Seit 76 Jahren gibt es den Deutschen Bundestag, doch erstmals hielt eine Abgeordnete mit Baby eine Rede: Hanna Steinmüller betonte die Wichtigkeit sichtbarer Kinder im Alltag.
„Kinder gehören zum Alltag“Erste Rede mit Baby im Bundestag

Kinder gehören für Steinmüller zum Alltag - auch im Bundestag. (Archivbild)
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Nach ihrem Auftritt im Bundestag mit ihrem Baby hat die Grünen-Abgeordnete Hanna Steinmüller betont, wie wichtig es sei, Kinder stärker im Alltag sichtbar zu machen. Gegenüber dem Tagesspiegel erklärte die Politikerin aus Berlin, dass es ihr ein Anliegen sei, zu zeigen, „dass Kinder zum Alltag gehörten“.
Sie kritisierte, dass es „immer noch die Erwartungshaltung“ gebe, Kinder tagsüber komplett zu organisieren und aus dem öffentlichen Leben herauszuhalten. „Viele können das aber nicht, besonders Alleinerziehende“, so die 32-Jährige.
Am Dienstag war Steinmüller als erste Abgeordnete mit einem Baby am Redepult des Deutschen Bundestags erschienen. Ihren im Dezember geborenen Sohn trug sie dabei in einer Bauchtrage. „Das war nicht geplant“, sagte sie. „Ich habe meinen Sohn nur mitgenommen, weil er geschlafen hat. Ich dachte, wenn ich ihn jetzt einem Kollegen gebe, wecke ich ihn auf.“ Das habe sie vermeiden wollen.
Steinmüller fordert mehr Sichtbarkeit für Kinder
Lobende Worte fand Steinmüller für Bundestagspräsidentin Julia Klöckner, die entschieden hatte, dass stillende Abgeordnete ihre Kinder grundsätzlich mit in den Plenarsaal bringen dürfen. Klöckner selbst äußerte nach der Rede, es sei unter bestimmten Bedingungen vertretbar, Säuglinge im Parlament zuzulassen.
Die Grünen-Bundestagsfraktion kommentierte Steinmüllers Rede mit den Worten: „Reden damit Schwarzrot aufwacht und das Baby weiterschläft.“ Zudem forderte die Fraktion, die Regierung solle sich stärker mit der Realität von Menschen befassen, die täglich den Spagat zwischen Beruf und Kinderbetreuung bewältigen. Politische Entscheidungen dürften nicht ausschließlich von Personen getroffen werden, die keine Betreuungsverantwortung hätten.
Es bleibt abzuwarten, wann es gesellschaftlich als ebenso selbstverständlich angesehen wird, dass auch Männer, etwa in der Politik, ihre Babys mit zur Arbeit bringen. Während die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oft mit Blick auf Mütter diskutiert wird, stellt sich zunehmend die Frage, welche Rolle Vätern in diesem Kontext zugeschrieben wird und wie weit gesellschaftliche Strukturen und Erwartungen bereit sind, auch deren aktive Fürsorgearbeit im Berufsalltag sichtbar und akzeptiert zu machen. (hn, dpa)