Staustufen und Dämme sind für Fische oft unüberwindbare Hindernisse. Jetzt soll ein neues System den Weg frei machen. NRW-Umweltminister Oliver Krischer stellt den neuartigen „Vislift“ aus den Niederlanden vor. Was taugt das System?
NRW unterstützt PilotprojektNeuer Lift soll Fischen den Weg über Staudämme und Wehre bahnen

Umweltminister Oliver Krischer mit dem neuartigen „Vislift“
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Die Limousine parkt auf einem Feldweg in der Nähe der Gemeinde Kranenburg im Kreis Kleve. NRW-Umweltminister Oliver Krischer steigt aus dem Fahrzeug, holt sich eine Regenjacke und Gummistiefel aus dem Kofferraum. Der Grünen-Politiker ist aus der Landeshauptstadt angereist, um einer Deutschland-Premiere beizuwohnen. Neben einem kleinen Bach ist ein Pavillon aufgebaut. „Vislift“, steht darauf. Das ist niederländisch und bedeutet Fischtreppe. „Die Anlage dient dazu, Fischen auf ihren Wanderungen zu helfen und die Durchgängigkeit von Gewässern zu verbessern“, erklärt der Minister, der mal Biologie studiert hat.
An diesem regnerischen Nachmittag soll Krischer den ersten Vislift auf deutschem Boden in Betrieb nehmen. Bislang war der Bau von Fischtreppen aufwendig und teuer, jetzt haben die Niederländer ein Konzept entwickelt, das wenig Platz benötigt und preiswert zu beschaffen ist. Viele heimische Fischarten müssen im Laufe ihres Lebens weite Strecken zurücklegen, um ihre Laichplätze zu erreichen oder neue Lebensräume zu besiedeln. Aber Stauwehre und andere Bauwerke unterbrechen an vielen Gewässern in NRW die natürlichen Wanderwege. „Damit gehen nicht nur wertvolle Lebensräume verloren, sondern auch ein Stück biologische Vielfalt“, sagt Krischer.
In den Niederlanden im Einsatz
Die neuen Fischaufstiegsanlagen kommen in den Niederlanden bereits vielerorts zum Einsatz. Durch eine Art Wendeltreppe überwinden die Fische selbständig das Hindernis. Das System wurde von einem niederländischen Unternehmen entwickelt und entspricht vom Aufbau dem Prinzip eines Schneckengehäuses. Auf dem Monitor der Pilotanlage DE001 sind alle Rotfedern, Barsche und Brassen zu sehen. In dem Behälter wird ein kontinuierlicher Lockstrom erzeugt, dem die Fische folgen. Über eine Unterwasserleitung gelangen die Fische in Schleusen, die sie schrittweise nach oben leiten. Durch ein System von Schleusen werden sie nacheinander in höhere Bereiche transportiert. Dazwischen gibt es Ruhekammern, in denen sich die Fische erholen können, da sie gegen die Strömung schwimmen müssen.
„Wir müssen neue Wege gehen, um alte Wege wieder freizumachen“, sagt Krischer. Durchgängige Flüsse seien die Lebensadern der Natur. „Wenn wir Wehre und Barrieren überwinden, helfen wir wandernden Arten, verbessern die Wasserqualität und bringen neue Dynamik in unsere Gewässer“, so der Umweltminister.
Vislift auch in anderen Gewässern geplant
Günter Steins ist als Deichgraf des Deichverbands Kleve-Landesgrenze in das Projekt mit eingebunden. „Der Vislift konnte nach einer relativ kurzen Planungsphase umgesetzt werden", erklärt Steins. Die Anlagen sollen künftig auch an anderen Gewässern in NRW zum Einsatz kommen. Im Bergischen Land sind Staudämme und Wehre häufig undurchlässig. Im Rahmen des Pilotprojekts soll jetzt getestet werden, welche Fischarten den Vislift nutzen - und ob er für alle Fische gleichermaßen gut funktioniert. „Dann könnten die Anlagen auch an Agger, Sieg und Wupper installiert werden“, sagt Umweltminister Krischer. In NRW gebe es rund 6000 Wehre an Flüssen. „Nur an gut der Hälfte sind Fischtreppen vorhanden“, so Krischer.
Der Vislift nach Angaben des Herstellers ist dank der runden Form kompakt und konstruktiv robust. Bodenuntersuchungen und statische Berechnungen seien weniger relevant, heißt es. Der Vislift kann angeblich innerhalb von 48 Stunden an jedem Standort installiert und wieder versetzt werden. Bislang können maximal drei Höhenmeter überwunden werden, eine Anlage kostet rund 200.000 Euro. „Der Bau herkömmlicher Fischtreppen ist wesentlich teurer. Da müssen wir mit siebenstelligen Beträgen rechnen“, sagte Krischer.
Bei der Auswertung der Leistungsfähigkeit hilft Künstliche Intelligenz (KI). In das System ist eine Sensortechnik integriert, die mithilfe von KI erfasst, welche Fischarten die Anlage nutzen. Die Daten sollen künftig helfen, Aufstiegsanlagen für andere Standorte gezielter zu planen. Das Pilotprojekt in Kranenburg soll zunächst in den kommenden drei Jahren beobachtet werden. Das Land NRW beteiligt sich zu 80 Prozent an den Kosten.
