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„Sie finden das super“Hasen profitieren von der Trockenheit im Rheinland – Gefahr durch Seuche

Lesezeit 7 Minuten
ARCHIV - 08.04.2023, Hessen, Frankfurt/Main: Drei Feldhasen sitzen auf einem Acker. (zu dpa: «Trockenes Frühjahr hilft Thüringens Feldhasen») Foto: Frank Rumpenhorst/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Zwei Feldhasen laufen über ein Feld. Das Rheinland hat eine hohe Hasendichte.

Der Hasen-Bestand blieb trotz des nassen Jahres 2024 stabil. Am Niederrhein bedroht eine neuartige Seuche die Wildtiere. 

Möwe und See-Adler stehen für Schleswig-Holstein, die Gams vielleicht für Bayern und der Storch für das Elsass. Aber welches ist das rheinischste Wildtier? Die gute Nachricht zu Ostern: Es ist der Hase, genauer der Feldhase. 

Deutschlandweit tummelten sich im vergangenen Frühjahr im Schnitt 19 Hasen pro Quadratkilometer auf rheinischen Wiesen und Feldern, wie der Deutsche Jagdverband (DJV) mitteilt - so viele wie bereits 2023. „Das ist erneut der beste Wert seit Beginn der Zählungen vor mehr als 20 Jahren“, sagt Torsten Reinwald. NRW-weit waren es sogar knapp 29 Hasen pro Quadratkilometer, ergänzt der Sprecher des Landesjagdverbandes NRW, Andreas Schneider.

Die Feldhasen finden das warme und trockene Wetter super
Torsten Reinwald, Deutscher Jagdverband

Zu Ostern ist die Geburtszeit der Feldhasen. Wie sich der Langohren-Nachwuchs in diesem Jahr entwickeln wird, ist laut Jagdverband noch nicht abzusehen. Die aktuelle Trockenheit bietet gute Startvoraussetzungen für Feldhasen, die ursprünglich Steppenbewohner sind.

„Die Feldhasen finden das super“, sagt Reinwald mit Blick auf die trockene Witterung. Auch Temperaturen unter dem Gefrierpunkt machen Feldhasen wenig aus - solang es eben trocken bleibt. Das habe mit dem Fell zu tun, mit dem schon die Jungtiere geboren werden. „Das Fell isoliert gut, weil es zwischen den Haaren eine Art Luftpolster bildet“, sagt Reinwald. „Wenn das Fell aber nass wird, dann verklebt es und das Luftpolster ist futsch.“ Die Körperwärme der Hasen gehe dann verloren. Im schlimmsten Fall erfrieren die Tiere. Eine schützende Höhle wie etwa Kaninchen haben Feldhasen nicht.

Wie Jäger Hasen zählen

Um die Feldhasen zu zählen, haben Jägerinnen und Jäger im Rahmen des Wildtier-Monitorings in 426 ausgewählten Gebieten erfasst, wie viele Tiere nachts im Licht eines normierten Scheinwerfers auf Feldern zu entdecken waren.

Zwischen den Großlandschaften in Deutschland gibt es deutliche Unterschiede: Mit durchschnittlich 28 Feldhasen pro Quadratkilometer ist der Bestand im nordwestdeutschen Tiefland - also von der dänischen Grenze bis ins Rheinland von Köln an nördlich - am dichtesten. Dahinter folgen die südwestdeutschen Mittelgebirge mit 23 Tieren. Eher wenig Feldhasen hoppeln im nordostdeutschen Tiefland (7).

Jäger haben weniger Hasen geschossen

Laut dem Jagdverband dürfen die positiven Zahlen aber nicht über den langfristigen Trend hinwegtäuschen. In den 1960er und 1970er Jahren habe es noch deutlich mehr Feldhasen in Deutschland gegeben, sagt Reinwald. Wegen dieses Rückgangs steht der Feldhase auch auf der Roten Liste der gefährdeten Tierarten. Als Gründe nennen Experten vor allem eine intensivere Landnutzung, die den Lebensraum der Feldhasen schrumpfen lässt.

