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Sanae Abdi zum SPD-Manifest„Abschreckung allein schafft keine Sicherheit“

Lesezeit 3 Minuten
Die Kölner SPD-Bundestagsabgeordnete Sanae Abdi (38) hat das umstrittene Manifest zur künftigen Sicherheitspolitik unterzeichnet.

Die Kölner SPD-Bundestagsabgeordnete Sanae Abdi (38) hat das umstrittene Manifest zur künftigen Sicherheitspolitik unterzeichnet.

Die Kölner Hoffnungsträgerin Sanae Abdi sitzt seit 2021 für die SPD im Deutschen Bundestag. Jetzt hat sie das umstrittene Manifest zur künftigen Sicherheitspolitik mit unterzeichnet. 

Sie gehören zu den jüngeren Unterzeichnern des Manifests zur Sicherheitspolitik. Wie kam es zum Kontakt mit den Initiatoren?

Ich bin Kölner Bundestagsabgeordnete und stehe in regelmäßigem Austausch mit Kölner Sozialdemokraten wie Rolf Mützenich und Norbert Walter-Borjans – nicht zuletzt, weil ich als entwicklungspolitische Sprecherin auch intensiv an außen- und sicherheitspolitischen Debatten innerhalb der SPD beteiligt bin. Dieser Kontakt besteht also schon lange und kam nicht extra für das Manifest zustande. Zu den Initiatoren oder anderen Unterzeichnern stand ich nicht im Kontakt.

Glauben Sie, dass Putin in naher Zukunft bereit ist, den Krieg zu beenden?

Nein, das glaube ich nicht. Putin hat in den vergangenen Jahren sehr deutlich gemacht, dass er imperiale Ambitionen verfolgt, die über die Ukraine hinausgehen. Er ist bereit, Menschenleben in unfassbarem Ausmaß für seine Großmachtfantasien zu opfern. Seine vermeintlichen Gesprächsangebote sind bislang taktisch motiviert, nicht ehrlich. Sie dienen eher dazu, internationale Partner zu verunsichern und eine Spaltung westlicher Gesellschaften voranzutreiben. Eine politische Lösung wird es nur geben, wenn Russland den Krieg tatsächlich beendet und nicht nur rhetorisch.

Verteidigungsminister Boris Pistorius wirft den Unterzeichnern Realitätsverweigerung vor. Was entgegnen Sie darauf?

Das Manifest leugnet nicht die Realität des Krieges – im Gegenteil: Es benennt die Verantwortung Putins klar und spricht sich ausdrücklich für Waffenlieferungen und Unterstützung der Ukraine aus. Es ist ein Debattenbeitrag, der die Perspektive erweitert: Denn Sicherheit darf nicht nur militärisch gedacht werden. Sie entsteht auch durch stabile Gesellschaften, soziale Gerechtigkeit, internationale Kooperation und eine intakte Umwelt. Die Kriegsschuld liegt bei Putin, Friedensgespräche können nur nach einem Schweigen der Waffen geführt werden. Das steht genauso auch im Manifest. Die vom Manifest nun angestoßene Debatte über die Ausgestaltung der Zeitenwende zu führen, ist wichtig sowohl für die SPD als auch für die deutsche Gesellschaft insgesamt. Eine so grundlegende Verschiebung der politischen Agenda und Maßstäbe kann nicht einfach von oben verordnet werden. Sie braucht gesellschaftliche und innerparteiliche Auseinandersetzung.

Das Prinzip der Abschreckung hat lange funktioniert. Derzeit ist die Bundeswehr kaum einsatzfähig. Bereitet Ihnen das keine Sorge?

Natürlich bereitet es mir Sorge, wenn die Bundeswehr strukturell und materiell nicht ausreichend aufgestellt ist. Gerade die Landes- und Bündnisverteidigung muss gewährleistet sein, ebenso wie der Schutz im digitalen Raum. Die SPD-Bundestagsfraktion hat deshalb unter der Führung von Rolf Mützenich das Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro mit auf den Weg gebracht. Wir stehen unverbrüchlich an der Seite der Ukraine - militärisch, politisch und finanziell. Aber: Abschreckung allein schafft keine nachhaltige Sicherheit. Russland hat trotz westlicher Abschreckung die Ukraine angegriffen, auch weil es sicher war, dass NATO-Staaten nicht unmittelbar militärisch reagieren würden. Wir müssen uns auch ehrlich machen, was fünf Prozent des BIP bedeuten, nämlich 220 Milliarden Euro jährlich - Geld, das an anderer Stelle dann fehlen würde.

Warum ist es wichtig, dass sich die Beziehungen zu Moskau langfristig normalisieren?

Langfristig wird es in Europa keine stabile Sicherheitsordnung geben, die Russland vollständig ausschließt. Auch wenn der jetzige Kreml unter Putin eine imperiale, aggressive Politik verfolgt, wird dieser Zustand nicht ewig bestehen. Sicherheit in Europa war immer dann besonders tragfähig, wenn sie auf Dialog, Verständigung und Abrüstung beruhte.