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Weihnachtsgottesdienste als RuhephaseLeverkusener Pfarrer Prößdorf und Teller im Doppel-Interview

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Detlev Prößdorf und Heinz-Peter Teller in der Kirche St. Remigius in Opladen.

Der „Leverkusener Anzeiger“ traf Detlev Prößdorf und Heinz-Peter Teller zum Doppel-Interview in St. Remigius in Opladen.

Arbeitsintensive Wochen liegen hinter Detlev Prößdorf und Heinz-Peter Teller. Im ersten Teil des Doppel-Interviews blicken die beiden Priester auf das Weihnachtsfest – und die Herausforderungen der besinnlichen Zeit.

Seit 1998 ist Heinz-Peter Teller bereits Pfarrer in Leverkusen, 2004 zog es Detlev Prößdorf an die Christuskirche in Wiesdorf. Beide sind neben ihren kirchlichen Aufgaben auch für ihr gesellschaftliches Engagement stadtbekannt. Der erste Teil des Doppel-Interviews mit dem „Leverkusener Anzeiger“ beschäftigt sich mit dem Schwerpunkt „Weihnachten“. Im zweiten Teil, der wenige Tage später erscheint, blicken Prößdorf und Teller auf das Jahr 2025 für sie und Leverkusen zurück – und wagen einen Vorausblick für 2026.

Wie intensiv werden die Weihnachtstage für Sie?

Teller: Ich freue mich, wenn ich am Altar stehe, weil da Ruhe ist und ich mal in der Weihnachtszeit durchatmen kann (lacht). Der Terminkalender ist dicht, aber ich freue mich auf die Gottesdienste.

Prößdorf: Intensiv finde ich per se schön, weil es dann auch meist in die Tiefe geht, da gehören die Gottesdienste auch zu. Stressig wird es immer, wenn Dinge noch ungeplant dazukommen. Ein halbes Jahr vorher, da weiß ich einfach nicht, wie viele Beerdigungen im Dezember noch anstehen. Manches, was vor der Tür steht und was mich dann als Seelsorger betrifft, sollte aber immer Vorrang haben.

Wie unterscheidet sich da Weihnachten von den weiteren großen kirchlichen Festen in Ihrer Tätigkeit?

Teller: Weihnachten hat natürlich immer eine besondere emotionale Komponente, die vor Ostern so nicht da ist. Auch die Empfindlichkeit der Leute ist höher als zu anderen Jahreszeiten, die Art der seelsorglichen Gespräche, weil viele in der Zeit sich dann doch noch mal einsamer fühlen als sonst. Todesfälle sind immer schlimm, aber wenn das vor Weihnachten kommt, ist das noch mal schlimmer. Die emotionale Befindlichkeit ist schon besonders in diesen Wochen.

Prößdorf: Da kann ich mich nur anschließen. Und weil die ganzen Gefühlslagen, die damit verbunden sind, auch häufig etwas damit zu tun haben, wie man es in der Kindheit erlebt hat. Es gibt einfach, positiv wie negativ, teilweise einen großen Erwartungsdruck an das Fest. Ich versuche, mir den immer, so gut wie es geht, zu nehmen, aber das merkt man schon bei vielen – dass alles perfekt vorbereitet sein will.

Ist das Thema Einsamkeit, gerade bei älteren Menschen, eines, mit dem Sie zu Weihnachten besonders konfrontiert werden?

Teller: Ich erlebe auch jüngere Leute, die einsam sind. Vielleicht legen wir ein bisschen mehr Gewicht darauf, das zu sehen und uns der Sache zu stellen, wobei es das auch in der vergangenen Zeit gegeben haben wird. Wenn jemand vor Weihnachten stirbt, habe ich mich vor 20 Jahren genauso einsam oder verloren gefühlt, wie jetzt. Es hat viel zu tun mit dem Ideal, das wir im Kopf haben, wie es denn sein muss.

Prößdorf: Es ist ja auch sehr typabhängig. Die einen können gut alleine sein, wobei alleine sein und Einsamkeit ja nochmal unterschiedlich ist. Es gibt immer weniger natürliche Flächen, wo eine Gemeinschaft automatisch zueinander kommt. Das beste Gegenmittel gegen Einsamkeit ist, in tatsächlicher Gemeinschaft miteinander etwas zu erleben. Wir haben natürlich auch eine Wandelgesellschaft, auch durch Social Media, mit ganz vielen Dinge, die auf einer Seite den Eindruck vermitteln, man wäre nicht einsam. Sobald das Ding aus ist, hat man aber den Eindruck, man ist es.

