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Interview

Erzbischof Udo Bentz
„Ich habe Papst Leo in seiner früheren Funktion nicht als Verhinderer wahrgenommen“

Lesezeit 10 Minuten
25.05.2025, Italien, Rom: Papst Leo XIV. winkt einer Menge von Gläubigen von der zentralen Loggia der päpstlichen Basilika Santa Maria Maggiore in Rom zu, wo er die Ikone der Madonna "Salus Populi Romani" (Beschützerin des römischen Volkes) verehrte. Foto: Domenico Stinellis/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Papst Leo XIV. 

Der Paderborner Erzbischof Udo Bentz spricht über Erwartungen an Papst Leo XIV. und die Nachbarschaft zum Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer Woelki.

Herr Erzbischof, Sie waren zur Amtseinführung von Papst Leo XIV. eigens in Rom. Wie haben Sie ihn erlebt?

Absolut souverän! Fast als wäre er schon viel länger im Amt. Und auf der anderen Seite sind da die Momente, in denen man spürt: Er ist berührt, zeigt Emotionen und auch eine gewisse Spontaneität. Beeindruckend! Unsere vier deutschen Bischöfe auf der Weltsynode haben aus Gesprächen mit dem damaligen Kardinal Robert Francis Prevost erzählt, dass er wirklich gut zuhört und sich bemüht, verschiedene Perspektiven zu verstehen und zu vermitteln. Ich bin gespannt, wie das alles wird.

Wie wird er sein Amt führen?

Mir hat seine Formulierung gefallen, der Papst dürfe kein einsamer Anführer sein und kein über den anderen stehender Chef, der sich zum Beherrscher der ihm anvertrauten Menschen macht. Noch eingängiger ist das auf Italienisch: Der Papst sei kein „condottiero solitario“ und kein „capo posto sopra gli altri“. Er hätte das ja nicht sagen müssen. Es ist hoffentlich nicht Phrase, sondern zeigt sein Selbstverständnis, wie er die Vollmacht des päpstlichen Amtes ausüben will. Gleich in mehreren Ansprachen der letzten Tage hat er unmissverständlich mit der Synodalität an Papst Franziskus angeknüpft.

Der designierte Erzbischof Paderborns, Dr. Udo Markus Bentz +++ Foto: Besim Mazhiqi

Der Paderborner Erzbischof Udo Bentz

Zugleich glaube ich, dass Papst Leos großes Thema die Einheit werden wird. Da spürt er offensichtlich die Herausforderung durch die Pluralität, die als ein unauslöschbares Signum zu unserer Welt und auch zur Kirche gehört.

Ich habe Papst Leo XIV. in seiner früheren Funktion im Vatikan nicht als Verhinderer wahrgenommen.
Erzbischof Udo Bentz

Ein Ehrentitel des Papstes ist „Pontifex“, Brückenbauer. Was bedeutet das in einer – wie Sie sagen – unauslöschbar pluralen Welt?

Ich glaube nicht, dass es ihm um den kleinsten gemeinsamen Nenner gehen wird. Man müsse, hat er gesagt, im Bemühen um Einheit „die soziale und religiöse Kultur jedes Volkes zur Geltung bringen“. Wenn das auch innerkirchlich die Leitlinie ist, böte es große Chancen.

Kardinal Woelki und drei weitere deutsche Bischöfe als Gegner des deutschen Reformprozesses „Synodaler Weg“ rufen den neuen Papst zum Kronzeugen. Er habe noch als Kardinal in einem Schreiben ein deutliches Stoppzeichen gesetzt.

Das habe ich anders gelesen. Und als Person habe ich Papst Leo in seiner früheren Funktion im Vatikan nicht als Verhinderer wahrgenommen, sondern als jemanden, der klar kritische Punkte aufzeigt, aber mit dem Ziel, darüber ins Gespräch zu kommen.

Leute, lasst mir doch eine Chance!
Erzbischof Udo Bentz

Nähren Sie und die anderen 22 Bischöfe auf dem „Synodalen Weg“ einen deutschen Spaltpilz für die Weltkirche, wie Ihre vier Mitbrüder meinen?

