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Rheinische Industrie könnte profitierenBund erlaubt unterirdische CO₂-Speicher

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Luftbild vom Chempark Dormagen, auf dem zahlreiche rauchende Anlagen zu sehen sind.

Die energieintensive Industrie setzt auf Kohlenstoffspeicher, um ihren CO₂-Fußabdruck zu senken.

Die Bundesregierung macht das industrielle Speichern von CO₂ möglich. Eine Milliarden-Euro-teure Infrastruktur etwa in der Nordsee muss aber erst aufgebaut werden.

Lange hat die Politik gezögert, jetzt hat der Bundestag den Weg frei gemacht für die Einlagerung von CO₂. Mit den Stimmen von Union und SPD verabschiedete der Bund am Donnerstag den entsprechenden Gesetzentwurf von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU). Der sieht vor, dass in Zukunft CO₂ von großen industriellen Anlagen eingefangen und unterirdisch gespeichert werden darf. Bislang ist das Verfahren, im Fachjargon als Carbon Capture and Storage (CCS) bekannt, in Deutschland nur zu Forschungszwecken erlaubt.

Für eingelagertes CO₂ müssen keine Emissionszertifikate erworben werden

Die Industrie hat auf die Genehmigung der Technologie gedrängt, um auch Branchen wie der Zement-, Kalk- und Aluminiumindustrie, wo prozessbedingt CO₂-Emissionen entstehen, eine Möglichkeit zu geben, ihren CO₂-Fußabdruck zu reduzieren. Die energieintensive Industrie insgesamt ist händeringend auf der Suche nach Wegen, ihre Treibhausgasemissionen zu senken. Denn für eingelagertes CO₂, das nicht in die Atmosphäre gelangt und damit nicht zur Erderwärmung beiträgt, müssen auch keine Emissionszertifikate erworben werden. Die hatten sich zuletzt stark verteuert und waren für die betroffenen Industrien zu einem bedeutenden Kostenfaktor geworden.

Die CCS-Technologie kommt bereits in mehreren europäischen Nachbarländern wie in den Niederlanden und in Dänemark zum Einsatz. In Norwegen hat die Regierung erst kürzlich fast drei Milliarden Euro an Fördermitteln genehmigt, um eine CCS-Infrastruktur aufzubauen.

Aufbau eines CO₂-Transportnetzes von „überragendem öffentlichen Interesse“

Bei der Kohlenstoffspeicherung wird das eingefangene CO₂ zumeist über Pipelines in Hohlräume unter der Erde geleitet. Dafür bieten sich hierzulande in erster Linie leere Gasfelder unter dem Meeresboden an. Das Gesetz schließt das Verpressen von CO₂ in der Nähe von Schutzgebieten oder in Küstennähe zwar aus, erlaubt grundsätzlich aber auch das Speichern an Land.

Noch existiert in Deutschland kein Pipelinenetz für den Transport des Treibhausgases. Dem Aufbau einer solchen Infrastruktur bescheinigt das Gesetz nun aber ein „überragendes öffentliches Interesse“. Diese Einstufung ermöglicht eine beschleunigte Planung und vereinfachte Genehmigungsverfahren.

Während die Industrie das Gesetz befürwortet und die Carbon Management Allianz, in der sich die betroffenen Branchen zusammengeschlossen haben, davon spricht, die Technik leite einen „konkreten Beitrag zur Reduktion von CO₂-Emissionen und ermöglicht die Schaffung eines neuen, zukunftsträchtigen Industriezweiges“, äußern sich Umweltorganisationen kritisch.

BUND warnt vor „Ausstieg aus der Energiewende“

Der BUND interpretiert das Gesetz als „Ausstieg aus der Energiewende“ und bemängelt: „Wer jetzt hochsubventionierte Leitungsnetze und Endlager für das klimaschädliche CO₂ errichtet, schafft langfristige Infrastruktur für Öl und Gas – nicht fürs Klima.“ Greenpeace spricht gar von einer „milliardenteuren Risikotechnologie“.

Tatsächlich liegen mögliche Speicherstätten in der Nordsee einen bis vier Kilometer unter dem Meeresgrund. Entsprechend kostspielig wäre die Erkundung und Erschließung, inklusive der Errichtung von Offshore-Plattformen für der Verpressen des Klimagases. Um alle nötigen Industrieanlagen in Deutschland zu erreichen, sei außerdem ein Pipelinenetz in der Länge von rund 4800 Kilometern nötig, errechnete der Verein Deutscher Zementwerke in einer Studie. Die Kosten dürften in einer niedrigen zweistelligen Milliardenhöhe liegen.

Ineos: „Unverzichtbare Technologie für den Standort Köln “

Bei Kölns größtem Chemieunternehmen Ineos hält man das Gesetz dennoch für einen „entscheidenden Schritt für die industrielle Dekarbonisierung“. CCS sei eine „unverzichtbare Technologie für den Ineos-Standort Köln, um unvermeidbare Emissionen zu reduzieren“. Stephan Müller, Energy Commercial Manager bei Ineos Köln, gibt gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ aber zu bedenken: „Bis CCS einsatzbereit ist, wird noch viel Zeit vergehen. Diese Übergangszeit muss die Branche wirtschaftlich überleben können.“ Dafür seien wettbewerbsfähige Energiepreise und ein Aussetzen der CO₂-Bepreisung notwendig.

Auch beim Leverkusener Kunststoffhersteller Covestro ist man trotz des hohen Investitionsbedarfs für CCS optimistisch, dass das neue Gesetz „Planungssicherheit für Investitionen und neue Geschäftsmodelle für Covestro“ ermögliche. 

Ähnlich hatte auch der Grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck schon 2024 die Bedeutung der Kohlenstoffspeicher eingeschätzt: „Ohne CCS können wir unmöglich die Klimaziele erreichen“, sagte er damals. Sein Ministerium hatte bereits Eckpunkte für das nun beschlossene Kohlenstoffspeichergesetz erarbeitet, brachte den Entwurf nach dem Koalitionsbruch aber nicht mehr durch den Bundestag. Das überarbeitete und nun endlich verabschiedete CCS-Gesetz muss noch durch den Bundesrat bestätigt werden, ehe es voraussichtlich gegen Ende des Jahres in Kraft tritt. (mit dpa)