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Kommentar

Häusliche Gewalt
An jedem dritten Tag wird eine Frau ermordet – Fußfessel soll Hilfe bringen

Ein Kommentar von
3 min
Gewalt im häuslichen Umfeld. (Symbolbild).

Gewalt im häuslichen Umfeld. (Symbolbild).

Die Zahl häuslicher Gewalttaten steigt. Die Politik muss handeln – die Gesellschaft aber auch. Wir müssen uns besser beschützen. 

Alle zwei Minuten wird in einer Familie, in einer Partnerschaft, jemand misshandelt. Noch nie gab es in Deutschland so viele registrierte Fälle wie im vorigen Jahr - nach der Statistik des Bundeskriminalamts rund 266.000. Und die Dunkelziffer dürfte noch weit höher liegen. Viele Ehefrauen, Mütter, Kinder, aber auch ältere, hilfebedürftige Menschen wagen keine Anzeige aus Angst, danach nicht den nötigen Schutz zu bekommen.

Ja, es gibt auch Männer unter den Betroffenen, aber die ganz große Gruppe der Täter ist männlich und die der Opfer weiblich. Männer sind körperlich überlegen, Frauen oft in finanzieller Abhängigkeit. Bei vielen Taten handelt es sich um physische und auch psychische, sexuelle und patriarchale Gewalt. So etwas ist kein Unglück, das über eine Familie oder Partnerschaft einfach so hereinbricht. Sondern die Folge krankhafter Eifersucht, Machtbesessenheit und hemmungsloser Aggression gegenüber Schwächeren.

Diese Bestandsaufnahme ist alt - doch die Politik hat über Jahre kein wirksames Gegenmittel gefunden. Es gibt eine so wichtige Einrichtung wie das „Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen“. Und im Februar wurde ein Gesetz für besseren Opferschutz beschlossen. Aber es mangelt an Betreuung, an freien Plätzen in Frauenhäusern, an schärferen Gesetzen und auch an Wachsamkeit in der Gesellschaft. Zu oft wird weggesehen oder nicht nachgefragt.

Einen Rechtsanspruch auf kostenlosen Schutz und Beratung soll es erst ab 2032 geben. In fast sieben Jahren.

Die meisten Opfer sind Frauen

Laut Statistik wird auch an etwa jedem dritten Tag eine Frau durch ihren Partner oder Ex-Partner ermordet. Die Ampel mühte sich zwar um Präventionskurse für potenzielle Täter, aber ein großer Schritt wie die elektronische Fußfessel scheiterte an der Blockade der FDP.

Es ist davon auszugehen, dass einige der Frauen noch leben würden, wenn die Täter an ihrem Fußgelenk ein GPS-Gerät getragen hätten. Bei der Polizei und dem Opfer wäre in dem Moment Alarm ausgelöst worden, als das Näherungsverbot durchbrochen wurde. Polizisten hätten losfahren können und die Frauen noch die Chance gehabt, Schutz zu suchen. Der Schmerz von Angehörigen, die eine Tochter, eine Schwester oder eine Mutter verloren haben, steigt bei diesem Gedanken ins Unermessliche.

Hubig setzt Frühwarnsystem gegen häusliche Gewalt

Jetzt ist endlich Bewegung in Sicht. Die neue Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) hat für den Herbst einen Gesetzentwurf zur Einführung eines GPS-gesteuerten Frühwarnsystems nach spanischem Vorbild angekündigt. Sie wird auf viele Bedenkenträger in Behörden stoßen, dass die Regelung im föderalen Deutschland schwer umzusetzen sei. Ihr Vorteil ist, dass die Union an ihrer Seite steht: Die elektronische Fußfessel ist im Koalitionsvertrag verankert. Sie muss schnell eingeführt werden. Für viele Frauen ist Gefahr im Verzug.

Eine große Frage ist die nach dem Warum? Warum steigt die Zahl der häuslichen Gewalttaten? Ein guter Grund wäre, dass mehr Opfer sich trauen, die Täter, den Feind im eigenen Haus, anzuzeigen. Zu befürchten ist allerdings, dass die Hemmschwelle zur Gewalt sinkt, je mehr Kriege und Krisen in das Bewusstsein einsickern. Obendrein: Erlebnisse, Bilder mögen in verantwortungsbewussten Medien auf Zumutbarkeit überprüft werden, in sozialen Medien sind grausamste Videos zu sehen. Mitgefühl und Mitleiden können abstumpfen, der individuelle soziale und emotionale Kompass in die falsche Richtung ausschlagen.

Alle zwei Minuten wird ein Mensch Opfer häuslicher Gewalt. Das sollte eine Gesellschaft als gemeinsames Problem verstehen. Während Sie diesen Text gelesen haben, sind neue Opfer hinzugekommen.