Der OECD-Jahresbericht zeigt: Deutschland hat noch einiges nachzuholen. Ein Überblick.
OECD-JahresberichtDie fünf größten Herausforderungen für die deutsche Bildungspolitik

Unicef: Deutschland ist bei Bildungsgerechtigkeit nur im Mittelfeld weltweit.
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Am Dienstag wurde der jährliche Bericht „Bildung auf einen Blick“ der OECD in Berlin vorgestellt. Dabei handelt es sich um einen Vergleich von Bildungsdaten der OECD-Länder und verschiedener Partnerstaaten.
Deutschland steht demnach im OECD-Schnitt besonders gut da, wenn es um Bachelorabschlüsse in MINT-Fächern, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, und die internationale Attraktivität der Hochschulen geht. Aber der Bericht zeigt auch, wie zerklüftet die Bildungslandschaft in Deutschland ist.
Ein Blick auf die Herausforderungen:
1. Immer mehr Geringqualifizierte
Junge Erwachsene zwischen 25 und 34 Jahren machen zwar immer häufiger einen Tertiärabschluss, also etwa einen Meistertitel oder einen Hochschulabschluss (2019: 33 Prozent, 2024: 40 Prozent). Deutschland liegt damit jedoch weiterhin unter dem Durchschnitt der OECD-Länder von 48 Prozent.
Auch ist der Anteil geringqualifizierter junger Erwachsener gestiegen. 2019 hatten hierzulande noch 13 Prozent weder eine Fachhochschulreife noch eine Berufsausbildung, mittlerweile ist dieser Wert auf 15 Prozent gestiegen. Der OECD-Durchschnitt liegt bei 13 Prozent. Nur Italien, Portugal und Spanien stehen noch schlechter da.
2. Basiskompetenzen fehlen
Die Kluft zwischen den Fähigkeiten der jungen Erwachsenen mit höherem Abschluss und jenen ohne Sek-II-Abschluss, also etwa dem Abitur, ist in Deutschland am größten. Besonders in der Lesekompetenz und der Alltagsmathematik ist die Differenz zwischen Gering- und Hochqualifizierten hoch – insbesondere im Vergleich zum OECD-Durchschnitt.
Generell ist die durchschnittliche Lesekompetenz bei niedrig qualifizierten Erwachsenen seit 2012 um 19 Punkte gesunken. Bei Erwachsenen mit höherem Abschluss stieg sie um 3 Punkte.
3. Bildungsaufstieg kaum möglich
Ob jemand geringqualifiziert ist, ist immer noch eine Frage des familiären Hintergrunds. Nur einer von fünf Menschen, deren Eltern kein Abitur gemacht haben oder eine duale Ausbildung, studiert oder besucht eine Fachakademie. Wenn zumindest ein Elternteil einen Tertiärabschluss gemacht hat, schaffen das immerhin drei von fünf Menschen.
Auch nehmen diejenigen, die schlecht lesen können, mit deutlich geringerer Wahrscheinlichkeit an Weiterbildungen teil (23 Prozent), als solche, die gut lesen können (74 Prozent). Menschen ohne Sek-II-Abschluss verdienen zudem 27 Prozent weniger als Menschen mit höherem Abschluss. Deutschland liegt mit dieser Lücke auch über dem OECD-Durchschnitt von 17 Prozent. Die Möglichkeit, durch Weiterbildungen aufzusteigen, ist also durch die Basisfertigkeiten limitiert.
Junge Leute, die keinen höheren Berufsabschluss haben, werden zudem mit höherer Wahrscheinlichkeit arbeitslos. Die Erwerbslosenquote dieser Gruppe liegt bei 9,3 Prozent – das ist deutlich höher als bei Gleichaltrigen mit Sek-II-Abschluss oder Weiterbildungen (3,3 Prozent).
Dass in Deutschland – anders als etwa in Großbritannien – keine Studiengebühren, erhoben werden, wertete die Präsidentin der Wissenschaftsministerkonferenz, Bettina Martin (SPD), dagegen als wichtigen Schritt für Bildungsgerechtigkeit. Allerdings gibt es auch in Deutschland Semesterbeiträge, etwa für das Studierendenwerk oder den öffentlichen Nahverkehr.
4. Hohe Ausgaben, geringe Investitionen
Es ist nicht so, dass Deutschland für seine Schülerinnen und Schüler wenig Geld ausgibt. Pro Schülerin oder Schüler liegt die Bundesrepublik über dem OECD-Durchschnitt. Im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) liegen die Bildungsinvestitionen mit 4,4 Prozent jedoch unter dem OECD-Durchschnitt von 4,7 Prozent. Damit sind sie deutlich geringer als in Ländern wie Norwegen und Großbritannien, die jeweils über 6 Prozent ihres BIP in Bildung investieren.
Auch sind die öffentlichen Ausgaben für Bildungseinrichtungen zwischen 2015 und 2022 um 15,2 Prozent gestiegen. Der Anteil der Bildungsausgaben an den Staatsausgaben sank jedoch von 9 Prozent auf 8,4 Prozent.
5. Daten und Wissen fehlen
Eine der zentralen Maßnahmen, um gegen fehlende Basiskompetenzen vorzugehen, sollen Sprachtests für alle Vierjährigen sein – ein Vorschlag von Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) und in einigen Bundesländern wie Hamburg bereits fester Teil der Bildungspolitik. Auf der Pressekonferenz bekam sie Rückendeckung von ihren Parteikolleginnen.
„Die Grundschule ist de facto zu spät“, sagte die Berliner Senatorin und Vertreterin der Bildungsministerkonferenz Katharina Günther-Wünsch (CDU). Man müsse bei frühkindlicher Bildung ansetzen, via Sprachstandsdiagnostik ermitteln, welche Bedarfe das Kind hat – um dann zielgenau anzusetzen. Wichtig sei aber auch, dass Lehrkräfte und Kita-Personal wissen, wie sie mit diesen Daten umgehen sollen.
Die parlamentarische Staatssekretärin des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Mareike Wulf (CDU), betont, dass Deutschland in der Bildungspolitik grundsätzlich evidenzbasierter, also auf wissenschaftlicher Basis, arbeiten müsse – von Sprachtests, über Bildungsverlaufregister bis zu Investitionen. „Um Wissenslücken zu schließen, müssen wir erst mal wissen, wo sie existieren“, sagt Wulf. Auch müssten Bildungslücken geschlossen und junge Menschen gezielter in Ausbildungen überführt werden. „Wer keinen Abschluss hat, sollte diesen nachholen können“, sagt sie.