Kein Messwert aus der Fitnesswelt hängt so stark mit der Lebenserwartung zusammen wie der VO₂max. Die gute Nachricht ist: Sie können ihn durch richtiges Training deutlich erhöhen – und damit das eigene Sterberisiko senken.
Länger leben mit VO₂maxSo steigern Sie die wichtigste Zahl Ihrer Fitness-Uhr

Der VO₂max-Wert kann für die Fitness wahre Wunder bewirken. . RND
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Wer ambitioniert Ausdauersport betreibt, kennt seinen VO₂max-Wert womöglich schon lange. Er zeigt an, wie viel Sauerstoff die Muskelzellen zur Verfügung haben und ist seit Jahrzehnten ein guter Indikator für die Leistungsfähigkeit von Sportlerinnen und Sportlern. Seitdem (fast) alle gängigen Fitnessuhren und Smartwatches den VO₂max-Wert leicht messen und anzeigen können, hat sich ein regelrechter Hype um diese Zahl entwickelt. Und das zu Recht; denn der VO₂max gilt in der Wissenschaft als einer der zentralen Indikatoren für Gesundheit, Leistungsfähigkeit – und sogar für ein langes Leben.
VO₂max steht für Volumen (V), Sauerstoff (O₂) und Maximum (max). Der Wert gibt an, wie viel Sauerstoff der Körper während einer intensiven, körperlichen Belastung aufnimmt und verwertet. Die Messeinheit ist ml/kg/min.
Je höher der Wert, desto besser werden die Muskeln bei Belastung mit Sauerstoff versorgt. Ein guter Wert bedeutet eine bessere Ausdauer, effizientere Erholung und ein vermindertes Risiko für Herzkreislauferkrankungen. Und darum letztlich auch ein geringeres Sterberisiko.
Was ist ein guter VO₂max-Wert?
Der höchste jemals offiziell erfasste VO₂max wurde 2012 bei dem norwegischen Radsportler Oskar Svendsen gemessen: 97,5 ml/min/kg. Das bedeutet, sein Körper verarbeitet 97,5 Milliliter Sauerstoff pro Kilogramm Körpergewicht in einer Minute.
Für untrainierte Menschen gilt ein Wert von 35 ml/min/kg (Frauen) oder 40 ml/min/kg (Männer) als normal. Gute Freizeitsportlerinnen und -sportler liegen zwischen 55 und 65 ml/min/kg. Spitzenathleten können mitunter einen Wert von etwa 85 ml/min/kg erreichen.
Wie verlängert VO₂max das Leben?
Aber warum zahlt VO₂max überhaupt so stark auf die Langlebigkeit ein? Und wie lässt sich der Wert steigern?
Perikles Simon leitet die Abteilung für Sportmedizin an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz. VO₂max ist seiner Einschätzung nach der „wichtigste Vitalparameter, wenn es um die Frage der Langlebigkeit geht“. Das liege besonders an der hohen Resilienz, die durch den VO₂max zum Ausdruck kommt. „Menschen mit einem hohen VO₂max erkranken signifikant seltener an Infekten oder Alterskrankheiten wie Diabetes“, sagt Simon. Nicht nur die Mortalität, also die Sterblichkeit, sei positiv assoziiert, sondern auch die Krankheitslast. „Ein guter VO₂max bedeutet also nicht nur, dass wir tendenziell länger leben, sondern auch, dass wir seltener krank sind.“
Auf den Punkt
Zudem ist die kardiorespiratorische Fitness ein wichtiger Faktor, wenn es um bestimmte medizinische Behandlungen geht. „VO₂max entscheidet mit darüber, ob Sie eine Transplantation verkraften würden und ein Spenderherz bekommen“, sagt Simon. „Auch die Arbeitsfähigkeit und die Lebensqualität werden von der sogenannten kardiorespiratorischen Fitness entscheidend beeinflusst.“ Menschen mit einem hohen VO₂max würden auch Erkrankungen wie Herzinsuffizienz oder eine Tumortherapie deutlich besser verkraften.
Wie lässt sich VO₂max steigern?
