Warum manche Körper die hohen Temperaturen überlasten, wie sich Menschen schützen können und was Hoffnung macht.
Gesundheitsgefahr durch Hitze„Kümmern Sie sich um ältere Verwandte!“

Gerade auf ältere Mitbürger sollte man während der Hitzewelle besonders achten.
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Frühstück auf dem Balkon, Eis am Stiel im Freibad, Fahrradfahren in kurzen Hosen, Wasserspritzpistolenschlachten im Garten. Die Assoziationskette, die der Start des Sommers früher im Gepäck hatte, war eine beinahe durchgängige Ode an die Freude. In Zeiten des Klimawandels haben sich massive Misstöne eingeschlichen in die harmonischen Akkorde. Denn wenn steigende Temperaturen früher hauptsächlich positive Urlaubsgefühle hervorriefen, gereichen sie gerade Medizinern heute auch zur Sorge.
Steigt die Zahl der Krankenhauseinweisungen?
Mit den Temperaturen steigen in den Sommermonaten in Folge des Klimawandels auch die Gesundheitsgefahren. Je mehr Hitze, umso größer ist beispielsweise das Risiko ins Krankenhaus eingeliefert werden zu müssen – und im schlimmsten Fall sogar zu sterben. 2181 hitzebedingte Krankenhauseinweisungen pro Jahr allein für den Kölner Stadtteil Ehrenfeld prognostiziert der AOK-Gesundheitsreport für das Jahr 2100, falls dem Klimawandel keine zusätzlichen Maßnahmen entgegengestellt werden. Im Vergleich zum Durchschnitt der hitzebedingten Krankenhauseinweisungen aus den Jahren 2009 bis 2018 hätte sich die Zahl damit mehr als vervierfacht.
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Ebenso dramatisch sieht es den Berechnungen zufolge im Kölner Süden, beispielsweise in Rodenkirchen aus. Mehr als 2000 hitzebedingte Krankenhauseinweisungen werden für diesen Stadtteil prognostiziert, der Durchschnittswert von 2009 bis 2018 hätte sich damit gar verfünffacht. Auch in Hürth gehen die Experten von einer Verfünffachung auf knapp 1900 Einweisungen pro Jahr aus.
Kann die Hitze tödlich sein?
Die Hitze macht Menschen krank und wird vor allem für Risikogruppen wie Kinder, Säuglinge, Schwangere, Vorerkrankte und Senioren in den kommenden Jahren zur immer größeren Gesundheitsgefahr. Darin sind sich Experten spätestens seit 2018 einig, als die Zahl der Hitzetage in Deutschland laut Umweltbundesamt im Vergleich zum Vorjahr sprunghaft von 6,8 auf 20,4 anstieg.
Allein im vergangenen Jahr kamen nach Angaben des Robert-Koch-Instituts mehr als 3000 Menschen wegen der Hitze zu Tode. Im Jahr 2022 starben 4500, 2018 gar 8700 Menschen.
Warum können Senioren, Vorerkrankte und Kinder die Hitze schlechter regulieren?
Senioren zählen zur Risikogruppe, schließlich „nimmt im Alter die Anpassungsfähigkeit der Organe im Allgemeinen ab“, so Beate Müller, Professorin für Allgemeinmedizin an der Uniklinik Köln. Und Anpassungsfähigkeit sei zur Abkühlung des Körpers eine wichtige Fähigkeit, sagt Dr. Andrea Nakoinz, Ärztin und Beraterin für gesundheitliche Anpassung an den Klimawandel im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Der Körper verfügt der Ärztin zu Folge über zwei Möglichkeiten, Hitze abzugeben. Liegen die Temperaturen unter der Körpertemperatur, verfolge der Körper die Strategie, mehr Blut an die Hautoberfläche zu pumpen, um es dort abzukühlen und wieder in den Kreislauf einzuschleusen. Damit möglichst viel Blut gekühlt werden könne, weite der Mensch zu diesem Zwecke die Gefäße, zudem vergrößere das Herz sein Pumpvolumen. „Bei alten Menschen sind aber die Gefäße nicht mehr so flexibel, auch das Herz ist nicht mehr so stark“, sagt Nakoinz. Auch das Schwitzen, die zweite Möglichkeit, dem Körper Wärme zu entziehen, funktioniere bei Senioren und Kindern manchmal nicht mehr ganz so effektiv.
„Kältewesten“ können Kühlung verschaffen
Was sollte man tun, um sich abzukühlen?