Nein, niemand von uns stellt die Einheit in Frage oder arbeitet gar gegen sie. Es ist klar und wird auch so immer benannt: Welche Form wir der synodalen Dynamik auf der Ebene der Bischofskonferenz in Deutschland geben, darüber sind wir in enger Weise mit Rom im Gespräch. Und das ist gut so! Der verstorbene Papst Franziskus hat mit seinem Ruf nach einer „synodalen Kirche“ eine Dynamik auf Weltebene in Gang gesetzt, der sich keiner entziehen kann. Und ich bin mir sicher, wir sind damit noch lange nicht am Ende.

Auffallend war die Euphorie nach der Wahl Leos XIV. Ein bisschen war das – wie man hört – auch 2024 bei Ihrem Amtsantritt als kleiner Papst von Paderborn so. Wie erklären Sie sich das?

Quatsch! (lacht) Ich bin natürlich nicht der Papst von Paderborn, sondern der Erzbischof. Aber es stimmt schon: Neugier, Freude und Erwartung sind eine Melange, die ganz viel Energie freisetzt. Das gibt Rückenwind. Aber in so einer Begeisterung des Anfangs steckt auch viel Projektion: Man malt sich den Neuen so, wie man ihn selbst gern hätte.

Ich habe damals gesagt: Leute, lasst mir doch eine Chance! Ein Profil schält sich doch erst mit der Zeit heraus. Ich muss nicht gleich am ersten Tag alles zeigen, sondern die Menschen, die Region, das Umfeld und die Anliegen zunächst einmal kennenlernen. Vielleicht ist es so wie mit den Flitterwochen nach der Hochzeit: Die sind etwas rundum Schönes. Aber danach kommt die lange Strecke des Ehealltags.

Ich möchte möglichst viel vor Ort sein, Zeit haben für den Dialog.
Erzbischof Udo Bentz

Das haben die Kölner Katholikinnen und Katholiken mit ihrem neuen Erzbischof erlebt. Elf Jahre nach den „Flitterwochen“ ist Ehekrise im Erzbistum Köln. Wie ist es damit in Paderborn?

Wir haben große Veränderungsprozesse gestartet, die in ihrer weiten Perspektive auf viel positive Resonanz stoßen, in Fragen der konkreten Ausgestaltung aber auch Verunsicherung und Kritik auslösen. Aber meine Grundüberzeugung ist: Stimmt die Beziehung zwischen den Beteiligten, ist das eine tragfähige Basis für das vielleicht auch harte Ringen um gute Entscheidungen.

Wie entsteht eine „gute Beziehung“ zum Erzbischof?

Durch Nähe und Präsenz vor Ort, durch Zuhören und die Bereitschaft, wirklich Lernender sein zu wollen. Aber auch mit den eigenen Vorstellungen nicht außen vor bleiben und das kontroverse Gespräch nicht scheuen. Ich möchte möglichst viel vor Ort sein. Eine Woche auch komplett den „Bischofssitz auf Zeit“ in eine Region verlegen. Zeit haben für den Dialog. Das war so eine Idee, die mir dabei hilft, mit den Verantwortlichen vor Ort Prozesse aufzusetzen.

Dekanatstour des Paderborner Erzbischofs Udo Markus Bentz (links) im Dekanat Büren-Delbrück

Dekanatstour des Paderborner Erzbischofs Udo Bentz(links) im Dekanat Büren-Delbrück

Hinter „Prozessen“ verbergen sich: Pfarreifusionen, Sparmaßnahmen. Alles so wie überall…

Die wesentliche Frage ist: Wie können wir auch in 10, 15 Jahren mit völlig veränderten Ressourcen unseren Auftrag erfüllen? Wie können wir wirksam nah bei den Leuten sein, wenn wir gleichzeitig vor der Quadratur des Kreises stehen, dass wir uns die flächendeckende Versorgung nicht mehr leisten können, sie aber wahrscheinlich auch gar nicht mehr brauchen?

Priester haben Sie immer weniger.

Ja, aber daneben wir auch den Rückgang ehrenamtlichen Engagements zu verzeichnen, etwa in den Gremien.

Was schließen Sie daraus?

Wir brauchen neue Formen von Organisation und von Leitung – mit echter Ressourcenverantwortung, echter Gestaltungsverantwortung, echter lokaler oder regionaler Souveränität. Und das müssen wir durchbuchstabieren – bis hin zur Frage: Wer ist künftig das Gesicht von Kirche vor Ort?

