Im Kreis Euskirchen arbeiten Landwirte, Jäger und der Verein Kitzrettung zusammen. Mehr als 240 Kitze wurden bei den Einsätzen bereits gefunden.
Drohnen und PfeifenWie Rehkitze in der Eifel vor dem Tod im Mähwerk bewahrt werden

In den ersten Lebenswochen haben Rehkitze keinen Fluchtinstinkt, sondern drücken sich bei Gefahr auf den Boden.
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Die Strategie hat Jahrtausende funktioniert: In den ersten Lebenswochen drücken sich Rehkitze bei Gefahr flach auf den Boden. Sie machen keinen Mucks, außerdem geben sie noch keinen Geruch ab. Höchstens durch Zufall finden ihre natürlichen Feinde die kleinen Rehe, die mit ihrem getupften Fell perfekt getarnt sind. Doch gegen die Messer der Mähwerke hilft die Tarnung nicht. Der fehlende Fluchtinstinkt ist schon unzähligen Jungtieren zum Verhängnis geworden.
Die meisten Rehkitze kommen im Mai und Juni zur Welt – ausgerechnet in der Zeit, in der die Landwirte die Wiesen fürs erste Heu mähen. Kreisjägerschaft und Kreisbauernschaft appellieren deshalb jetzt, alle Möglichkeiten zum Schutz des Wildnachwuchses zu nutzen. Zum Termin auf dem Hof der Familie Lorbach in Nettersheim war auch Bernd Osterthun gekommen, um die Arbeit des Vereins Rehkitzrettung Kreis Euskirchen vorzustellen.
Gesucht wird mit Drohnen und Wärmebildkameras
Bemühungen, Kitze zu schützen, gibt es schon lange. Am Abend vor dem Tag der Mahd kann man beispielsweise Wildscheuchen aufstellen. Das können ganz einfach Stangen mit daran gebundenen leeren Säcken sein. Die Ricken, also die Muttertiere, meiden dann diese Wiesen und legen ihre Kitze an anderen Stellen ab. Oder Jäger gehen die Wiesen mit ihren Hunden ab auf der Suche nach den Jungtieren. Bewährt hat sich auch, mit dem Mähen im Zentrum der Wiese zu beginnen – eine Methode, die allerdings nur bei relativ großen und ebenen Flächen praktikabel ist.
Der Verein Kitzretter setzt auf moderne Technik. Die Ehrenamtler lassen ihre Drohnen über die Flächen fliegen. Wärmebildkameras entdecken dabei Lebewesen. Mit der Digitalkamera der Drohne kann man so heranzoomen, dass genau zu erkennen ist, ob dort wirklich ein Tier ist, oder ob es sich nur um einen Stein oder ein Maulwurfhügel handelt, der sich in der Sonne aufgeheizt hat.

Werben gemeinsam dafür, Kitze vor dem Mähwerk zu retten: Christian Lorbach (v.l.), Helmut Dahmen, Angela Schmitz und Bernd Osterthun.
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Kleines Kästchen, große Wirkung: Ein Pfeifton vertreibt Wild.
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Seine Drohne aufsteigen lässt Bernd Osterthun vom Verein Kitzrettung Kreis Euskirchen, um Rehkitze in der Wiese zu suchen.
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Landwirt Christian Lorbach will in diesem Jahr auf jeden Fall auf die Hilfe des Vereins zurückgreifen. „Bisher habe ich immer Wildscheuchen aufgestellt. Aber bei den großen Flächen ist die Suche mit der Drohne sicher besser“, sagt er. Auf seinem Hof hält er 170 Milchkühe und bewirtschaftet 165 Hektar Land.
„Hundertprozentige Sicherheit können wir auch mit den Drohnen nicht versprechen“, stellt Bernd Osterthun klar. Doch die Technik in den kleinen Fluggeräten werde immer besser. Er hat die Erfolgsbilanz des Vereins zusammengestellt: Der verfügt mittlerweile über sieben vereinseigene Drohnen. Dazu sind zwei aus Privatbesitz im Einsatz und eine, die der Kreisjägerschaft gehört.
2117 Hektar sind seit 2023 aus der Luft kontrolliert worden. Dabei wurden 242 Kitze gefunden. Die Tiere werden vorsichtig in speziellen Kisten aus dem Gefahrenbereich getragen. Wenn der Traktor wieder weg ist, setzen die Retter sie wieder aus. Die Muttertiere kehren zurück, wenn kein Mensch mehr stört.
Der Einsatz der Drohnen ist nur unmittelbar vor dem Mähen sinnvoll
„Es liegt uns am Herzen, beim Mähen so wenig Tiere wie möglich zu verletzen oder gar zu töten“, sagt Helmut Dahmen, Vorsitzender der Kreisbauernschaft: „Das will keiner haben, dass da ein ausgemähtes Kitz in der Wiese liegt.“ Auch die Erkenntnis, dass Jäger und Bauern Partner mit einem gemeinsamen Ziel seien, setze sich immer mehr durch.
Angela Schmitz, Vorsitzende der Kreisjägerschaft, würdigt die Arbeit der Kitzretter. Die seien im Sommer viel unterwegs, meist in den sehr frühen Morgenstunden. Tatsächlich zeigt Osterthuns Statistik 192 Einsätze in den vergangenen zwei Jahren. „Wenn es die Kitzretter nicht gäbe, hätten die Landwirte ein Problem“, sagt Schmitz.
Nicht nur der Reh-Nachwuchs profitiert von den Suchaktionen. Auch mancher Junghase ist schon gerettet worden. Wenn Gelege von Bodenbrütern wie Fasan oder Kiebitz gefunden werden, ist Wegtragen allerdings keine Option. Osterthun; „Dann bitten wir den Landwirt, großzügig drumherum zu mähen.“
Er betont, dass das Überfliegen mit den Drohnen nur unmittelbar vor dem Mähen sinnvoll ist. Für die Ehrenamtler bedeutet das, flexibel zu sein: Wer bis 18 Uhr anrufe, bei dem könnten in der Regel noch am nächsten Morgen die Wiesen abgesucht werden – wenn nicht gerade alle Teams ausgebucht sind. Die Retter haben übrigens jetzt aufgerüstet für die spätere Mahd. Dann flüchten die Kitze zwar, kommen aber eventuell zurück. Dagegen hilft ein kleines Kästchen, das sie mit einem schrillen Pfeifen verscheucht.