Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

„Selfie-Jacht“Israel schiebt Thunberg nach Frankreich ab – Spekulationen über Handys

Lesezeit 4 Minuten
ARCHIV - 01.06.2025, Italien, Catania: Die Klimaaktivistin Greta Thunberg und andere Aktivisten einer Menschenrechtsorganisation treffen sich vor ihrer Abreise in den Nahen Osten mit Journalisten in Catania, Italien. (zu dpa: «Israel will Ankunft von Thunbergs Schiff in Gaza verhindern») Foto: Salvatore Cavalli/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Catania: Die Klimaaktivistin Greta Thunberg und andere Aktivisten einer Menschenrechtsorganisation treffen sich am 1. Juni vor ihrer Abreise in den Nahen Osten mit Journalisten in Italien.

Die Besatzung der „Madleen“ ist auf dem Weg zurück in ihre Heimatländer. Israel spricht von einer reinen PR-Aktion mit der „Selfie-Jacht“.

Greta Thunberg hat Israel verlassen und fliegt nach Frankreich. Das berichtete das israelische Außenministerium am Dienstag (10. Juni) beim Onlinedienst X und teilte zwei Fotos, die Thunberg an Bord eines Flugzeugs zeigen.

Die Klimaaktivistin hatte versucht, mit weiteren Personen auf einem Schiff nach Gaza zu gelangen, war aber vom israelischen Militär gestoppt und festgesetzt worden. Anschließend sollten sie und die anderen elf Aktivisten in ihre Heimatländer zurückreisen. Sie waren von den israelischen Behörden am Dienstagmorgen zum Flughafen Tel Aviv gebracht worden. „Greta Thunberg verlässt Israel auf einem Flug nach Frankreich“, erklärte das Ministerium in der Nacht zu Dienstag.

Die Jacht mit zwölf Menschen an Bord war am 1. Juni von Sizilien aus unter großem Medieninteresse nach Gaza gestartet, um gegen das Vorgehen Israels gegen die palästinensische Bevölkerung zu protestieren. Das Schiff wurde gestoppt, beschlagnahmt und am Montag in die israelische Hafenstadt Aschdod geschleppt.

Israelisches Außenministerium droht Aktivisten um Greta Thunberg

Das israelische Außenministerium schrieb beim Nachrichtendienst X: „Wer sich weigert, die Abschiebungsdokumente zu unterschreiben und Israel zu verlassen, wird gemäß israelischem Recht vor eine Justizbehörde gebracht, die seine Abschiebung genehmigt.“ Die Passagiere würden am Flughafen von diplomatischen Vertretern aus ihren Heimatländern empfangen.

Von den sechs französischen Passagieren an Bord der „Madleen“ akzeptierte nach Angaben des französischen Außenministers Jean-Noël Barrot nur einer die Abschiebung nach Frankreich. Die übrigen fünf würden in den kommenden Tagen einer israelischen Justizbehörde vorgeführt, so Barrot bei X. Welcher Aktivist nach Frankreich kommt, bleibt aber unklar.

Die Aktivistengruppe Freedom Flotilla Coalition (FFC), die das Schiff betreibt, hatte laut BBC zuvor mitgeteilt, alle Aktivisten seien „abgefertigt und in den Gewahrsam der israelischen Behörden überführt“ worden. Am Dienstagmittag schrieb FFC bei Instagram, dass vier der zwölf Besatzungsmitglieder Israel inzwischen verlassen hätten, acht seien noch in Haft. Das „sogenannte Justizsystem“ Israels werde in einem „Tribunal“ letztlich wohl auch deren Zwangsausweisung anordnen, heißt es.

Besatzungsmitglieder werfen Handys über Bord

In einem Video, das Thunberg noch an Bord der Jacht aufgenommen hatte, forderte die 22-Jährige die schwedische Regierung auf, Druck auf Israel auszuüben. Die schwedische Außenministerin Maria Malmer Stenergard lehnte dies jedoch am Montag ab und sagte, aus Sicht der Regierung benötige Thunberg keine Unterstützung. Diese habe sich entgegen den Empfehlungen für die Reise entschieden.

