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Trumps wilder UN-AuftrittEin ausgestreckter Mittelfinger an seine Partner

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US-Präsident Donald Trump und First Lady Melania Trump bei ihrer Ankunft auf der 80. UN-Vollversammlung.

US-Präsident Donald Trump und First Lady Melania Trump bei ihrer Ankunft auf der 80. UN-Vollversammlung.

In einer wilden einstündigen Rede vor der UN-Vollversammlung streift US-Präsident Donald Trump die Krisenherde der Welt nur kurz. Dafür feuert er eine Breitseite gegen die europäische Einwanderungs- und Energiepolitik ab. 

Es liegt nicht nur an der stockenden Rolltreppe und dem defekten Teleprompter, dass Donald Trump an diesem Morgen zu einer giftigen Philippika ansetzt. Aber die beiden technischen Störungen haben die Laune des US-Präsidenten offenkundig nicht verbessert.

Auf dem Weg zur Generaldebatte der Vereinten Nationen hat er ein paar Stufen laufen müssen, und nun wird er auf das schriftliche Manuskript zurückgeworfen. Trump lächelt für die Kameras. Aber den Verantwortlichen prophezeit er unmissverständlich, sie seien „in großen Schwierigkeiten“.

Trump inszeniert sich als Friedensstifter

Dabei kommen die Pannen dem Redner eigentlich gerade recht. Schließlich symbolisieren sie in seinen Augen perfekt das Versagen der multilateralen Organisationen, denen er seinen knallharten politischen Alleingang unter dem Motto „America First“ entgegensetzt.

Sieben Kriege habe er in sieben Monaten beendet, brüstet sich Trump denn auch. „Alles, was ich von den Vereinten Nationen bekommen habe, ist eine Rolltreppe, die in der Mitte stoppte und ein Teleprompter, der nicht arbeitet.“

Breitseite gegen die liberale Welt

Sechs Jahre ist es her, dass Trump in diesem Vollversammlungsaal mit seiner eindrucksvollen goldenen Wandverkleidung zuletzt gesprochen hat. Doch der Präsident, dem Sitzungsleiterin Annalena Baerbock am Dienstag das Wort erteilt, hat mit dem der ersten Amtszeit nur noch wenig zu tun.

Zwar eröffnet er auch dieses Mal mit einem bombastischen Loblied auf seine innenpolitischen Leistungen, das ihm damals viel Spott einbrachte. Aber keinem der 140 Staats- und Regierungschefs im Saal ist zum Lachen zumute. Und statt Drohungen gegen den „Rocket Man“ in Nordkorea feuert Trump eine Breitseite gegen die liberale Welt und die Verbündeten der USA ab.

„Die Migration wird ihre Länder zerstören!“, hat er schon ziemlich früh in den Saal gerufen und damit neben der Energiepolitik das zentrale Thema seiner Rede vorgegeben. Die großen Weltkonfliktherden Gaza und Ukraine streift er dann nur kurz. Das Sterben dort scheint ihm weniger wichtig als eine breit ausgewalzte Räuberpistole, derzufolge er als Bauunternehmer das UN-Hauptquartier viel besser und billiger hätte errichten können.

Ukraine-Krieg: Trump wiederholt Öl-Forderung

Zu Chinas Gefahr für Taiwan sagt der US-Präsident kein einziges Wort. Seine Kritik an Russland reicht gerade für die lapidare Anmerkung, der Krieg lasse Moskau „nicht gut aussehen“.

Von einer Verstärkung des amerikanischen Drucks ist nichts zu spüren. Im Gegenteil: Ausdrücklich knüpft Trump erneut seine Bereitschaft zu schärferen Sanktionen an die Bedingung, dass alle europäischen Länder ihre Öl-Importe aus Russland stoppen.

Dass mit Ungarn, der Türkei und der Slowakei ausgerechnet jene Staaten die energiepolitische Entkoppelung von Moskau bremsen, deren Führer ihm ideologisch durchaus nahestehen, kritisiert er nicht.

Halbwahrheiten und Verschwörungserzählungen

Doch nun ist Trump da, wo er hinwill: Bei einer wilden, von Halbwahrheiten und Verschwörungserzählungen durchzogenen Abrechnung mit Europa, dessen Anführer die von ihm verspottete regelbasierte multilaterale Weltordnung hochhalten.

Der US-Präsident hat die Vereinten Nationen mit dramatischen Beitragskürzungen in ernste Schwierigkeiten gebracht. Er hat das Pariser Klimaschutzabkommen aufgekündigt und ist aus der Kulturorganisation Unicef und der Weltgesundheitsorganisation ausgetreten. Doch seine Botschaft an die Kritiker ist ein gewaltiger ausgestreckter Mittelfinger. „Eure Länder gehen vor die Hunde!“, ruft er ihnen zu.

So wie Trump bei seinem ersten Amtsantritt die USA als „großes Schlachtfeld“ titulierte, beschreibt er nun die Lage in Europa: „Die UN finanziert die Invasion der illegalen Migranten in euren Ländern“, verdreht er Ursache und Wirkung: „Sie werden eure Kultur zerstören.“

Nach Trumps Erzählung sind die Gefängnisse in Deutschland mit Asylbewerbern überfüllt, und in London wird demnächst die islamische Scharia eingeführt. Dass der alte Kontinent längst Schritte zur Begrenzung der unkontrollierten Zuwanderung unternommen hat und die Ursachen teilweise in Konflikten liegen, zu deren Beendigung der Präsident wenig beiträgt, erwähnt er nicht.

Trump: Klimawandel ist „größtet Schwindel aller Zeiten“

Nun aber hat er sich so richtig in Fahrt geredet für eine Standpauke gegen die erneuerbaren Energien, die „ein Witz“ seien und „nicht funktionieren“. Den menschengemachten Klimawandel leugnet Trump als „größten Schwindel aller Zeiten“, er propagiert die Förderung des Nordsee-Öls, schwärmt von der „sauberen, wunderbaren Kohle“, lobt China für deren Nutzung und beklagt sich über die Windräder, die die Küste vor seinen Golfplätzen in Schottland verschandelten.

Man wüsste gerne, was im Kopf von Baerbock vor sich geht, die hinter dem Redner sitzt. Aber die Grünen-Politikerin verzieht keine Miene.

„Ich bin der Präsident der Vereinigten Staaten, aber ich sorge mich um Europa“, endet der Redner nach 56 schwindelerregenden Minuten mit einer eindringlichen Warnung: „Ihr zerstört euer Erbe.“

Einen letzten Appell hat er dann noch, bevor er die Vertreter der Weltgemeinschaft verstört zurücklässt: „Lasst uns die Religionsfreiheit schützen, auch für die heute am meisten verfolgte Region der Welt, das Christentum!“