Nakoinz empfiehl deshalb gerade für diese Risikogruppen, den Körper mindestens einmal am Tag richtig gut runterzukühlen, um für Entlastung zu sorgen. „Gehen Sie ins Einkaufszentrum, da ist es meist richtig schön kühl, und drehen sie ein paar Runden mehr. Oder duschen Sie morgens lauwarm und lassen den Körper danach lufttrocknen, das entzieht Wärmeenergie.“ Auch ein Schwimmbadbesuch in den ganz frühen Morgenstunden sei empfehlenswert. Gute Dienste könnten zudem sogenannte Kältewesten bieten. Diese werden unter der Kleidung getragen. Sie speichern Wasser, das der Körper verdunsten muss und dadurch bis zu acht Stunden abkühlt.

Beate Müller, Professorin für Allgemeinmedizin Uniklinik Köln
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Beate Müller von der Uniklinik betont die Wichtigkeit der Nachbarschaftshilfe. „Fragen Sie die ältere Nachbarin, die vielleicht im fünften Stock wohnt, ob sie zum Abkühlen nach unten kommen will oder öffnen Sie Ihren schattigen Garten für die Nachbarskinder. Kümmern Sie sich um ältere Verwandte! Kein Gesundheitssystem der Welt kann das leisten, was wir durch Mitmenschlichkeit aber hinbekommen.“
Welche Patienten sind bei Hitze besonders gefährdet?
Bei einem vorerkrankten Körper funktioniert die Thermoregulierung nicht mehr optimal. Sind die Gefäße der Haut durch die Hitze geweitet, nehmen sie mehr Blut auf, Blut, das dann in anderen Organen zuweilen fehlt, sagt Allgemeinmedizinerin Müller. „Bei Herz-Kreislauf-, Lungen- oder Nierenerkrankten kommt es deshalb bei Hitze schneller zu einer Überlastung.“ So können Herzinfarkte bei entsprechender Vorbelastung verstärkt bei erhöhten Temperaturen ausgelöst werden.
Wer an der chronischen Lungenkrankheit COPD leidet, hat bei hohen Temperaturen noch größere Probleme mit der Atmung, Diabetiker litten unter stärkeren Schwankungen des Zuckerspiegels und müssten häufiger messen. „Auch psychisch Erkrankte oder Menschen mit Demenz sind stärker betroffen. Manche verstehen gar nicht, dass sie mehr trinken oder die Sonne meiden müssen“, sagt Müller.
Was muss man bei der Einnahme von Medikamenten beachten?
Grundsätzlich verändere die höhere Außentemperatur die Wirkweise einiger Arzneimittel. Schmerzpflaster klebten auf feuchter Haut schlechter, könnten auf erhitzter und besser durchbluteter Haut aber schneller wirken. Auch die Dosierung entwässernder Tabletten sollte bei höheren Temperaturen mit dem Arzt besprochen werden. Müller warnt aber auch: „Niemand sollte in Eigenregie seine Medikamente absetzen.“
„Niemand sollte in Eigenregie seine Medikamente absetzen“
Wie gut sind Kölner Senioreneinrichtungen auf die Hitze eingestellt?
Eine Befragung der Stadt Köln im Rahmen des Hitzeaktionsplans hat ergeben, dass zwar gut acht von zehn Einrichtungen über einen schriftlichen Handlungsplan zum Thema Hitze verfügen und während Hitzeperioden beispielsweise das Trinkverhalten der Bewohnerinnen und Bewohner im Blick haben sowie die Speisepläne anpassen. Über klimatisierte Aufenthaltsräume verfügen dann aber nur noch etwa zwei von zehn Einrichtungen. Auch eine Erhöhung des Personalschlüssels an Hitzetagen ist laut Befragung in den meisten Heimen nicht darstellbar.
Einzelne Pflegeeinrichtungen haben laut Stadt Köln aber „Umbaumaßnahmen durchgeführt, die die Hitzeentwicklung in den Räumlichkeiten deutlich reduzieren“. Für Einrichtungen ist es demnach auch möglich, derartige Umbauten zu refinanzieren. „So ist in einem Fall beispielsweise ein Wintergarten mit einer Klimaanlage ausgerüstet worden, in einem anderen Fall wurden außenliegende Jalousien installiert“, schreibt die Stadt Köln auf Anfrage.
Klimaanpassung in Krankenhäusern wird vom Land gefördert
Welche Hilfen stellt die Stadt Köln bei Hitze bereit?
