Nach 60 Jahren will der US-Präsident das legendäre Gefängnis vor San Francisco wieder eröffnen. Der Vorstoß soll maximale Härte demonstrieren.
„Irres Verhalten“Donald Trumps Alcatraz-Plan könnte ein Ablenkungsmanöver sein

US-Präsident Donald Trump will das Gefängnis von Alcatraz wieder eröffnen.
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Das legendäre Gefängnis wurde 1963 geschlossen. Seither zieht der verwitterte Bau auf einer einsamen Insel 1,5 Kilometer vor dem Ufer von San Francisco nur Vögel und Touristen an. Doch sein Mythos lebt – ganz besonders, seit Netflix Anfang Mai den Filmklassiker „Flucht aus Alcatraz“ in sein amerikanisches Programm aufgenommen hat.
Möglicherweise war es der Thriller mit Clint Eastwood aus dem Jahr 1979, der Donald Trump zu seinem jüngsten aberwitzigen Vorstoß anregte.

Eine US-amerikanische Flagge weht auf der Rückseite einer Fähre vor der Insel Alcatraz in San Francisco. US-Präsident Trump will das berüchtigte Gefängnis Alcatraz wieder in Betrieb nehmen.
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„Baut Alcatraz wieder auf!“, postete der US-Präsident am Sonntagabend während seines Rückflugs aus dem Golf-Wochenende nach Washington unvermittelt auf seiner Plattform Truth Social und verkündete, er habe die Behörden angewiesen, die berüchtigte Haftanstalt nach einer „substanziellen Erweiterung“ für „Amerikas skrupelloseste und gewalttätigste Straftäter“ wiederzueröffnen. Nach der Landung antwortete er auf die Frage eines Reporters, wie er zu der Initiative komme: „Es ist einfach eine Idee, die ich hatte.“
Umgeben von kaltem Meerwasser mit tückischen Strömungen
Gleichwohl schlug die Ankündigung schnell hohe Wellen. Immerhin genießt das 1934 eröffnete Hochsicherheitsgefängnis, in dem Gangster-Legenden wie Al Capone unter schärfsten Bedingungen ihre Strafen absaßen, einen geradezu mythischen Ruf. Mehr als 1500 Menschen haben auf der von kaltem Meerwasser und tückischen Strömungen umgebenen Insel im Laufe der Zeit eingesessen. Es gab mehr als ein Dutzend Fluchtversuche. Alle scheiterten. Nur das später verfilmte Schicksal von drei Komplizen, die Anfang der 1960er Jahre entkamen, ist unbekannt.
Mit Alcatraz wählt sich Trump bewusst ein Symbol maximaler Härte aus. Schon seit dem Wahlkampf rüstet der Republikaner in seiner Rhetorik gegen Kriminelle und Migranten, die er pauschal als Verbrecher diffamiert, immer weiter auf. „Wir werden diese Serientäter, die auf unseren Straßen Schmutz, Blutvergießen und Chaos verbreiten, nicht länger dulden“, schrieb er am Sonntag: „Die Wiedereröffnung von Alcatraz wird als Symbol für Recht, Ordnung und Gerechtigkeit dienen.“
Trump beklagt sich über die Richter
Die Unterstützer des Präsidenten sind begeistert. „Das ist es, wofür ich bei der Wahl gestimmt habe“, jubelte Kari Lake, die neue Chefin des Auslandssenders Voice of America, bei X. Doch wie oft nutzt Trump eine möglichst martialische symbolische Aktion, um von tatsächlichen Schwächen abzulenken. Seine brutale Deportationspolitik stößt nämlich zunehmend auf Widerstand von Gerichten. Ausdrücklich beklagte er sich am Sonntag: „So viele radikalisierte Richter wollen Prozesse für jede einzelne Person, die in unserem Land illegal ist.“
Die Wiedereröffnung von Alcatraz würde daran zwar wenig ändern. Sie beflügelt aber die Law-and-Order-Fantasie der Trump-Anhänger. Tatsächlich wurde das Hochsicherheitsgefängnis, das lediglich Platz für 300 Insassen bietet, vor mehr als 60 Jahren geschlossen, weil sein Betrieb dreimal so teuer wie der vergleichbarer Anstalten an Land war. Inzwischen ist das Gebäude ein Museum und zieht jährlich 1,6 Millionen Touristen an, die rund 60 Millionen Dollar in die Kassen des National Park Service spülen. „Der Vorschlag des Präsidenten ist nicht ernsthaft“, befand deshalb die aus San Francisco stammende demokratische Abgeordnete Nancy Pelosi.
„Absurd“ nannte auch Scott Wiener, der demokratische Vertreter der Stadt im Senat von Kalifornien, den Vorstoß. Er warnte jedoch: „Abgesehen von Trumps irrem Verhalten ist diese Aktion Teil seines Kreuzzugs zur Sabotage des Rechts.“
Große Pläne auch für Guantanamo Bay
Einen derart rechtsfreien Raum versucht Trump schon auf der US-Marinebasis in Guantanamo Bay zu schaffen. Dort hatte er den Bau eines Haftzentrums für Migranten mit 30.000 Personen angekündigt. Allerdings kommt das Vorhaben nicht voran. Bislang gibt es dort nur Kapazität für 300 Personen. Ein Großteil der zwischenzeitlich deportierten Einwanderer soll inzwischen an andere Orte gebracht worden sein.
Als Ausweg hat Trump einen Deal mit dem salvadorianischen Präsidenten Nayib Bukele geschlossen, der gegen die Zahlung eines Millionenbetrages bereit ist, deportierte Migranten aus den USA in einem umstrittenen Massengefängnis unterzubringen. Allerdings war Bukele nach einem Bericht der „New York Times“ anfangs offenbar davon ausgegangen, dass die Männer von US-Gerichten als Straftäter verurteilt wurden. Viele der mehr als 200 Menschen, die bei drei Abschiebeflügen Mitte März nach El Salvador gebracht wurden, hatten jedoch kein ordentliches Verfahren erlebt. Mindestens ein Migrant wurde nach dem Eingeständnis der Regierung „irrtümlich“ abgeschoben.
In der vergangenen Woche hat ein vor sieben Jahren von Trump ernannter Richter in Texas die Deportationen der US-Regierung auf Basis eines Kriegsgesetzes von 1798 für rechtswidrig erklärt und vorerst weitere Flüge aus dem Süden des Bundesstaats gestoppt. Dagegen will die Trump-Regierung juristisch vorgehen. Mit seinem jüngsten martialischen Vorstoß hat Trump schon eine propagandistische Gegenoffensive gestartet. Es ist seine Flucht nach Alcatraz.