Feldhasen werden von Jägerinnen und Jägern auch gejagt. Die Jagd erfolgt laut dem Verband unter Berücksichtigung regionaler Verhältnisse. In einigen Gebieten verzichten Jäger auch freiwillig auf die Hasenjagd. Im Jagdjahr 2023/2024 wurden laut dem Ministerium für Landwirtschaft in NRW 72.700 Hasen geschossen (in den Abschusszahlen enthalten sind stets auch Tiere, die überfahren oder tot aufgefunden wurden), das sind 5400 weniger als im Vorjahr. Für das vergangene Jagdjahr 2024/2025 liegen noch keine Zahlen vor, weil es erst am 31. März endete.

Wie sich die Industrialisierung der Landwirtschaft auswirkte, zeigen Vergleichszahlen aus der Vorkriegszeit. 1938 wurden im Gebiet des heutigen NRW 221.000 Hasen geschossen, dreimal mehr als heute. Noch deutlicher wird das mit Blick auf die Kaninchenstrecke. 1939 wurden in dem Gebiet 480.000 Kaninchen geschossen, im vorigen Jahr waren es nur noch 20.000. 

Warum der Hasen-Zuwachs über das Jahr schwächelt

Während die Hasen-Bestände im Vergleich zu 2023 stabil waren, bereitet eine zweite Zahl Jägern und Naturschützer Sorgen: Die Zuwachsrate zwischen der ersten Zählung im Frühjahr 2024 und einer zweiten Zählung im Herbst. Diese Rate gilt als Indikator für die Gesundheit des Hasen-Bestands.

Bundesweit war der Zuwachs bei den Feldhasen mit acht Prozent zwar positiv, allerdings war er geringer als zuletzt. „2023 lag der Wert bei 15 Prozent - also fast doppelt so hoch. Da sehen wir den Einfluss des Wetters“, erklärt Reinwald. Im Frühsommer 2024 gab es laut DJV vor allem in Süddeutschland Starkregen und teils sogar Hochwasser. Entsprechend fiel die Rate im Alpenvorland mit minus 13 Prozent sogar negativ aus.

Ein Feldhase verweilt am frühen Morgen

Ein Feldhase verweilt am frühen Morgen. Die Tiere brauchen Hecken, Büsche und auch angrenzende Wälder als Deckung

Seuche bedroht Hasen am Niederrhein

Speziell am Niederrhein werden die Hasen von einer „neuen“ Seuche heimgesucht. Im Spätsommer 2024 wurde dort die berüchtigte Virus-Erkrankung Myxomatose bei Hasen festgestellt. Nach einer neuesten Untersuchung der „Forschungsstelle für Jagdkunde und Wildschadenverhütung“ in Bonn, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt, wurde bereits in 45 Prozent der NRW-Kreise die ursprünglich bei Kaninchen verbreitete Krankheit festgestellt. 

Die Forschungsstelle hat die Jäger des Landes aufgefordert, verendete Hasen einzusenden. Am stärksten betroffen in NRW ist der Kreis Wesel. Dort wurden im Schnitt mehr als sechs durch Myxomatose verendete Feldhasen je 100 Hektar gezählt. Im benachbarten Duisburg waren es fünf je 100 Hektar. In Bottrop, Bochum und im ländlichen Kreis Borken waren es vier. Auch aus den an Köln grenzenden Landkreisen Neuss und Bergheim wurden Myxomatose-Kadaver eingesandt.

Myxomatose bedroht nicht nur Kaninchen, sondern auch Hasen

„Die beim Kaninchen seit den 1950er Jahren bekannte Pockenerkrankung Myxomatose ist wahrscheinlich mutiert und konnte so auf Hasen übertragen werden. In den meisten Fällen endet sie tödlich“, sagt Luisa Fischer, Leiterin der Forschungsstelle für Jagdkunde und Wildschadenverhütung. Bei zwei Dritteln der Tiere kämen die Symthpome sehr schnell, sie litten an Augen und Nase. „Durch die dadurch eingeschränkte Wahrnehmung werden die Hasen schneller Opfer von Füchsen oder dem Straßenverkehr. Ein Drittel der Tiere hat einen längeren, zwei bis dreiwöchigen Krankheitsverlauf“, sagt die promovierte Biologin.

