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Jüdischer FriedhofDas Leverkusener Kleinod droht zu verwahrlosen

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Renate Kretschmer und Günter Junkers beklagen den Zustand des jüdischen Friedhofs an der Robert-Blum-Straße, der seit ein paar Jahren zu verwahrlosen drohe.

Renate Kretschmer und Günter Junkers beklagen den Zustand des jüdischen Friedhofs an der Robert-Blum-Straße, der seit ein paar Jahren zu verwahrlosen drohe.

Trotz der Wieder-Inbetriebnahme 2016  ließ sich dort fast niemand bestatten.

Der jüdische Friedhof in Opladen ist seit Dezember 2016 auf Antrag der jüdischen Gemeinde Düsseldorf wieder für Bestattungen geöffnet. Nur lässt sich kaum jemand am historischen Ort zwischen Autohaus und Reifenservice an der Robert-Blum-Straße beisetzen. In den vergangenen Jahren hat es so gut wie keine Bestattungen auf dem Friedhof gegeben. Währenddessen hätten sich mindestens 20 Leverkusenerinnen und Leverkusener jüdischen Glaubens auf städtischen Friedhöfen in Manfort und auf dem Reuschenberg bestatten lassen, schätzt Günter Junkers, der sich seit 2004 im Verein Nasch Dwor für die Integration von osteuropäischen Übersiedlern engagiert.

Darunter sind immer auch einige Mitglieder jüdischen Glaubens. Möglicherweise ist es ein Zeichen von Integration oder man hält’s nicht so streng mit der Religion:  Vielen scheint nicht so wichtig zu sein, dass diese städtischen Gräber nur auf Zeit belegt werden können, die Ruhezeiten dort betragen meist 20 (Manfort, Birken- und Reuschenberg) bis maximal 40 Jahre auf den Friedhöfen Scherfenbrand und Lützenkirchen. Für streng gläubige Juden ist das nicht denkbar, denn sie glauben, dass ihre Gräber bis in aller Ewigkeit unangetastet bleiben müssen. Auf den städtischen Friedhöfen darf man sein Grab nach der Liegezeit allenfalls verlängern, das kostet die Nachkommen Gebühren. Beim jüdischen Friedhof ist es anders, den verwaltet die Düsseldorfer Gemeinde, also der Verein Davidstern. Junkers hat sich tief mit der Geschichte jüdischen Lebens in Leverkusen befasst, weshalb ihm der alte Friedhof am Herzen liegt.

Renate Kretschmer, auch ein Gründungsmitglied von Nasch Dwor, sagt, sie ahne die Erklärung, weshalb sich dort niemand beerdigen lasse: „Der Friedhof ist verkommen und verwahrlost.“ Wehmütig schlägt sie ein Fotoalbum auf, in dem sie Bilder des Friedhofs aufbewahrt, die aus der Zeit von vor 2019 stammen: Dort sieht man zum Beispiel einen großen verzweigten Lebensbaum, der einen tiefen Schatten machte, auf den Gräbern wächst Efeu, der Friedhof wirkte damals wie aus einem Bilderbuch.

Heute fehlen die Bäume; der Verein Davidstern ließ sie entfernen, nachdem er den Friedhof von der Stadt Leverkusen zurückbekommen hatte. Auf den Gräbern wuchern heute krautige Pflanzen, die mit Trockenheit und direkter Sonne klarkommen, der Bewuchs ähnelt eher dem einer Brachfläche mit Pionierpflanzen als dem eines Friedhofs. Der Efeu ist fast ganz verschwunden. Die Verwahrlosung hatte auch der Opladener Politiker Friedrich Busch (FDP) vor zwei Jahren bemängelt.

Lev Ismikhanov und Ilja Golub im März 2016 auf dem jüdischen Friedhof. Bild: Ralf Krieger

Lev Ismikhanov und Ilja Golub stehen im März 2016 auf dem jüdischen Friedhof.

Die Pflege des Friedhofs liegt in der Hand des Vereins Davidstern. Der Vorsitzende Lev Ismikhanov sieht das Problem. Er sagt, dass es die Mitglieder im Verein körperlich nicht mehr schaffen, den Friedhof zu pflegen – aus Altersgründen, es fehle Nachwuchs.

