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Berichte sorgen für AlarmstimmungSieht so Donald Trumps „wahrer Plan“ mit Russland aus?

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Kremlchef Wladimir Putin zusammen mit US-Präsident Donald Trump bei einem Treffen in Alaska im August. (Archivbild)

Kremlchef Wladimir Putin zusammen mit US-Präsident Donald Trump bei einem Treffen in Alaska im August. (Archivbild)

Zwei neue Berichte über angebliche geheime Deals zwischen den USA und Russland sorgen für Wirbel – und für deutliche Worte aus Europa. 

Zwei neue Berichte sorgen für Aufregung rund um den „Friedensplan“ für die Ukraine von US-Präsident Donald Trump – und für mitunter scharfe Reaktionen aus Europa. Nachdem ein erster Entwurf des US-Plans in der letzten Woche öffentlich geworden war, hatte es in Europa einen Sturm der Entrüstung angesichts der darin enthaltenen enormen Zugeständnisse gegenüber Russland gegeben. Zusammen mit einer ukrainischen Delegation überarbeiten die USA ihren Entwurf schließlich.

Mittlerweile soll er statt 28 nur noch knapp 20 Punkte enthalten. Über die Inhalte ist jedoch seitdem nichts bekannt geworden. Nach dem Leak in der letzten Woche setzt man in Washington offenbar nun auf strengste Geheimhaltung – Berichten zufolge tappten auch europäische Sicherheitsberater angesichts der genauen Inhalte zuletzt im Dunkeln.

Am Freitag sorgten dann jedoch Recherchen von „Telegraph“ und „Wall Street Journal“ für neuen Wirbel – und neue Brisanz. So berichtete die britische Zeitung zunächst, dass die US-Regierung Trumps Schwiegersohn Jared Kushner und den Sondergesandten Steve Witkoff nach Moskau geschickt habe, um den überarbeiteten „Friedensplan“ zu überbringen.

„Telegraph“-Bericht: USA wollen besetzte Gebiete anerkennen

Entgegen europäischer und ukrainischer Einwände sei Washington im Zuge dessen dazu bereit, die russische Herrschaft „über die Krim und andere besetzte Gebiete anzuerkennen“, berichtete der „Telegraph“ unter Bezug auf gut informierte Quellen.

Washingtons Herangehensweise verstoße zwar auch gegen amerikanische diplomatische Konventionen, soll dem Bericht zufolge aber dennoch durchgesetzt werden – und das explizit trotz der europäischen Einwände. „Es wird immer deutlicher, dass den Amerikanern die europäische Position egal ist“, zitierte das britische Blatt eine ihrer Quellen. „Sie sagen, die Europäer können tun, was sie wollen.“

„Die USA machen sich zum Erfüllungsgehilfen von Putin“

Entsprechend scharf fallen die Reaktionen sowohl auf die kolportierten Inhalte des überarbeiteten amerikanischen „Friedensplans“ als auch auf die Geheimhaltung gegenüber Europa aus – auch in Deutschland.

„Wenn Trump besetzte ukrainische Gebiete als russisch anerkennt, haben die USA faktisch die Seiten gewechselt“, schrieb etwa der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter auf der Plattform X. „Die USA stehen damit nicht mehr an der Seite des Völkerrechts und verteidigen keine europäischen Interessen mehr, sondern machen sich zum Erfüllungsgehilfen von Putins Imperialismus“, hieß es weiter.

„Jetzt gibt es nur noch den völlig geheimen Dmitrijew-Witkoff-Pakt“

Toomas Hendrik Ilves, ehemaliger Präsident von Estland, wurde noch deutlicher und spielte angesichts der Berichte über die absolute Geheimhaltung der US-Pläne auf den Molotow-Ribbentrop-Pakt (auch als Hitler-Stalin-Pakt bekannt) von 1939 an. Mit dem Nichtsangriffspakt, den Russland in seiner Geschichtsschreibung gerne unter den Tisch fallen lässt, machte Moskau im Zweiten Weltkrieg zunächst gemeinsame Sache mit Nazi-Deutschland. Die Abmachung enthielt ein geheimes Zusatzprotokoll, das Osteuropa, insbesondere Polen und die baltischen Staaten, in deutsche und sowjetische Einflusssphären aufteilte. 

„Das ist definitiv ein Fortschritt gegenüber den geheimen Protokollen des Molotow-Ribbentrop-Pakts. Jetzt gibt es nur noch den völlig geheimen Dmitrijew-Witkoff-Pakt“, schrieb Ilves und spielte damit auf die Rolle von Putins Unterhändler Kirill Dmitrijew an, der laut geleakten Telefon-Transkripten federführend an der Ausarbeitung des von den USA als amerikanisch deklarierten „Friedensplan“ beteiligt gewesen sein soll.

Donald Tusk: „Solidarität, nicht egoistische Interessen“

Auch Polens Ministerpräsident Donald Tusk meldete sich am Samstag zu Wort. „Ich möchte unsere Verbündeten daran erinnern, dass die Nato gegründet wurde, um den Westen gegen die sowjetische Aggression, also gegen Russland, zu verteidigen“, schrieb Tusk bei X und fügte hinzu: „Und ihre Grundlage war Solidarität, nicht egoistische Interessen. Ich hoffe, dass sich daran nichts geändert hat.“ Welche Verbündeten damit gemeint waren, ließ Tusk ebenso offen wie den Kontext seines Beitrags.