Wir sind recht zuversichtlich, dass sich im Laufe der Zeit bei den Feldhasen eine Resistenz gegen die Myxomatose einstellt
Luisa Fischer, Leiterin der Forschungsstelle für Jagdkunde und Wildschadenverhütung

Die Myxomatose wurde 1952 durch einen französischen Privatmann aus Südamerika importiert, um den Wildkaninchenbestand auf seinem Landsitz zu dezimieren. Ihr natürlicher Träger ist das südamerikanische Baumwollschwanzkaninchen, dieses zeigt aber kaum Krankheitsanzeichen. Typische Symtome sind Apathie, Fressunlust, Schwellungen und Pocken im Bereich von Maul, Augen, Ohren und Genitalbereich.

Bei Feldhasen tauchte die Myxomatose erstmals von Juli bis September 2018 in Spanien auf. Als Überträger der Krankheit werden Stechmücken vermutet. Anders als bei Kaninchen ist die Virus-Krankheit beim Hasen noch wenig erforscht.

„Noch suchen wir nach Tieren, die das überlebt haben. Wir sind aber relativ zuversichtlich, dass sich im Laufe der Zeit eine gewisse Resistenz gegen die Myxomatose einstellt“, sagt Wissenschaftlerin Fischer. Das ist nicht unwahrscheinlich. „Bei Kaninchen, die früher der Hauptträger der Myxomatose waren, hat sich über viele Jahre bei vielen Tieren eine gewisse Resistenz eingestellt, die Todesrate ist messbar gesunken“, sagt Fischer.

Der Hase ist ein Profiteur der trockenen, warmen Sommer der vergangenen Jahre
Luisa Fischer, promovierte Tierärztin

Die Verluste beim Hasen in NRW seien nicht so drastisch, wie bei Ausbruch der Seuche im Herbst 2024 befürchtet wurde. Das liege auch an den insgesamt stabilen Hasenbeständen und einer sehr hohen Reproduktionsrate der Hasen in NRW. „Der Hase ist ein Profiteur der trockenen, warmen Sommer der vergangenen Jahre. Wenn es eher trocken ist, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Junghasen überleben, deutlich höher“, so die Forscherin. Die Jägerschaft habe mit ihrer Zurückhaltung dazu beigetragen, dass die Hasenpopulation trotz der neuen Krankheit so stabil sei.

Trockenheit in NRW könnte Hasen langfristig bedrohen

Langfristig stimmt die Trockenheit den DJV-Experten Torsten Reinwald dennoch sorgenvoll, denn die Dosis macht das Gift, zu trocken darf es auch dem Hasen nicht sein. „Es kann auch kippen, wenn wir so ein Jahr bekommen wie 2018.“ Denn bei zu langer Dürre könnten Kräuter und Gräser als Hasenfutter vertrocknen. „Wenn das nicht mehr da ist, dann wird es extrem - sowohl für die Jungtiere als auch für die Alttiere“, sagt Reinwald.

Wichtig wären aus Sicht von Jägern und Naturschützern mehr Brachflächen, Hecken und Blühstreifen, wo sich Feldhasen wohlfühlen und das ganze Jahr über Nahrung und auch Deckung vor Fressfeinden finden. Dafür müsse aber intensiv genutzte landwirtschaftliche Fläche aus der Nutzung genommen werden, sagt Klaus Hackländer, Vorstand der Deutschen Wildtier Stiftung.

„Wir müssen den Lebensraum verbessern, zusammen mit den Landwirten“, sagt DJV-Sprecher Reinwald. Der Jagdverband fordert dazu etwa Nachbesserungen bei den sogenannten Öko-Regelungen der gemeinsamen Agrarpolitik der EU. Dabei werden Landwirte, die etwas für den Umwelt- und Klimaschutz tun, etwa indem sie Blühstreifen anlegen, honoriert.

Das begrüßen grundsätzlich auch die Jäger, und die Zahl der naturbelassenen Grünstreifen wachse auch allmählich, sagt Reinwald. „Aber die sind meistens an schlechten Standorten.“ Damit Feldhasen und Vögel davon profitierten, müssten Blühstreifen gleichmäßig wie Trittsteine in der Landschaft verteilt sein. Dann könnten die Tiere ungeeignete Agrarflächen besser überwinden, sagt Reinwald.