20 Live-Minuten zur besten Sendezeit – aber wofür? Trumps Rede zeigt, wie sehr ihm das Gespür für die Durchschnittsamerikaner abhandengekommen ist.
Rede zur NationMarktschreier statt Machthaber – Trump geht seine geheime Superkraft verloren

President Donald Trump finishes his remarks in an address to the nation from the Diplomatic Reception Room at the White House, Wednesday, Dec. 17, 2025, in Washington. (Doug Mills/The New York Times via AP, Pool).
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Wer auf einer einsamen Insel gefangen ist, will sicher nicht länger dort feststecken, nur um einer Rede von Donald Trump zuzuhören. Die Kandidaten der Insel-Abenteuershow „Survivor“ dürften deshalb froh sein, dass ihr Mittwoch ausgestrahltes US-Staffelfinale vorab aufgezeichnet war und sie längst wieder daheim sind.
Die geschätzt fünf Millionen Zuschauer beim Sender CBS hatten dagegen weniger Glück: Sie mussten sich mitten in der dreistündigen Sendung eine 20-minütige Ansprache des Präsidenten anschauen – und die klang dann auch noch wie die Wiederholung einer Wahlkampfrede.
Trump stürzt sich erneut auf Biden
Es war kurz nach 21 Uhr US-Ostküsten-Zeit, als CBS und viele andere US-Sender zu Trump ins Weiße Haus schalteten. Anstatt staatsmännisch im Oval Office hinter dem Schreibtisch zu sitzen, stand er vor einer weihnachtlichen Tannenbaum-Deko und feuerte eine laute und wütende Rede an die Nation ab. „Vor elf Monaten habe ich ein Durcheinander geerbt und ich bringe das in Ordnung“, donnerte er zu Beginn los.
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Ein hoffnungsloser Krisenfall seien die USA unter Joe Biden gewesen, doch unter ihm sei das Land zum hoch angesehenen Vorbild für die ganze Welt geworden, so Trump.
Es ist eine einfache Botschaft, die der Republikaner trotzdem nur mit Dutzenden Lügen und kaum überprüfbaren Behauptungen verkaufen kann: Kein einziger Migrant ohne Papiere sei unter ihm mehr über die Grenze gekommen, 94 Prozent weniger Drogen würden ins Land geschmuggelt, Eierpreise seien um 82 Prozent gesunken. Das Selbstlob hörte an dieser Stelle aber nicht auf.
Trump verliert sich im Selbstlob
„Ich habe den Krieg in Gaza beendet und dem Nahen Osten zum ersten Mal seit 3000 Jahren Frieden gebracht“, behauptete Trump. Und sogar die Gesetze der Mathematik setzte er außer Kraft, als er ankündigte, die Preise für manche Medikamente um „400, 500 oder sogar 600 Prozent“ zu senken.
Wer Trump häufiger zuhört, kennt all das schon. Für zufällige Zuschauer dürfte es eine Überraschung gewesen sein, wie sehr dieser Präsident den Kontakt mit ihrem Alltag und der Lebensrealität von Hunderten Millionen Menschen verliert.
Die lautet, dass die Amerikaner unter den hohen Preisen in den Supermärkten ächzen. Sie wissen, dass die Arbeitslosenquote steigt und die Zahl der Industriejobs sinkt. Sie sind irritiert von steigenden Energiepreisen und haben zuletzt den Demokraten nach Lebenshaltungskosten-Wahlkämpfen deutliche Siege bei einigen Spezialwahlen geschenkt.
Trump schweigt zu Epstein-Skandal
Wie es mit den galoppierenden Kosten für Krankenversicherung und Gesundheitswesen weitergehen soll, erklärte Trump aber nicht; über die Gründe für einen möglichen Angriff auf Venezuela sprach er genauso wenig wie über den immer noch schwelenden Skandal um die Epstein-Akten.
Neu war einzig die Ankündigung von 1.776 Dollar Weihnachtsgeld für das US-Militär, in Anlehnung an das bevorstehende 250-Jahres-Jubiläum der US-Gründung.
Mischung aus Sonderangebots-Stunde und Verschwörungs-Podcast
Inhaltlich blieb damit offen, wieso Trump auf diese Rede gedrängt hatte. Die Antwort darauf gab eher die Inszenierung, denn sie zeigte, dass da jemand dringend nach einem Neustart sucht. Hastig, außer Atem und unnötig geschrien wirkte die Rede wie eine Mischung aus Sonderangebots-Stunde im Teleshopping und einem Verschwörungs-Podcast, den man aus Versehen auf 1,25-fache-Geschwindigkeit gestellt.
Für die MAGA-Basis mag das als Wohlfühl-Fernsehen durchgehen. Umfragen zeigen aber, dass die Geduld der breiten Wählerschaft verloren geht. Für alle, die Trump 2024 wohlwollend eine Chance gegeben haben, hatte er kaum mehr im Manuskript als die Bitte um etwas mehr Zeit – was für eine bemerkenswerte Forderung für einen Präsidenten, der im Wahlkampf lauthals versprach, an „Tag eins“ alle Probleme zu lösen.

