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Gesundheit, Verlust an GrünWieviel kostet die geplante Autobahn-Erweiterung Leverkusen und seine Bürger?

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3-D-Modell der Stadt mit einer Visualisierung der StelzeFoto: Stadt Leverkusen Foto: Stadt Leverkusen

Die Stadtverwaltung will mit einem 3-D-Modell von der Autobahn zeigen, wie groß die Stelze wird. Links der blauen Linie sieht man den derzeitigen Zustand, rechts davon, wie breit die Stelze werden könnte.

Die Ausschreibung ist raus: Leverkusen will ein Gutachten, das die wahren Kosten für den Ausbau beziffert – von Schleichverkehr bis zur Gesundheit.

Welche Folgen sind durch den megamäßigen Ausbau der Autobahnen auf dem Leverkusener Stadtgebiet wirklich zu erwarten? Das wollen die Kritiker eines als viel zu groß empfundenen Autobahnausbaus jetzt mit einem Gutachten klären, das sich dieser Frage in allen Einzelheiten widmen soll.

Laut Leistungsbeschreibung in der Ausschreibung sollen Kosten wie wegfallende Grünflächen, Böschungen, Folgen durch Flächenversiegelung, Überflutungsgefahr und Folgen für die Dhünn und andere Gewässer errechnet werden. Die Kohlenmonoxidbelastung durch Bau und Betrieb der ausgebauten Autobahn soll ebenso einfließen, wie das Mehr an Feinstaub durch Reifen und Bremsen, ebenso sollen Folgen der Hitzeentwicklung, aber auch durch die Verschattung und die Störung von Kaltluftströmen durch viel höhere Lärmschutzwände als heute berechnet werden.

Mediziner warnen seit langem vor gesundheitlichen Auswirkungen und steigenden Krankenzahlen durch den großen Ausbau. Psychische Auswirkungen dürften schwer zu berechnen sein, aber Wissenschaftler sollen auch das einbeziehen, zum Beispiel, wenn Fenster wegen des passiven Lärmschutzes immer geschlossen bleiben müssen. Die Mehrfachbelastung der Leverkusener durch Industrie, Bahn und dann die Autobahn soll beachtet werden.

Mobilität und Freizeitgestaltung wird eingeschränkt

Ganz klar wird die Stadt finanziell durch den Autobahnbau belastet: durch innerstädtische Infrastruktureinschränkungen bei Mobilität. Beeinträchtigt wird zudem die Freizeitgestaltung, es wird zu Umleitungs-, Schleich-, Baustellen-  und Ausweichverkehren kommen. Radwege sind seit Jahren dauerhaft gesperrt. Zusätzlich werden durch die Autobahn GmbH für die Baustellen Flächen für Baustellen beansprucht. Schon deshalb hat man jetzt Bayer 04 erlaubt, öffentliche Grünflächen und Sportplätze zu Parkplätzen umzubauen. Selbst im Landschaftsschutzgebiet im Stadtpark soll wegen des Autobahnausbaus gebaut werden. Das Gutachten soll die Einschränkung der Wohn- und Lebensqualität auch in Bezug auf eine mögliche Verletzung von Grundrechten betrachten.

Leverkusen wird durch den Ausbau im Vergleich zu Nachbarstädten benachteiligt: Das Erreichen der Klimaschutzziele wird schwieriger und teurer und um die Ziele des Lärmaktionsplans und des Luftreinhalteplans zu schaffen, sind künftig mehr Anstrengungen nötig ­– wegen der Autobahn. Das ist ein Teil der Probleme, die auf Leverkusen zukommen, deren Kosten jetzt genau beziffert werden sollen.

