Leverkusen und Monheim verlangen von Unternehmen NRW-weit die geringsten Sätze bei der Gewerbesteuer. Das soll Unternehmen anlocken, wird aber immer wieder auch als Druckmittel genutzt.
Streit um GewerbesteuerSchwarz-Grüne sagt Steueroasen den Kampf an

Der Chempark, vormals Bayerwerk, in Leverkusen.
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Im Ranking der besten Wirtschaftsstandorte in NRW, die das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) regelmäßig ermittelt, belegen sie die vordersten Plätze: Die Städte Monheim und Leverkusen gehören zu den ersten Adressen für Industrie, Forschung und Wissenschaft. Ein wichtiger Grund für den Erfolg ist die Steuerpolitik. Die Kommunen erheben landesweit die geringsten Sätze bei der Gewerbesteuer, sind daher für Mittelständler und Weltmarktführer gleichermaßen attraktiv. Eine gute Strategie? Die schwarz-grüne Landesregierung ist andere Meinung. Sie will den „Steueroasen“ jetzt ihr Geschäftsmodell erschweren. Das geht aus einem Antrag hervor, über den am Donnerstag im Landtag debattiert wird.
Die Gewerbesteuer gehört zu einer der Haupteinnahmequellen der Städte und Gemeinden in NRW. Der durchschnittliche Hebesatz unter den NRW-Kommunen liegt bei rund 450 Prozent – Monheim und Leverkusen verlangen nur 250 Prozent. Obwohl der Hebesatz geringer ist, sind die Einnahmen insgesamt deutlich höher. „Diese Form des Gewerbesteuer-Dumpings ist nicht nur unsolidarisch gegenüber Nachbarkommunen, es fördert auch reine Briefkasten-Firmensitze“, heißt es in dem Antrag mit der Überschrift „NRW tritt kommunalen Steueroasen entschieden entgegen“. Olaf Lehne, Sprecher für Haushalt und Finanzen der CDU-Landtagsfraktion, sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Wir wollen steuerpolitische Fehlentwicklungen begrenzen und langfristig für gerechte Wettbewerbsbedingungen zwischen den Kommunen sorgen.“
Es gehe nicht um pauschale Kritik an einzelnen Städten oder Gemeinden, sondern um eine „sachliche Debatte“ darüber, wie man tragfähige und vergleichbare Voraussetzungen für alle Kommunen schaffen könne – insbesondere mit Blick auf die nachhaltige Finanzierung öffentlicher Aufgaben.
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Kernanliegen des Antrags ist es, dass sich NRW beim Bund für eine faire Ausgestaltung eines Mindesthebesatzes bei der Gewerbesteuer einsetzt. So sollen „Wettbewerbsverzerrungen“ begrenzt werden. „Leider nutzen einige wenige Kommunen dies mit aggressivem Steuerdumping aus“, sagte Simon Rock, Sprecher für Haushalts- und Finanzpolitik der Grünen Landtagsfraktion, unserer Zeitung. Sie würden Nachbarkommunen wichtige Einnahmen entziehen. „Eine Anhebung des bundesweiten Mindesthebesatzes der Gewerbesteuer ist dafür ein entscheidender Schritt. Hier muss die Bundesregierung ihre Zusage aus dem Koalitionsvertrag schnellstmöglich umsetzen“, so Rock. Der Bund denkt über eine Anhebung des Hebesatzes auf 280 Prozent nach. Bringt diese eher geringe Anpassung tatsächlich etwas?
Dirk Wedel, kommunalpolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, bezweifelt das. „Der Antrag ist pure Symbolpolitik“, kritisiert der Liberale aus Mettmann. Lediglich zwei Kommunen seien betroffen. „Schwarz-Grün verkennt, dass die Kommunen nicht nur mit ihren Nachbarstädten, sondern auch auf nationaler und internationaler Ebene im Wettbewerb stehen“, so Wedel. Der Gewerbesteuerhebesatz sei eine der wenigen Stellschrauben, über die Kommunen eigenständig Einfluss auf ihre Standortattraktivität nehmen könnten.
Und das nutzen Unternehmen auch immer mal wieder, um ihre bisherigen Standorte unter Druck zu setzen - auch wenn es dabei nicht immer vordergründig um die Gewerbesteuer geht. Jüngstes Beispiel ist der Kölner Versicherer DEVK. Er möchte an seinem bisherigen Sitz am Zoo ein 144 Meter hohes Hochhaus bauen. Bei der Stadt stieß der Vorstoß lange auf wenig, bis gar keine Resonanz - zumal auch nach wie vor die Unesco mit Blick auf den Dom als Weltkulturerbe mitzureden hat. Dann zauberte der DEVK-Vorstand die mögliche Hochhaus-Bebauung eines Grundstücks in Monheim aus dem Ärmel. In der Kölner Kämmerei dürfte dies zu einer gewissen Unruhe geführt habe - verlöre man einen nicht unerheblichen Gewerbesteuerzahler an eine „Steueroase“. Mit der drohenden Abwanderung, so ernst sie überhaupt wirklich verfolgt wurde, wurde der Druck auf die Stadt Köln erhöht. Die DEVK hofft nun, dass Verwaltung und Stadtrat den Bebauungsplan bis 2027 aufstellen, zuletzt ging das Unternehmen von einer Fertigstellung etwa 2032 aus.
Michael Molitor (CDU), Kämmerer der Stadt Leverkusen, blickt mit Gelassenheit auf den jüngsten Antrag der Landesregierung. Niedriger wäre der Hebesatz auch nach der Anhebung nirgendwo in NRW. Nachteile könnte es bei Unternehmen aus dem Ausland geben. „Wir haben hier ja auch Unternehmen wie Bayer, die weltweit unterwegs sind.“ Und die könnten Standorte auch ins Ausland verlegen. Gleichzeitig freut sich Molitor über Mehreinnahmen, die die Pläne in die Kasse spülen würden. Leverkusen könnte mit etwa 30 Millionen Euro zusätzlich rechnen. Geld, das die Stadt gut gebrauchen kann: Im Haushaltsjahr 2024 hat sie mit einem nie da gewesenen Haushaltseinbruch zu kämpfen - es fehlen ungefähr 280 Millionen eingeplante Euro. Ohne den niedrigen Steuersatz, so die Argumentation von Molitor, wäre die Lage aber wohl noch schlimmer.