In einem anderen Video, das auch die Freedom Flotilla Coalition teilte, ist offenbar der Moment zu sehen, kurz bevor die „Madleen“ aufgebracht wird. Es sind hektische Stimmen zu hören, es ist dunkel, die Besatzungsmitglieder kauern in Schwimmwesten an Deck. Dann erschallen Rufe, dass die Handys und Computer über Bord geworfen werden sollen. Dies tun den Aufnahmen zufolge auch einige der Aktivisten.

So soll vermutlich verhindert werden, dass die Geräte in die Hände der israelischen Sicherheitskräfte gelangen. Ob sich illegale Inhalte auf den Geräten befunden haben, ist aber nur Gegenstand von Spekulationen.

Greta Thunbergs Aktion: Israel spricht von „Selfie-Jacht“

Das israelische Außenministerium nennt das Schiff durchgängig verächtlich „Selfie-Jacht“, um deutlich zu machen, dass es sich aus Sicht Israels um eine reine PR-Aktion handelte. Die Aktivisten rund um Thunberg betonten jedoch, die „Madleen“ habe eine „symbolische Menge an Hilfsgütern“ wie Reis und Babynahrung nach Gaza bringen und Israels Seeblockade durchbrechen wollen. Die Aktivisten beklagten, ihr Schiff sei in internationalen Gewässern abgefangen worden. Die Seeblockade sei illegal.

Unabhängig vom Krieg im Gazastreifen riegelt Israel das Palästinensergebiet vom Meer aus strikt ab. Die Sicherheitsmaßnahme war 2007 nach der Machtübernahme der islamistischen Hamas eingeführt worden und wird offiziell auch von Ägypten mitgetragen, das im Süden an den Küstenstreifen grenzt. Sie dient dazu, Waffenlieferungen an die Hamas zu unterbinden.

An Bord des Schiffes befanden sich Staatsbürger aus Brasilien, Frankreich, Deutschland, den Niederlanden, Spanien, Schweden und der Türkei – darunter Rima Hassan, eine französische EU-Abgeordnete, und Omar Faiad, ein französischer Journalist von Al Jazeera.

In einem von Israel am Montag veröffentlichten Video sind die Aktivisten in orangefarbenen Rettungswesten zu sehen. Alle Passagiere seien „wohlauf und unverletzt. Sie wurden mit Sandwiches und Wasser versorgt“, hieß es. „Die Show ist vorbei“, teilte das Ministerium mit. Hilfsgüter würden mit mehr als 1.200 Lkw in den vergangenen zwei Wochen in den Gazastreifen geliefert, die winzige Menge an Bord des Schiffes spiele keine Rolle.

Greta Thunberg spricht von „Völkermord“ an Palästinensern

Ungeachtet der Aktion von Thunberg und ihren Mitstreitern steht Israels Regierung um Ministerpräsident Benjamin Netanjahu massiv in der Kritik. Die Militäraktion, deren Auslöser der brutale Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 war, erscheint vielen inzwischen unverhältnismäßig. Insbesondere die katastrophale Versorgungslage in dem Palästinensergebiet löst Proteste aus. Auch die UN spricht von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und von einer „genozidalen Absicht“ Israels.

Greta Thunberg solidarisierte sich bereits in der Vergangenheit mit den Palästinensern und spricht seit Beginn der Militäraktion von „Völkermord“ durch Israel. Dies hat der 22-Jährigen viel Kritik eingebracht, da sie den blutigen Angriff der Hamas und die israelischen Geiseln so gut wie gar nicht erwähnt. Zudem gibt es inzwischen Berichte, die auf Verbindungen des Organisators der medienwirksamen Fahrt der „Madleen“ zur Hamas hinweisen. (mit afp)