Die Gutachter sollen außerdem berechnen, was es bringt, wenn der Ausbau des Autobahnkreuzes vorgezogen würde. Das ist eine Herzensangelegenheit der Ausbaukritiker um die parteilose Ratsfrau Gisela Kronenberg: Die Ertüchtigung des Kreuzes würde vollkommen ausreichen, um den Autoverkehr flüssig zu halten, so deren Theorie. Dadurch könnte sich zeigen, dass der Ausbau der Stelze auf bis zu 70 Meter Breite unnötig ist. Die Autobahn GmbH will offenbar in anderer Reihenfolge arbeiten: erst die neue Megastelze, dann erst das Kreuz.

Für das Leverkusener Gutachten werden wissenschaftlich arbeitende Büros Neuland betreten. Aber – wer das erstellt, könnte bald mit Folgeaufträgen rechnen, denn Leverkusen wird nicht die letzte Stadt sein, die sich gegen zu große Autobahnausbauten wehren muss.

Jetzt muss sich nur noch jemand finden, der den Auftrag annimmt. Es ist nicht der erste Versuch, an ein Gutachten zu kommen. Das Leverkusener Bauamt soll versucht haben, Büros dafür direkt zu gewinnen, aber niemand war wohl bereit: Das könnte daran liegen, dass die angesprochenen Büros zu eng mit der Autobahn GmbH zusammenarbeiten, ist zu hören. Bei der jetzigen öffentlichen Ausschreibung helfen auch Bürgerinitiativen mit, potenziellen Gutachtern den anspruchsvollen und ungewöhnlichen Auftrag aus Leverkusen schmackhaft zu machen.

Vorstoß kommt aus der Politik

„Wenn die Autobahn GmbH immer von Wirtschaftlichkeit redet, machen wir eben mal die Gegenrechnung auf“, sagt Ratsfrau Gisela Kronenberg, die sich potenziellen Gutachtern als Ansprechpartnerin anbietet.

Der Anstoß zu dem Gutachten kommt ursprünglich aus dem Stadtrat. CDU, SPD, Grüne, Bürgerliste, Linke, Opladen Plus und FDP hatten sich 2021 per Beschluss einhellig zum Kampf gegen den auch aus Sicht von Verkehrsfachleuten überdimensionierten Ausbau auf dem Leverkusener Stadtgebiet festgelegt. Die Erstellung eines Gutachtens, das die wahren und bisher nicht beachteten Folgekosten des Ausbaus berechnen sollte, gehörte zum Beschluss.

Der Auftrag soll im Herbst 2025 erteilt werden, das Gutachten soll innerhalb von zwölf Monaten erstellt werden.

Weil sich vielleicht immer noch nicht jeder Leverkusener das Ausmaß der künftigen Megastelze vorstellen kann, hat die Stadt die künftige breite Autobahn online in einem 3D-Modell dargestellt.


Erneut Sperrungen unter der Stelze wegen der Untersuchung des Betons

Von Montag, 11. August 2025, bis Freitag, 15. August 2025, sperrt die Autobahn GmbH auf dem Europaring (B8) die beiden Mittelspuren im Bereich unterhalb der Hochstraße B („Stelze“). In beide Fahrtrichtungen gibt es dann also jeweils nur eine Fahrspur, auf der temporär die Höchstgeschwindigkeit auf 50 Kilometer pro Stunde herabgesetzt wird.

Hintergrund sind die laufenden Untersuchungen der Autobahn GmbH an der Stelze zwischen den Autobahnkreuzen Leverkusen und Leverkusen-West. Die Untersuchung der Stelze über dem Parkplatz entlang der Marienburger Straße ist abgeschlossen. Unmittelbarer Handlungsbedarf hat sich aus den Untersuchungen nicht ergeben. Der Spannbeton ist noch in Ordnung. Die neuen Probenentnahmen finden nun zwischen den Bahngleisen und dem Europaring statt.

Im September 2025 soll der Skaterpark unterhalb der Stelze wegen der Untersuchungen für die Zeit der Beton-Untersuchung gesperrt werden. Über die genauen Termine will die Autobahn GmbH noch informieren. (rar)