Der Haushaltsstreit in den USA trifft auch Personal in Deutschland: Zuletzt legte die US-Armee ihnen die deutschen Tafeln nahe.
Armee rät Tafeln aufzusuchenUS-Soldaten in Deutschland in Not?

Insgesamt arbeiten rund 50.000 Menschen für die US-Armee, darunter etwa 37.000 Soldaten. Die meisten davon auf der US-Airbase im rheinland-pfälzischen Ramstein.
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Die längste Haushaltssperre der US-Geschichte wirkt sich auch in Deutschland aus – auf sehr kuriose Weise, glaubt man jener Meldung, die seit zwei Tagen durchs Internet und viele Medien wabert.
Demnach rät die US-Armee ihren Soldaten in Deutschland, hiesige Tafeln aufzusuchen, sollte das Geld wegen ausbleibender Gehälter knapp werden.
Betroffen sind hierzulande rund 37.000 Soldaten, dazu kommen etwa 12.000 zivile Angestellte, Fahrer, Techniker, Köche, darunter viele Deutsche, die etwa in Militärbasen in Rheinland-Pfalz oder Baden-Württemberg arbeiten.
Zuerst berichtete „Euronews“ über einen entsprechenden Hinweis der US-Army auf ihrer Website der Garnison in Bayern. Hier erstellte die Armee extra eine Übersicht, um Angehörige durch den seit 1. Oktober geltenden Shutdown zu leiten. Darunter eine Liste mit Hilfsorganisationen für die sogenannten „kit bags“, gemeint sind im übertragenen Sinne Ausrüstungstaschen der Soldaten, häufig auch übersetzt mit „Seesack“.
Von „Too Good To Go“ bis zur Tafel - Tipps der US-Streitkräfte
Es folgen Tipps wie die App „Too Good To Go“, mit der Lebensmittel kurz vor dem Verfallsdatum abgeholt werden können und eine Telefonnummer des „Verbraucherlotsen“. Als Erstes findet sich in der Rubrik jedoch ein Verweis auf die mehr als 970 Tafeln in Deutschland: Die Dachorganisation verteile Essen an Menschen in Armut, schreibt das Militär, und stellt einen Link dazu, um die nächstgelegene Ausgabestelle zu finden.
Schnell kursierten Screenshots in Foren und sozialen Medien, wenig später die ersten Schlagzeilen. Ist die Lage von Angehörigen der größten Streitmacht der Welt so prekär, dass sie auf Notfallangebote fremder Länder zurückgreifen müssen?

Ein US-Militärtransportflugzeug vom Typ C-17 Globemaster hebt vom US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein ab. Auch die Mitarbeitenden am rheinland-pfälzischen Stützpunkt sind von dem Shutdown betroffen. Rund 10.000 Menschen arbeiten auf er Airbase in der Nähe von Kaiserslautern.
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Und schlagen Männer und Frauen in Tarnfleck nun in der Bleichstraße 22 in Kaiserslautern auf, wo die Helfer um Liane Mokry-Pries zwei- bis dreimal die Woche Essen verteilen? Die Kaiserslautern Military Community (KMC) gilt als größter US-Militärstützpunkt außerhalb der USA, dazu gehört auch die nicht weit entfernte Ramstein Air Base. In der Stadt leben einige von ihnen in eingezäunten Siedlungen, speisen in amerikanischen Diners und schicken ihre Kinder auf englischsprachige Schulen.
„So viel Ware haben wir nicht“
Doch bei Liane Mokry-Preis hat sich bislang noch niemand von ihnen in die Schlange gestellt, zum Glück nicht. „Hier sind ja nicht nur 100 stationiert, so viele Kapazitäten haben wir nicht“, sagt sie. Zu ihr kommen rund 500 Menschen, darunter viele Russlanddeutsche, zuletzt auch mehr Menschen aus der Türkei, Venezuela „und mittlerweile auch wieder sehr viele Deutsche.“
Zusätzliche Angehörige vom US-Militär zu versorgen sei schwierig, „so viel Ware haben wir nicht.“ Die Zahl der Lebensmittelspenden sei zuletzt zurückgegangen, Supermärkte kalkulierten etwa dank KI immer besser mit ihren Beständen.
Wegen der teils prekären Lage der Tafeln kommt unter den Meldungen mit dem US-Hilfsverweis in sozialen Netzwerken viel Empörung zusammen. Für US-Soldaten bestehe kein Anspruch auf Unterstützung, stellte die Pressesprecherin der Tafeln gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) klar. Bei den Tafeln seien sie „mindestens irritiert“ über das Vorgehen der US-Armee.