Das Gute ist: Man kann seinen persönlichen VO₂max steigern. Eine der wichtigsten Maßnahmen hierfür ist Experten zufolge Ausdauertraining mit intensiven Einheiten. „Wer beim Joggen viele Monate lang bei gleichem Umfang nur Grundlagenausdauertraining macht, verbessert seine kardiorespiratorische Fitness hierdurch nicht mehr“, sagt Simon. Dafür brauche es intensivere Einheiten wie Intervalltraining, bei dem der Körper an seine Grenzen gebracht werde. „Die entscheidenden Fragen sind: Wie viel mussten Sie schnaufen? Wie oft hat ihr Herz im Schnitt geschlagen? Und gab es Variationen auf einem hohen Level?“, sagt Simon. „Denn dann kann das Herz-Kreislauf-System daraus lernen.“
Höhere Intensität und Umfang des Trainings seien jedoch auch Risikofaktoren für Verletzungen. „Wir raten zur Vorsicht und zur langsamen Steigerungsrate von Woche zu Woche“, sagt Simon. „Wer es nicht gewohnt ist, zu joggen, riskiert unter Umständen seine Gesundheit, wenn er plötzlich zehn Kilometer am Stück läuft.“ Statt blind auf die Trainingsprogramme der Smartwatch zu vertrauen, sollten Menschen, die kaum Sport treiben, sich vor dem ersten Training von einem Arzt oder einer Ärztin körperlich durchchecken lassen.
„Smartwatches messen den VO₂max ausreichend genau für den Hausgebrauch“, sagt Simon. Aber es gebe viele Faktoren, die die Messung verwässern können, wie die Jahreszeit, Bekleidung oder schlecht sitzende Pulsgurte. „Die Uhren werden aber immer besser und können falsche Daten korrigieren, wenn sie ausreichend Trainingsdaten haben.“ Die genausten Daten liefere jedoch die Spiroergometrie, also ein Belastungstest, den etwa sportmedizinische Zentren oder Praxen anbieten. Kostenpunkt: 170 bis 200 Euro.
Welche Grenzen gibt es?
Es gibt Grenzen, wie weit sich der persönliche VO₂max optimieren lässt. „Ab dem zwölften Lebensjahr bewegt sich die kardiorespiratorische Fitness in einem bestimmten Bereich, der sich durch Lebensstil und Bewegung jeweils um 10 bis 20 Prozent nach oben oder nach unten beeinflussen kann“, sagt Simon.
Richtiges Training und ein gesunder Lebensstil können also im Schnitt immerhin bis zu 30 Prozent Unterschied ausmachen. Bei den einen erhöht sich der VO₂max schneller, bei anderen weniger schnell. Regelmäßiges Training wird sich aber immer in dem Wert zeigen. Und damit sinkt das Sterberisiko. Durch das intensive Training wird das Herzvolumen auf Dauer gesteigert und damit auch die Fähigkeit, möglichst viel Sauerstoff zu den Muskeln zu transportieren. Zudem sorgen intensive Einheiten, gepaart mit lockerem Ausdauertraining dafür, dass der Körper mehr Kapillaren ausbildet und die Anzahl der Mitochondrien erhöht wird. Auch das erhöht den VO₂max schon nach wenigen Monaten Training.
Zudem entwickelt sich der Wert im Laufe des Lebens. „Bei einigen geht der VO₂max nach dem 40. Lebensjahr rapide bergab, bei anderen nur sehr langsam“, sagt Simon. „In Bezug auf die Langlebigkeit ist der VO₂max, den man mit 60 Jahren hat, deutlich aussagekräftiger als der, den man mit 30 Jahren hat.“ Was die Gründe dafür sind, ist unklar, denn es gibt bislang kaum Langzeituntersuchungen.
„Diejenigen, die im Ausdaueralterssport sehr gut sind, sind in der Jugend oft nicht sportlich aufgefallen”, sagt Simon. „Eine hohe VO₂max spielt im Schulsport eher eine untergeordnete Rolle und viele wissen nicht um ihr verborgenes sportliches Talent.“ Klar ist nur: „Hobbysportler, die wegen ihres persönlichen VO₂max nie in den olympischen Bereich gekommen sind, können im höheren Alter – wohl durch einen gesunden Lebensstil und Training – sogar einen besseren VO₂max haben als ehemalige Olympioniken“, sagt Simon. Auch im fortgeschrittenen Alter kann der Wert durch Training gesteigert werden – und damit auch die Chancen auf ein längeres Leben.