Die Frage nach den finanziellen Ressourcen stellt sich uns auch.
Erzbischof Udo Bentz

Solange die Messfeier am geweihten Amt hängt, kann das nur der Priester sein. Also doch die Mangelverwaltung?

In einer sakramentalen Kirche mit dem sakramentalen Dienst als Wesensmerkmal ist der Priestermangel tatsächlich eine Wesenskrise. Wir kommen daher an der Frage nicht vorbei, wie wir den sakramentalen Dienst stärken können. Sie schmunzeln?

Ja, weil Sie Frage sehr leicht selbst beantworten könnten – mit verheirateten Priestern und der Weihe von Frauen. Allerdings haben Sie das nicht zu entscheiden.

Trotzdem stimmt es: Wenn die Sakramentalität der Kirche so wesentlich ist, muss Sekundäres – wie Zulassungsbedingungen – auf den Prüfstand und darf – der Erfüllung des sakramentalen Dienstes nicht im Weg stehen. Dazu braucht es ein ehrliches, gemeinsames geistliches Ringen.

Im Erzbistum Köln sollen bis 2030 insgesamt 100 Millionen Euro eingespart werden. Welche Zielmarken haben Sie?

Die Frage der finanziellen Ressourcen stellt sich uns auch. Aber das Entscheidende ist, nicht nur Geld einzusparen, sondern sich vorher zu fragen: Was können und wollen wir uns angesichts der veränderten Situation künftig leisten? Der Inhalt bestimmt die Form.

Für die Seelsorge in der Fläche brauchen wir verlässliche Orte.
Erzbischof Udo Bentz

Nennen Sie doch mal die zwei, drei wichtigsten Parameter Ihrer künftigen Ausgabenpolitik!

Das ist ein Prozess, der bei uns erst noch ansteht. Aber deutlich wird bereits: missionarisch, diakonisch und geistlich sind die entscheidenden Kriterien. Für die Seelsorge in der Fläche brauchen wir verlässliche Orte, an denen kirchliches, auch sakramentales Leben in der ganzen Fülle stattfindet. Hinzu kommen Orte, an denen Kirche sich mit einem bestimmten Fokus ereignet. Ergänzend oder komplementär dazu brauchen wir Angebote, mit denen wir als Kirche in die Gesellschaft hineinwirken können.

Welche Angebote sind das?

Kitas, Schulen, Sozial- und Bildungseinrichtungen, geistliche Zentren, jugendpastorale Orte und andere mehr…

Auch kircheneigene theologische Hochschulen?

Wir haben hier in Paderborn seit 411 Jahren unsere Katholische Fakultät, heute in guter Kooperation mit der staatlichen Universität. Zum Beispiel kommen Studierende der Wirtschaftswissenschaften zu uns, um wirtschaftsethische Vorlesungen oder andere Module zu belegen. Umgekehrt bieten jüdische und islamische Religionswissenschaft interessante Perspektiven für die Studierenden der Katholischen Fakultät.Dieses Miteinander hat sich bewährt.

Was sagen Sie in diesem Zusammenhang zu Kardinal Woelkis „Kölner Hochschule für Katholische Theologie“?

Die Frage, ob es in der vielfältigen Universitätslandschaft unseres Nachbarbistums einen zusätzlichen kirchlichen Standort braucht, ist eine strategische Entscheidung des dortigen Bischofs.

Erzbischof Udo Bentz, Paderborn

Erzbischof Udo Bentz, Paderborn

Wie lebt es sich denn mit einem Nachbarn, der alles anders macht?

Auf NRW-Ebene erlebe ich einen kollegialen Austausch. Die fünf Generalvikare sagen, dass sie in Sachfragen gut miteinander überlegen und beraten. Dennoch ist spürbar, dass in Köln andere Akzente gesetzt werden, man einen anderen Weg geht. Mir steht es nicht zu, von außen auf die Verantwortung eines anderen Bischofs in seinem Bistum zu gucken.

Ich fokussiere mich - erst recht in der Anfangsphase – auf meines: dass ich hier Glaubwürdigkeit lebe, Verlässlichkeit entwickle, mit den Leuten gemeinsam einen Weg in die Zukunft gehe. Damit - und nicht im Urteil über andere - nehme ich auch die Verantwortung wahr, die wir als Bischöfe füreinander haben. Der Apostel Paulus spricht im ersten Korintherbrief von der Kirche als lebendigem Organismus: Leidet ein Glied, leiden die anderen mit.

