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Dümmster Fehler
Wie Donald Trump China unterschätzt

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Lesezeit 5 Minuten
US-Präsident Donald Trump kämpft mit Zöllen gegen ein ihm über den Kopf hinaus gewachsenes China. Nils

US-Präsident Donald Trump kämpft mit Zöllen gegen ein ihm über den Kopf hinaus gewachsenes China. Nils

Der chaotische Bruch mit China ist unter den zahlreichen historischen Fehlern der Regierung Trump II. der dümmste.

„Man muss sich immer genau überlegen, mit wem man sich anlegt“, schimpfte Donald Trump dieser Tage mal wieder mit Blick auf Wolodymyr Selenskyj.

Eine verquere Weltsicht hat Einzug gehalten im Weißen Haus. Früher arbeiteten dort Leuchtturm-Präsidenten wie John F. Kennedy oder Ronald Reagan für eine freie Welt. Heute sitzt dort ein intellektuell wie charakterlich heruntergekommener amerikanischer Präsident, der dem ukrainischen Präsidenten übelnimmt, dass dieser nicht einfach aufgibt, sondern sich noch immer gegen den völkerrechtswidrigen Angriff Russlands zur Wehr setzt.

Richtig bleibt natürlich, zu allen Zeiten und in allen Situationen, die abstrakte Mahnung, stets zu prüfen, mit wem man sich anlegt. Genau diese Worte allerdings fallen Trump selbst auf den Fuß: Hat er sich genau überlegt, was er gerade tut im Verhältnis zu China?

Als Europäer, der die Freiheit liebt, spricht man es ungern aus. Aber was die USA gerade tun, sieht nicht gut aus auf der Weltbühne. Es wirkt aggressiv, aufgeregt und sprunghaft.

Flatterhaft schon ohne Feindeinwirkung

Mit gereckter Faust und grimmigem Blick hat Trump seinen amerikanischen Wahlkampf gewonnen. Doch diese Pose einzunehmen wird zu wenig sein in der Auseinandersetzung mit einem intelligent agierenden Land, das erstens viermal mehr Menschen hat als die USA und zweitens auch mehr Wirtschaftswachstum. Stolze 5,4 Prozent meldete China fürs erste Quartal 2025. In den Vereinigten Staaten dagegen riecht es nach vier Jahren soliden Wachstums unter Joe Biden nach Rezession.

Wenn Trump Pech hat, wird man die sich gerade aufbauende Krise nach ihm benennen. Schon seit März warnt die „Washington Post“ vor einer „Trumpcession“. Die „Chicago Tribune“ höhnt: „Der Präsident liebt es, seinen Namen auf Dinge zu kleben.“

Die historische Besonderheit liegt darin, dass Trump den Abwärtstrend in seinem Land tatsächlich eigenhändig in Gang gesetzt hat. Angesicht des bis dahin robusten Zustands der amerikanischen Wirtschaft war das gar nicht so einfach. Doch indem Trump von einem Tag zum anderen einen Handelskrieg mit dem kompletten Rest der Welt anzettelte, hat er es geschafft.

Die damit geschaffenen Unsicherheiten nagen dieser Tage an Trumps Autorität. Die Aktienmärkte sind nervös geworden wie selten, das Verbrauchervertrauen ist eingebrochen. Zudem kursieren, schöne Grüße aus Griechenland, düstere Szenarien rund um die Frage, wie es eigentlich in den USA langfristig bestellt ist, um die sogenannte Tragfähigkeit der Staatsfinanzen. Sogar der gute alte Dollar gerät gerade ins Gerede.

Der Drache bewegt sich anders

Ist dies ein guter Moment für eine Kraftprobe mit China? Früher wäre in der amerikanischen Regierungszentrale ein Kreis von klugen Köpfen zusammengetreten. Heute hat dort ein China-Hasser und Scharlatan großen Einfluss auf Trump: Handelsberater Peter Navarro. Schon im Jahr 2019 stellte sich heraus, dass der einzige angebliche Experte, den Navarro mehrfach in seinen Büchern zitiert, von ihm selbst erfunden worden war. Navarro spielte dabei mit dem Anagramm seines eigenen Namens und nannte ihn Ron Vara.