Die mahnenden Worte des polnischen Ministerpräsidenten könnten sich auch auf einen Bericht des „Wall Street Journal“ bezogen haben, der seit seinem Erscheinen am Freitag ebenfalls für viel Aufsehen sorgt. Unter dem Titel „Geld verdienen, statt Krieg führen: Trumps wahrer Plan für Frieden in der Ukraine“ berichtete die US-Zeitung, dass vorrangig wirtschaftliche Motive hinter dem US-Plan stehen sollen.

„Hinter vorgehaltener Hand entwickelten sie einen Plan“

Der Wunsch nach Frieden soll demnach nur eine Nebenrolle gespielt haben, als Kushner und Witkoff den Plan zusammen mit Putins Unterhändler Dmitrijew bei einem Treffen in Miami entwarfen. „Hinter vorgehaltener Hand entwickelten sie einen Plan, um Russlands zwei Billionen Dollar schwere Wirtschaft aus der Isolation zu befreien – mit amerikanischen Unternehmen, die als Erste von den Gewinnen profitieren und europäische Konkurrenten ausstechen sollten“, beschrieb die US-Zeitung die „wahren Pläne“ zwischen Moskau und Washington.

Dmitrijew habe zudem betont, dass den beiden langjährigen Rivalen keine Grenzen gesetzt seien, berichtete die US-Zeitung weiter. Der Unterhändler habe etwa eine gemeinsame Mondmission der beiden Länder ins Spiel gebracht, die von Elon Musks Unternehmen SpaceX durchgeführt werden könnte.

„Ein Bollwerk gegen künftige Konflikte“

Das entspreche Russlands Strategie, hieß es weiter beim „Wall Street Journal“. Demnach setzt Moskau darauf, die US-Regierung davon zu überzeugen, dass Russland ein „Land der Möglichkeiten“ und keine Bedrohung sei. So wolle der Kreml die wirtschaftliche Landkarte in Europa neu gestalten – und gleichzeitig die Spannungen zwischen den USA und Europa befeuern. 

Steve Witkoff zusammen mit Kirill Dmitrijew bei einem Aufeinandertreffen in St. Petersburg. (Archivbild)

Steve Witkoff zusammen mit Kirill Dmitrijew bei einem Aufeinandertreffen in St. Petersburg. (Archivbild)

„Russland verfügt über immense Ressourcen und riesige Landflächen“, sagte Witkoff dem „Wall Street Journal“ und beschrieb nach Angaben der Zeitung freimütig seine Hoffnung, dass Russland, die Ukraine und die USA zu Geschäftspartnern werden könnten.

„Wenn wir das erreichen und alle davon profitieren und daran teilhaben, wird das ganz natürlich ein Bollwerk gegen künftige Konflikte bilden“, so der US-Sondergesandte. „Denn alle profitieren davon.“ Das sei Trumps „Kunst des Deals“, habe zudem ein nicht namentlich genannter Berater des US-Präsidenten erklärt, hieß es weiter.  

Moskau zeigt bisher keinen Friedenswillen

Offen bleibt jedoch weiterhin, ob Moskau überhaupt Frieden will oder die Gespräche über den nun entwickelten US-Plan vor allem nutzt, um Zeit herauszuschlagen und den Krieg gegen die Ukraine ohne Druck aus den USA weiterbetreiben zu können. Kremlchef Wladimir Putin, der den aktuellen Entwurf offenbar erhalten hat, sprach zunächst davon, dass der Plan eine „Grundlage“ für weitere Verhandlungen sein könne. Nahezu im gleichen Atemzug bekräftigte der Kremlchef jedoch seine Kriegsziele.

„Die ukrainischen Truppen werden sich aus den besetzten Gebieten zurückziehen – dann werden die Kämpfe enden. Sollten sie sich nicht zurückziehen, werden wir das mit Waffengewalt erzwingen“, erklärte Putin und ließ dabei offen, ob diese Bedingungen für alle besetzen Gebiete gelten soll. Neben Luhansk und Donezk im Donbass hat Russland auch die Regionen Cherson und Saporischschja zum eigenen Staatsgebiet erklärt, obwohl der russischen Armee die vollständige Eroberung dieser Oblaste bisher nicht gelungen ist.

Russland startet erneuten Großangriff auf die Ukraine

Die neuen Enthüllungen über die US-Pläne sorgen unterdessen auch bei Experten für scharfe Reaktionen. „Russlands Köder wurde von Trump und seinem Team geschluckt, weil genau das ihnen schmeckt: Politik einspannen, um sich persönlich zu bereichern“, kommentierte der Kölner Politikwissenschaftler Thomas Jäger den Bericht. Washingtons Ansatz habe mehr mit „Me first“als mit „America first“– Trumps angeblichem Vorsatz – zu tun, so der Professor für internationale Politik der Universität Köln. „Es geht nicht um Frieden, sondern Selbstbereicherung und Macht“, befand auch die USA-Expertin Sandra Navidi in einem Beitrag bei X.

Moskau ließ unterdessen den wenig kompromissbereit erscheinenden Worten Putins Taten folgen, die ebenfalls nicht geeignet sind, um Friedenswillen zu dokumentieren. Russland habe in der Nacht mit 36 Raketen und fast 600 Drohnen angegriffen, erklärte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Samstag. Hauptziele seien erneut Energieinfrastruktur und zivile Objekte gewesen. Selenskyj sprach von massiven Schäden und Bränden in Wohnhäusern. Mindestens drei Menschen seien bei der Angriffswelle getötet worden, hieß es weiter.