Im Fotoalbum von Renate Kretschmer ist festgehalten, wie es mal aussah.

Im Fotoalbum von Renate Kretschmer ist festgehalten, wie es mal aussah.

Die Bäume seien alt gewesen, bevor sie umfallen konnten, habe man sie fällen müssen, sagt Ismikhanov am Telefon. Nachgepflanzt wurden allerdings auch keine. Eine Lösung hat er auch nicht, er fühlt sich auch nicht gut von der Düsseldorfer Gemeinde unterstützt. Eine kleine Hütte zum Aufbewahren von Gartengeräten auf dem Friedhof wäre schon hilfreich, dafür habe er aber keine Zusage bekommen. Auch mit Oberbürgermeister Uwe Richrath habe er darüber schon gesprochen. Die bislang letzte Bestattung habe man dort vor neun oder zehn Jahren gehabt.

Der Friedhof früher

Der Friedhof früher

Heute wachsen Gras und Kraut.

Heute wachsen Gras und Kraut.

Der Friedhof ist ein eingetragenes Denkmal. Die Bäume sollen in der amtlichen Beschreibung eingetragen sein. Die Eintragung als Denkmal hatte der vormalige Bürgermeister Horst Henning betrieben, aber erst 1999 wurde der Friedhof in die Denkmalliste aufgenommen. In der Stadtverwaltung hatte es wegen der gefällten Bäume gar Überlegungen gegeben, den Friedhof aus der Denkmalliste zu streichen. Bisher geschah das aber offenbar nicht.

Das Mahnmal mit Steinen, die aus Israel importiert wurden. März 2016 auf dem jüdischen Friedhof. Bild: Ralf Krieger

Das Mahnmal mit Steinen, die aus Israel importiert wurden. Aufnahme aus März 2016

Seit 1833 wurden von der Opladener Gemeinde verstorbene Mitglieder auf dem Friedhof an der Robert-Blum-Straße bestattet (früher Quettinger Weg). Als vorerst letzter wurde Leo Rosenthal 1939 beerdigt. Nationalsozialisten zerstörten in ihrem Judenhass eine Vielzahl von Grabsteinen. 1969 soll es eine weitere Schändung des Friedhofs gegeben haben. Der heute älteste Stein stammt aus 1855.

Die Stelen mit den Namen derer, die auf dem Friedhof bestattet sind. Aufnahme vom März 2016 auf dem jüdischen Friedhof.

Die Stelen mit den Namen derer, die auf dem Friedhof bestattet sind. Aufnahme vom März 2016 auf dem jüdischen Friedhof.

Erst nach der Öffnung 2016 wurde die Möglichkeit zur Bestattung geschaffen. Zwischen Kriegsende und 2016 soll dort eine einzige Beerdigung gelaufen sein, dafür soll ein aufwändiger Verwaltungsakt notwendig gewesen sein.

Zwei Mahnmale stehen auf dem Friedhof: Auf einem sind die Namen von 71 Bestatteten abzulesen, deren Steine zum Teil zerstört sind. Das zweite erinnert an die Verfolgung durch die Nazis.


Juden in Leverkusen

In Leverkusen gibt es keine eigenständige jüdische Gemeinde, der 2011 gegründete Verein Davidstern ist ein Ableger der Düsseldorfer Gemeinde, die das Sagen hat, wenn es um religiöse Belange in Leverkusen geht. Das erklärte Fernziel des Vereins war die Wiedererrichtung einer Synagoge in Leverkusen. Das ursprüngliche Gotteshaus zerstörten die Nationalsozialisten 1938, dort wurde randaliert und das Haus wurde in Brand gesteckt. Bis zu 10.000 Euro kostet eine Bestattung auf dem jüdischen Friedhof an der Robert-Blum-Straße laut Lev Ismikhanov. Je nach der sozialen Lage des Verstorbenen oder für Gemeindemitglieder, die regelmäßige Beiträge gezahlt haben, kann sich die Gebühr aber erheblich reduzieren. (rar)