Die hat ihrerseits bereits zurückgerudert. Im Militärmedium „Stars and Stripes“ erschien nun ein Hinweis, dass die Liste der lokalen Hilfsorganisationen bereits vor einigen Wochen erstellt worden sei, „als sich die US-Armee Sorgen machte, dass ihre deutschen Mitarbeiter während des Haushaltsstillstands möglicherweise kein Gehalt erhalten würden.“
Tafel-Hinweis von Website verschwunden
Demnach sei die Liste nicht für Soldaten gedacht, obwohl der Verweis auf die „kit bags“ zunächst anderes suggeriert. Mittlerweile nahm die Armee die Liste von ihrer Website. Die Meldung kursiert jedoch weiter und steht sinnbildlich für eine gelähmte Supermacht mit 895-Milliarden-Dollar-Verteidigungsbudget. Denn ob US-Soldat oder zivile Mitarbeiterin, das Problem der möglicherweise ausbleibenden Gehälter bleibt bestehen.
Während die Streitkräfte durch Umschichtungen und auch dank einer anonymen Millionenspende Ende Oktober noch ihren Sold bekamen, gingen die zivilen Mitarbeiter leer aus.
Für die in Deutschland tätigen Angestellten sprang deshalb das deutsche Finanzministerium ein und zahlte Gehälter in Höhe von 43 Millionen Euro aus. Nach Ende des Haushaltsstreits soll die US-Seite die Zahlungen zurückerstatten. Zuvor hatte sich Verdi für die Beschäftigten eingesetzt und sich an die Bundesregierung gewandt.
Laut Verdi sieht das Prozedere normalerweise so aus: Die Gehälter aus dem zivilen Sektor gäben die US-Behörden frei, die Verwaltung in Rheinland-Pfalz zahlt sie anschließend aus. Doch mit Beginn des Shutdowns blieben die Freigaben aus.
Spendenaufruf an US-Grundschule in Bayern
Was im November passiert und ob es zu einer baldigen Lösung kommt, ist zudem weiter vollkommen offen. „Ab dem 15. November werden Soldaten, die bereit sind, ihr Leben zu riskieren, kein Gehalt mehr bekommen können“, prophezeite US-Finanzminister Scott Bessent.
In den USA selbst sind rund 900.000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst beurlaubt, 700.000 sollen ohne Bezahlung arbeiten, damit die Daseinsvorsorge nicht zusammenbricht. Sie alle haben seit mehr als einem Monat kein Gehalt mehr erhalten. Die Not ist so groß, dass sich im ganzen Land Schlangen an den Ausgabestellen der US-Tafeln bilden.
Dass die Lage auch an ausländischen Standorten von US-Streitkräften nicht leicht ist, zeigt ein im Militärmedium „Stars and Stripes“ veröffentlichter Hinweis für die Militärcommunity am Truppenübungsplatz Grafenwöhr in Bayern. Hier verteilt die Grafenwöhr Elementary School, eine Grundschule für Kinder von US-Personal, Flyer mit dem Hinweis, dass sie seit dem 27. Oktober haltbare Lebensmittel wie Reis oder Suppe entgegennimmt, um Bedürftigen zu helfen.
In den Stützpunkten selbst, die oft wie kleine Städte anmuten, mit Bildungseinrichtungen, Restaurants und Gottesdiensten, sind einige Dienstleistungen eingeschränkt. In der Garnison in Bayern ist etwa der „Army Community Service“ zurzeit geschlossen, der Militärangehörige und ihre Familien unterstützt.
Resilienztipps gegen Lagerkoller im Shutdown
Wie belastend der Shutdown auch abseits der Geldsorgen sein kann, zeigen weitere Verweise der US-Armee auf der Garnisonseite. Sie verlinkt etwa zwei Beiträger der US-NGO „Partnership for public service“, die sich für den öffentlichen Dienst einsetzen und in einem Artikel Tipps auflistet, wie man während eines Shutdowns resilient bleibt. Darunter die Empfehlung, Self-Care-Aktivitäten wie Meditation, Yoga und Spaziergänge aufzunehmen. „Bleiben Sie cool, ruhig und gelassen“, heißt es in einem anderen vom Militär verlinkten Artikel.
Die Lage ist also durchaus belastend, sei es für Soldaten oder ziviles Personal, aber nicht so schlimm, dass die deutsche Tafel bereits eine neue Klientel bekommt. Wobei Tafeln wie in Weiden, unweit des Truppenübungsplatzes Grafenwöhr gelegen, durchaus ihre Hilfe anbieten würden, sollte es zu Anfragen kommen, sagte der Leiter gegenüber der SZ.
Die Tafel in Stuttgart hat ihr Team bereits angewiesen, „bei Nachweis der Zugehörigkeit zum US-Militär“ zunächst unkompliziert eine Kundenkarte für einen Monat auszustellen, teilte sie dem RND mit.
Der Bedarf ist jedoch noch nicht gegeben. Zusätzlich, sagt Liane Mokry-Pries von der Kaiserslauterer Tafel, könnten sich kulturelle Unterschiede zeigen. Man biete nichts Gefrorenes an, keine Fleisch- oder Käsewaren, Fertig- oder Mikrowellenprodukte. „Für einen Amerikaner wäre das nicht unbedingt interessant gewesen.“


