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Regierung in Frankreich gestürztDer missratene Poker-Coup des Premierministers

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Frankreichs Premierminister François Bayrou stellte am Montag im Parlament die Vertrauensfrage – und scheiterte. /

Frankreichs Premierminister François Bayrou stellte am Montag im Parlament die Vertrauensfrage – und scheiterte. /

Mit der Vertrauensfrage im Parlament wollte François Bayrou Rückendeckung für seinen Sparkurs – doch die Opposition stürzt ihn. Sogar aus dem eigenen Lager fehlten letztlich Stimmen.

François Bayrou reagierte demonstrativ gelassen und ohne erkennbare Reaktion auf das Ende seiner kurzen Karriere als französischer Premierminister. Eine Überraschung war es nicht mehr, dass ihm die Nationalversammlung bei einem Votum, das er selbst initiiert hatte, das Vertrauen entzog.

Zuvor hatte er versichert, er habe diesen „Wahrheitstest“ gewollt: „Das größte Risiko bestand darin, es nicht einzugehen, sondern weiterzumachen, ohne dass sich etwas ändert.“ Seit 51 Jahren habe Frankreich keinen ausgeglichenen Haushalt mehr vorgelegt. Frankreichs „Überleben“ stehe auf dem Spiel, würde nicht endlich gegengesteuert, warnte Bayrou. Ohne einen Minimalkonsens darüber könne er seine Mission nicht fortführen.

Stimmen gegen Bayrou aus dem eigenen Lager

So feurig seine Appelle waren, die dem Vertrauensvotum vorausgingen – längst galt es als ausgemacht, dass der Chef der liberalen Zentrumspartei MoDem (Mouvement Démocrate) es verlieren würde. Die gesamte Opposition aus linken und grünen Parteien sowie dem rechtsextremen Rassemblement National (RN) erklärten unmissverständlich, Bayrou nach nur neun Monaten im Amt stürzen zu wollen.

Das Präsidentenlager verfügt über keine Mehrheit in der Nationalversammlung. Selbst der Fraktionschef der an seiner Regierung beteiligten Republikaner, Laurent Wauquiez, überließ den konservativen Abgeordneten frei ihre Entscheidung. Tatsächlich sprachen nur 194 Abgeordnete Bayrou ihr Vertrauen aus; das Regierungslager zählt aber 210.

Zum Scheitern verurteilt

Präsident Emmanuel Macron hatte Bayrou eingeweiht, doch ansonsten alle Minister, aber auch seine Gegner überrascht, als er vor zwei Wochen bei einer spontan anberaumten Pressekonferenz seine Entscheidung ankündigte, die Abgeordneten um ihr Vertrauen zu bitten. Er wollte sie zwingen, ihm grundsätzlich Rückendeckung für seinen strikten Sparkurs zu geben: 43,8 Milliarden Euro gelte es einzusparen, um das Defizit in Höhe von zuletzt 5,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf 4,6 Prozent im nächsten Jahr zu drücken. Der 74-Jährige nannte die Schulden in Höhe von 3,4 Billionen Euro Frankreichs eine „Schande“, die auf den jüngeren Generationen laste.

Der Versuch, angesichts der angespannten Finanzlage des Landes eine Mehrheit der Parlamentarier hinter sich zu bringen, galt als zum Scheitern verurteilt. Sollte der Vorschlag, zwei der elf gesetzlichen Feiertage zu streichen, als Verhandlungsmasse gelten, so verlor Bayrou mit der Idee endgültig den Kampf um die öffentliche Meinung: Die Bevölkerung reagierte empört. Bei Gesprächen mit mehreren Vertretern der Fraktionen in den vergangenen Tagen wurde keine gemeinsame Ebene mehr gefunden.

Marine Le Pen reibt sich die Hände

Vor allem der rechtsnationale RN hofft auf eine Auflösung der Nationalversammlung durch Macron, die zu Neuwahlen führen würde. Fraktionschefin Marine Le Pen dürfte zwar in diesem Fall aufgrund ihrer Verurteilung wegen Korruption und dem Verbot, in den nächsten fünf Jahren bei Wahlen zu kandidieren, nicht mehr antreten. Doch am Wochenende ließ die Galionsfigur der französischen Rechtsextremen nochmals wissen, dass sie bereit sei, für einen Politikwechsel „alle Mandate dieser Welt zu opfern“.

Wie geht es in Frankreich jetzt weiter?

Da im Zuge neuer Parlamentswahlen vor allem das Macron-Lager an Sitzen zu verlieren droht, gehen Beobachter eher davon aus, dass der Präsident einen neuen Premierminister ernennen könnte – es wäre dann der sechste in nur dreieinhalb Jahren. Dieser müsste erneut versuchen, woran Bayrou und auch sein Vorgänger, der frühere EU-Kommissar Michel Barnier, gescheitert waren: Mehrheiten finden oder zumindest die Zusicherung einer Duldung durch Parlamentarier der Opposition erhalten.

In diesem Fall hieße dies, die Hand in Richtung der Sozialisten auszustrecken, die Interesse an einer Zusammenarbeit bekundet haben. „Es ist Zeit, die Linke auszuprobieren“, sagte Parteichef Olivier Faure. Er spielte damit auf Macrons Verweigerung im vergangenen Jahr an, dem Linksbündnis entgegenzukommen, das bei den Parlamentswahlen im Sommer 2024 insgesamt am meisten Stimmen erzielt hatte, inzwischen aber zerbrochen ist. Die Sozialisten forderten in einem eigenen Budgetentwurf unter anderem die Rücknahme der Rentenreform und eine höhere Besteuerung von Superreichen – beides bislang Tabus für den Liberalen Macron.

An ihm ist es nun, über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Zugleich erhöht sich der Druck von der Straße: Am Mittwoch startet die im Internet lancierte Protestbewegung „Bloquons tout“ („Blockieren wir alles“), die verspricht, das Land lahmzulegen. Nur gut eine Woche später rufen die Gewerkschaften zu einem Streiktag auf. Derweil stiegen die Zinsen für französische Staatsanleihen zuletzt stark an. Am Freitag veröffentlicht die Agentur Fitch ihre Rating-Aussichten für das Land.