Seit einem Jahr bietet die Stadt ein Hitzetelefon vor allem für ältere Menschen an. Nach einer einmaligen Registrierung rufen Mitarbeitende des Gesundheitsamtes dann bei den Bürgerinnen und Bürgern an, um im persönlichen Gespräch Tipps zum richtigen Verhalten bei Hitze zu geben. Auch Hitzewarnungen können bei besonders gefährdeten Personen, die anders schlecht zu erreichen sind, über das Hitzetelefon erfolgen; erreichbar ist es unter 0221 343407.
Am heutigen Mittwoch will die Stadt die Aktion „Cooling Cologne“ starten. Mit Schläuchen, die feinen Wassernebel versprühen, werden gezielt besonders hitzebelastete Bereiche abgekühlt. Die Sprühschläuche sollen an Tagen mit Hitzewarnungen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) zum Einsatz kommen. „Die feinen Wassertröpfchen senken die Umgebungstemperatur spürbar und schaffen so kühle Rückzugsorte im öffentlichen Raum“, teilte die Stadt Köln dazu mit.
Seit 2023 hat die Stadt mehr als 20 Schulungen für stationäre Einrichtungen angeboten. Mit dem Förderprogramm GrünHoch3 unterstützt die Stadt eigenen Angaben zufolge private Dach- und Fassadenbegrünungen.
Was tut das Gesundheitsministerium des Landes, um die Bürger besser zu schützen?
Das Land startete vor zwei Jahren mit dem zentralen Netzwerk für gesundheitsbezogenen Hitzeschutz in NRW (ZNGH). Fragt man nach Ergebnissen, nennt das Gesundheitsministerium auf Anfrage die Veröffentlichung von Arbeitshilfen für einrichtungsbezogenen Hitzeschutz für Krankenhäuser sowie für stationäre Pflege- und Wohneinrichtungen. Auch mittels Krankenhausplanung würden Maßnahmen zur Klimaanpassung vom Land gefördert. Von den 2,5 Milliarden Euro müsse ein Drittel der bewilligten Fördersumme Kosten für Klimaanpassungsmaßnahmen beinhalten.
Kann der Körper sich an die höheren Temperaturen gewöhnen?
Die Erforschung der Temperaturregulierung von Astronauten lässt hoffen, dass sich ein gesunder Körper an veränderte Bedingungen anpassen kann, sagt Oliver Opatz von der Berliner Charité. Er untersucht, wie Astronauten im Weltall mit Hitze, Kälte, Sauerstoffmangel, Überdruck und Schwerelosigkeit zurechtkommen.
Hitzeschutz finanziert aus dem Infrastruktursondervermögen?
In den ersten Tagen in der Schwerelosigkeit überhitze im Allgemeinen der Oberkörper. Schließlich sei der Mensch auf der Erde gewohnt, das Blut mit Druck gegen die Schwerkraft nach oben Richtung Kopf zu pumpen. Fällt die Schwerkraft plötzlich weg, pumpt das Herz erstmal unvermindert weiter – in der Folge landet viel zu viel Blut in der oberen Körperhälfte und verursacht dort einen Temperaturanstieg, der Astronaut fiebert. „Mit speziellem Training gelingt es aber, diesen Zustand nach einigen Tagen zu verbessern.“
Forscher beobachten auch, dass Menschen je nachdem wo auf der Welt sie leben, über unterschiedliche körperliche Systeme zur Hitzeregulation verfügen. „So beinhaltet der Schweiß von Menschen im Kongo zum Beispiel viel weniger Salz als unserer, damit dem Körper durch vermehrtes Schwitzen nicht zu viele Mineralstoffe verloren gehen“, sagt Opatz.
Grundsätzlich, so sagt Andrea Nakoinz, hätten Kommunen und Träger von Einrichtungen die einfachen Maßnahmen zum Hitzeschutz bereits umgesetzt. Es gebe die Möglichkeiten von flexiblen Arbeitszeiten, man kenne grundsätzlich die wichtigsten Regeln zum Thema Lüften und Ernährung bei hohen Temperaturen und setze die häufig auch um. „Alles was jetzt kommt, kostet aber Geld: Bauliche Maßnahmen, Begrünung von Gebäuden zum Beispiel.“ Nakoinz hofft, dass das Infrastruktursondervermögen der Bundesregierung ausgeweitet und auch für derlei Maßnahmen verwendet werden darf. „Zumindest ein Klimaanpassungsvorbehalt müsste im Gesetz mit drinstehen. Bislang ist das aber leider nicht der Fall.“