Als die Staatsanwaltschaft jetzt ihre Ermittlungen gegen Kardinal Woelki wegen des Verdachts auf Meineid eingestellt hat, war von den „anderen Gliedern“ – also auch von Ihnen – dröhnendes Schweigen zu vernehmen.

Um das öffentlich zu kommentieren, bräuchte ich eine Innenschau. Die habe ich nicht.

Gottesdienst, Gesellschaft, Volksfest - eigentlich ist das eine geniale Kombi.
Erzbischof Udo Bentz

Ist der Blick auf die Rolle der Kirche in der Gesellschaft ein anderer, wenn man Bischof eines Bistums ist, das jedes Jahr zum „Libori-Fest“ Ende Juli alles auffährt, was der Katholizismus an Folklore zu bieten hat?

Wenn Sie mit Folklore sagen wollten, dass hier im positiven Sinn ein Stück Volksfrömmigkeit, religiöser Identität und Heimatverbundenheit lebendig ist, dann hätten Sie recht. Wenn Folklore bedeuten sollte, dass unser Libori-Fest nichts mit der Lebenswirklichkeit der Menschen zu tun hätte, dann wäre das dezidiert falsch. „Libori“, das ist ja nicht nur die eindrückliche Feier im Dom mit der Erhebung der Libori-Reliquien zu Beginn. Es ist vielmehr auch eine Themenwoche, in der an jedem Tag gezielt politische, gesellschaftliche und soziale Fragen in den Blick genommen werden.

Ich war voriges Jahr unter anderem beim „Tag der Handwerker“. Es ging um Herausforderungen der kleinen Betriebe mit allen Veränderungen und Verunsicherungen. Da sind auch wir als Kirche gefragt: Wie können wir Gesprächsräume öffnen, Sorgen begleiten Akzente setzen? Und dann kommt beim Libori-Fest als drittes der Fun-Faktor dazu: die große Libori-Kirmes, die es inzwischen auch schon 500 Jahre gibt. Gottesdienst, Gesellschaft, Volksfest – eigentlich ist das eine geniale Kombi.

Erzbischof Udo Bentz (links) beim Interview mit Joachim Frank im Paderborner Bischofshaus.

Erzbischof Udo Bentz (links) beim Interview mit Joachim Frank im Paderborner Bischofshaus.

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) hat beklagt, die Kirchen redeten zu wenig vom „Eigentlichen“ des Glaubens. Das ist ja nicht immer so einfach. Donnerstag zum Beispiel ist das Fest Christi Himmelfahrt. Viele feiern es aber als Vatertag. Ich würde mal sagen: Letzteres erklärt sich leichter.

Ich finde Himmelfahrt gar nicht so schwierig zu erklären: Wir richten an diesem Tag unseren Blick nach oben – zu Christus. Doch im Himmel ist er, wie es schon in der Bibel heißt, unseren Blicken entzogen. Deshalb geht die Frage an die Apostel: „Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?“ Das heißt: Unser Blick muss von oben weg nach vorn gehen – in die Welt. Wo mache ich mich fest und wo will ich hin? Es gibt einen schönen Spruch dazu: den Kopf im Himmel, die Füße auf dem Boden, das Herz bei den Menschen. Das ist unsere Sendung, unser Auftrag, unser Job.

Nochmal zurück zu Julia Klöckner…

Jetzt tun wir mal nicht so, als wäre sie die Erste, die fragt, wie politisch sich die Kirche äußern soll – zumal in der Dynamik einer Wahlkampf-Endphase wie vor einem Vierteljahr.

Äußert „die Kirche“ sich eigentlich nur dann politisch, wenn ein Bischof, die Bischofskonferenz oder das katholische Büro sich äußern?
Erzbischof Udo Bentz

Was antworten Sie?

Zu tages- und parteipolitischen Ereignissen eine kirchliche Orchestrierung liefern – damit sollten wir sehr vorsichtig sein. Wir dürfen uns auch nicht zu einem Teil wahlkampftaktischen Kalküls machen lassen. Aber wir dürfen auch nicht so allgemein und grundsätzlich werden, dass es niemandem mehr wehtut, zu keiner Urteilsbildung mehr beiträgt und nichts voranbringt. Die eigentlich spannende Frage an dieser Debatte der letzten Wochen aber lautet für mich: Äußert „die Kirche“ sich eigentlich nur dann politisch, wenn ein Bischof, die Bischofskonferenz oder das katholische Büro sich äußern?

