörigen Video in einen Skandal: Für den Dreh im Londoner Rotlichtviertel wurden reale Prostituierte gecastet, Regisseur Tim Pope inszenierte eine explizite Orgie. Das Material wurde nie offiziell gezeigt und in Großbritannien nicht zur Ausstrahlung zugelassen, kursierte jedoch in Kopien. Marc Almond erklärte später, der Vorfall habe der Band massiven Ärger eingebracht, weshalb der Song jahrzehntelang nicht live gespielt wurde. Erst 2018 kehrte „Sex Dwarf“ verdient auf die Bühne zurück.
Soft Cell – „Say Hello, Wave Goodbye“ (1981)
Das stilprägende Debütalbum von Soft Cell „Non-Stop Erotic Cabaret“ brachte weitere Hits hervor wie „Bedsitter“ oder die bewegende Ballade „Say Hello, Wave Goodbye“. Sie erzählt mit dramatischem Gesang die Geschichte einer gescheiterten, heimlichen Beziehung, die der Erzähler kontrolliert beenden will. Das Gegenüber wird als unzuverlässig und unstet beschrieben, der Erzähler fordert ein formelles Ende „als hätte man sich nie gekannt“. Der Song erschien im Januar 1982 als Single und erreichte Platz drei der britischen Charts. Im Rückblick wirkt ausgerechnet dieser Abschiedssong wie ein still passender Schlusspunkt unter das Werk von Dave Ball.