Im Fall von China ging Trump erst besonders hart ran, mit Strafzöllen in dreistelliger Höhe. Doch dann nahm er ausgerechnet Mobiltelefone und Laptops davon wieder aus – aus Angst, US-Verbraucher würden sich über deren zollbedingte Teuerung empören. Dies alles tat der angebliche „Dealmaker“ wohlgemerkt aus eigener Flatterhaftigkeit, nicht weil er bei Verhandlungen jemandem gegenübersaß. Wen, bitte, soll eine solche Strategie beeindrucken?

Der Drache, mit dem Trump sich angelegt hat, bewegt sich anders. Langsamer zwar, aber eben auch planvoll. Das unterscheidet die beiden Mächte.

Was, wenn China einige seiner jüngst erfolgten Bewegungen zu endgültigen Bewegungen erklärt – und zum Beispiel entscheidet, strategisch bedeutsame Rohstoffe wie Dysprosium und Yttrium nie wieder mit dem Weltmarkt zu teilen?

Schon ein kurzes Fauchen des Drachen hat, wie man sieht, eindrucksvolle Konsequenzen.

  1. China verhängte mal eben ein Einfuhrverbot für den KI-Chip H 20 verhängt – das macht 5,5 Milliarden Verlust für den eben auf KI ausgerichteten und eben noch weltweit gefeierten US-Konzern Nvidia.
  2. Boeing soll es als Nächsten treffen, 25 Maschinen wurden angeblich schon abbestellt.
  3. Dass Airbus und die EU bei dieser Weichenstellung die Gewinner sein werden, ist unvermeidlich. Chinas boomende Wirtschaft jedenfalls braucht neue Maschinen.

Staatschef Xi Jinping wahrt die Ruhe. Chinas Wirtschaft, sagte er dieser Tage lediglich, sei kein Teich, den ein Sturm mal eben wegfegen könne, sondern „ein Meer“. Viel mehr war von ihm nicht zu hören.

Trump tut so, als werde Xi („ein guter Freund von mir“) ihn gewiss schon bald anrufen, dann werde man über alles reden. Was aber, wenn dieser Anruf unterbleibt? Trump kann da nichts erzwingen.

Mit mehr Sympathie denn je blicken die Europäer derzeit auf den Spott aus China, der in sozialen Netzwerken auf die Amerikaner niedergeht. Mal sieht man dort Trump und seinen Vize als KI-generierte Fabrikarbeiter. Dann gibt es, unterlegt von dem Motto: „Make America work again“, einen Schwenk durch weite Hallen, wo lauter übergewichtige Amerikaner an ihren Nähmaschinen für T-Shirts oder Turnschuhe ins Schwitzen geraten.

Das Ganze geht ins Beleidigende – ähnlich allerdings wie die Äußerungen des amerikanischen Vizepräsidenten JD Vance, der bei einem öffentlichen Auftritt sagte, die USA müssten jetzt schlicht und einfach mal aufhören, „sich bei den chinesischen Bauern Geld zu leihen, um die Waren der chinesischen Bauern zu kaufen“.

Bauern? Das sagt der Mann, der in seinem Buch „Hillbilly Elegy“ selbst seine Herkunft aus einfachsten Verhältnissen beschrieb? Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Lin Jian, sagt über Vance: „Es ist sowohl erstaunlich als auch bedauerlich, dass der Vizepräsident solch ignorante und respektlose Bemerkungen macht.“

Wie ein Handelskrieg von solchem Format langfristig ausgeht, kann niemand vorhersagen. Die Welt nimmt jedoch sehr genau wahr, wie er begonnen hat. Ob der Drache schweigt oder faucht: Bislang sieht es schlecht aus für Trump und die USA.