Teller: Das wiegt manchmal noch schwerer und macht es noch deutlicher.

Prößdorf: Da ist eine ganz große Suchbewegung in unserer Gesellschaft. Auf der einen Seite wird gesagt, das Traditionelle, das finden wir irgendwie nicht mehr so toll, aber das Neue, das trägt auch noch nicht so. Gute Begegnungen, die wollen auch immer organisiert sein und die brauchen auch gewisse Rituale. Und da ist unsere Gesellschaft auch ein bisschen auf der Suche, wo das sein kann.

Wie haben Sie die Stimmung der Leverkusenerinnen und Leverkusener in diesem Jahr in der Vorweihnachtszeit erlebt?

Teller: Ich finde, die Stadt tut ihr Mögliches, um ein weihnachtliches Flair zu schaffen. Bei der Finanzlage der Stadt ist ja alles andere als selbstverständlich (lacht). Ich habe mich hier immer wohlgefühlt. Nicht nur in der Weihnachtszeit, sondern überhaupt.

Prößdorf: Große Wandlungen nehme ich auch nicht wahr. Ich nehme wahr, dass manches einfach nicht mehr so unbeschwert ist. Aber es gibt dann eben auch diese wunderbaren Momente, wo man dann mit Glühwein am Stand steht und sich sagt: ‚Was soll es, das Leben ist auch trotzdem schön.‘ Da vergisst man die Schwere dann auch wieder, sofern das nicht eine Verdrängung und eine Negierung ist, hat das auch eine ganz wichtige Funktion. Man darf nicht vergessen, dass es auch die dunkle Jahreszeit ist. Weihnachten ist ein Fest des Lichtes, wo das Licht immer heller werden soll, um die Dunkelheit zu vertreiben. Theologisch gesehen, ist es so, dass das Licht der Welt an Weihnachten kommt, sodass das Neue dann auch nochmal neu strahlt. Das finde ich einen schönen Gedanken.

Welche Routine haben Sie über die Jahre entweder für die Weihnachtstage für sich hinzugenommen – oder vielleicht auch abgelegt?

Teller: Auf die Gottesdienste freue ich mich nach wie vor. Manche denken, ich wäre dann Heiligabend einsam, weil ich dann nicht unter dem Tannenbaum sitze, ich habe einen Gottesdienst nach dem anderen, da komme ich gar nicht zum Nachdenken. Da fühle ich mich nicht einsam, sondern ist das so schön. Dann bin ich auch froh, wenn mal nach Weihnachten Ruhe ist – und ich ausschlafen kann.

Prößdorf: Bei mir gibt es eigentlich zwei Weihnachten. Das eine Weihnachten ist das, was man draußen mitbekommt, der Weihnachtsmarkt, alle Geschenke und alles, was organisiert werden muss, die Feiern und die Vorbereitungen. Und das andere ist das spirituelle Weihnachten. Es gibt diesen wunderbaren Kalender, ‚Der andere Advent‘, der einlädt, auf Weihnachten und dieses ganze Geschehen anders zuzugehen. Das versuche ich, mal mehr, mal weniger gut, eben auch in meine persönliche Frömmigkeitspraxis einzubinden.

Teller: Das ist ein wichtiger Punkt. Es ist gefährlich, wenn man etwas an andere weitergibt, das man vorher aufgenommen hat und mit sich herumschleppt.

Prößdorf: Und ja, Heiligabend, Gegenprogramm zum katholischen Priester, da verbringe ich die Zeit mit meiner Familie. Das ist natürlich schön.

Abschließend: Was darf privat bei Ihnen an den besinnlichen Weihnachtstagen keinesfalls fehlen?

Teller: Es muss viel Marzipan geben. Das ist mir wichtig – und viel Kaffee, kein Fisch. Und dann sollte es auch schöne Musik geben, da investieren wir auch Geld für, dass dann auch etwa ein Orchester da ist. Das finde ich wichtig.

Prößdorf: Bei mir ist es die gemeinsame Zeit mit der Familie, gute Musik – und auch ein bisschen Ruhe für mich, um das Jahr noch mal Revue passieren zu lassen.