Wer sonst? Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken?

Zum Beispiel. Ich denke aber insbesondere an die Politikerinnen, die Politiker selbst, die bewusst aus ihrem Glauben heraus entscheiden und handeln. Auch sie haben Teil am Auftrag und an der Sendung der Kirche.

Nun gibt es christliche Politiker in allen Parteien – mit allen ihren Gegensätzen.

Das Signum unserer Zeit ist Pluralität.
Erzbischof Udo Bentz

Genau. Da sind wir wieder am Anfangspunkt: Das Signum unserer Zeit ist Pluralität.

Aber die vielen Politiker mit ihren pluralen Ansichten sind auch in Summe nicht „die Kirche“. Bei diesem Begriff denkt man dann eben doch an andere Repräsentanten, an Leute wie Sie.

Ja, klar. Die Bischöfe repräsentieren in besonder Weise die Kirche in der öffentlichen Debatte. Aber sie sind eben nicht die einzige Stimme. Wir brauchen einen intensiven innerkirchlichen Dialog, um als Kirche auch im Dialog mit der Gesellschaft wirksam sein und bestimmte Inhalte einbringen zu können. Da stoßen wir wieder auf den Aspekt einer synodalen Kultur.

Woran denken Sie bei den „bestimmten Inhalten“? An den Schutz des ungeborenen Lebens?

Das ist ein wesentliches Thema, aber nicht das einzige. Ich will gar keine Themen ein- oder ausschließen. Ich meine ein Ethos auf der Grundlage des Evangeliums, das es jedem und jeder ermöglicht, aus dem eigenen Gewissen heraus zu Entscheidungen zu kommen.

Machen wir’s konkret: Am 14. September ist Kommunalwahl in NRW. Dann stehen alle Wahlberechtigten vor der Entscheidung, ob sie die AfD wählen. Was sagen Sie ihnen?

Zweierlei: Ich werde erstens niemanden vorschnell verurteilen, weil er oder sie die AfD wählt. Das Wahlgeheimnis ist ein hohes Gut. Aber ich sage zweitens: Die AfD vertritt Positionen, die mit dem christlichen Menschenbild unvereinbar sind. Das müssen wir für die Wählerentscheidung offensiv an den konkreten Themen deutlich machen und mit den möglichen AfD-Wählern ins Gespräch kommen und ihre Motive besser verstehen lernen.

Und wer als Mandatsträger die Positionen der AfD vertritt?

Der kann bei uns keine Ämter und keinen Sitz in Gremien haben. Dazu stehe ich. In der Praxis wird das nicht ohne Schwierigkeiten gehen. Wie ist das zum Beispiel bei Lehrkräften für Religion? Dem werden wir uns stellen. Wichtig ist, welche Botschaften, welche Zeichen wir setzen – in der Hoffnung, dass sie wirken. Alles andere müssen wir im Einzelfall sehen. Klar ist: sich raushalten und keine Position beziehen, geht gar nicht! Wer schweigt, bezieht die denkbar schlechteste Position.


Zur Person

Udo Markus Bentz, geb. 1967, ist seit 2024 Erzbischof von Paderborn. Der Geistliche ist gelernter Bankkaufmann. 1988 begann er das Theologiestudium. 2007 erwarb er den Doktor der Theologie. Der frühere Bischof von Mainz, Karl Lehmann, weihte Bentz 1995 zum Priester. 1998 wurde er als persönlicher Sekretär einer von Lehmanns engsten Mitarbeitern. Als im Missbrauchsskandal 2023 schwere Vorwürfe gegen den 2018 gestorbenen Kardinal laut wurden, erklärte Bentz, von Vertuschungen keine Kenntnis gehabt zu haben.

2015 wurde Bentz Weihbischof in Mainz. In dieser Zeit war er für die Priesterausbildung verantwortlich . 2017 übernahm er als Generalvikar die Bistumsverwaltung. Am 2019 gestarteten Reformprozess „Synodaler Weg“ beteiligt Bentz sich aktiv. Er war unter anderem Moderator der Plenarsitzungen. (jf)