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Schock-Werners Adventskalender (24)Kölns schönstes Weihnachtsbild

4 min
Gerrit von Honthorst: Anbetung der Hirten (Ausschnitt), Wallraf-Richartz-Museum

Gerrit von Honthorst: Anbetung der Hirten (Ausschnitt), Wallraf-Richartz-Museum

Für sein Weihnachtsbild im Kölner Wallraf-Richartz-Museum nutzte der Utrechter Maler Gerrit von Honthorst die künstlerische Innovation eines berühmten Kollegen. 

Heute öffne ich für Sie symbolisch das 24. Türchen meines Adventskalenders. Warum es noch nicht das letzte ist, verrate ich Ihnen am Schluss. Aber erst einmal kommt an Heiligabend Kölns schönstes Weihnachtsbild zum Vorschein. Es stammt von dem Utrechter Maler Gerrit van Honthorst (1592 bis 1656) und hängt im Wallraf-Richartz-Museum. Wenn sie von der Treppe oder dem Aufzug in den zweiten Stock kommen und sich in der Sammlung nach links wenden, haben sie es direkt vor sich: Es liegt in der Achse der Raumflucht. Sie kommen ihm also aus großem Abstand Schritt für Schritt näher – fast wie die biblischen Weisen aus dem Morgenland auf ihrer Suche nach dem neu geborenen König der Juden.

Und schon von ferne erkennen Sie, was die Faszination dieses Gemäldes ausmacht: das strahlende Licht, das von ihm ausgeht. Van Honthorst hat diesen Kunsteffekt nicht selbst erfunden, aber meisterlich angewandt. In den 1610er Jahren hat er – was in der Malerzunft seiner Zeit üblich war – zu Studienzwecken in der Kunstkapitale seiner Zeit gelebt: in Rom. Dort sah und studierte die Werke der angesagtesten Kollegen: Michelangelo, Raffael, Bernini, Guido Reni und: Caravaggio.

Caravaggio-Stil im Reisegepäck

In seinen Bildern hat Caravaggio wie kein zweiter das Licht als Akteur eingesetzt: als Schlaglicht mit unglaublich dramatischen Effekten für den Bildaufbau und die Hervorhebung der Personen oder – und das war etwas ganz Neues – als Lichtquelle im Bild selbst. Dieser Caravaggio-Stil hat Generationen von Malern beeinflusst. Auch van Honthorst hat ihn sozusagen im Reisegepäck 1620 aus Rom mitgenommen und danach in seinem Bild „Anbetung der Hirten“ verwendet.

Der niederländische Maler Gerrit van Honthorst nahm für sein Gemälde „Anbetung der Hirten“ im Kölner Wallraf-Richartz-Museum Anleihen am Stil Caravaggios.

Der niederländische Maler Gerrit van Honthorst nahm für sein Gemälde „Anbetung der Hirten“ im Kölner Wallraf-Richartz-Museum Anleihen am Stil Caravaggios.

Vom Typus her handelt es sich um ein sogenanntes Nachtstück mit fast lebensgroßen Halbfiguren. Das Licht fällt in der Szenerie nicht von außen auf das Jesuskind im Zentrum – es geht von ihm selbst aus. Diesen malerischen Effekt kann man natürlich auch als Glaubensaussage zur Menschwerdung Gottes im Sinne des Johannes-Evangeliums deuten: Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, ist in die Welt gekommen…

Muttergottes als bodenständige junge Frau vom Lande

Auf van Honthorsts Bild werfen die weißen Windeln auf der Krippe mit dem Stroh das Licht zurück auf die Gesichter der Umstehenden. Maria ist hier nicht als die „hohe Frau“ dargestellt, sondern als liebende Mutter, ganz und gar menschlich, nahbar, ich möchte sagen, eine bodenständige junge Frau vom Lande – mit weichen Gesichtszügen und gesunden roten Bäckchen. Josef schaut ebenfalls liebevoll auf das Kind. Seine Hände hat er gefaltet auf den Kopf des Ochsen gelegt. Und auch der sorgt sich um das Neugeborene: Aus den Nüstern bläst er ihm seinen warmen Atem zu, der in der Kälte dampft. Ein besonders rührendes Detail.

Auf der linken Seite des Bildes hat van Honthorst die Hirten von Bethlehem gruppiert: Sie repräsentieren drei Lebensalter – und drei Reaktionen auf das Wunder der Menschwerdung: Der alte Hirte ist ganz versunken in den Anblick des Neugeborenen. Der Hirte im besten Mannesalter wirkt zugleich ehrerbietig und nachdenklich, als überlegte er, was es mit diesem Kind auf sich hat. Und der Junge davor, vielleicht sein Sohn, ist ganz und gar verblüfft: „Kann das denn wirklich wahr sein?“, scheint er den Vater zu fragen.

Zupackende Dramatik

Sehr schön kommen hier zwei Wesenselemente barocker Kunst zum Tragen. Das ist zum einen ihre zupackende Dramatik, die es zuvor - im Mittelalter und in der Renaissance – so nicht gegeben hatte. Zum anderen zeichnet barocke Kunst ihr Sinn für Realismus aus. Schauen Sie sich nur einmal Gesicht und Hände des alten Hirten mit der faltigen Haut an, gezeichnet von harter, entbehrungsreicher Arbeit.

Van Honthorst hat hier mit seiner Kunst das ganze Leben festgehalten. Und das wünsche ich Ihnen nun auch: Erfüllte Feiertage, schöne Stunden mit Menschen, die Ihnen nahe sind – und vielleicht eine Begegnung mit Kunstwerken, die ich Ihnen in diesem Adventskalender vorgestellt habe. Ab dem zweiten Weihnachtsfeiertag sind die Kölner Museen wieder für Sie geöffnet.

Eine „Zugabe“ habe ich mir noch für den 6. Januar überlegt, den Festtag der heiligen drei Könige, die nirgends so zur Weihnachtszeit gehören wie bei uns in Köln. Lassen Sie sich auch da überraschen!

Aufgezeichnet von Joachim Frank


Dies ist die letzte Folge unseres Adventskalenders 2025, in dem Dombaumeisterin a.D. Barbara Schock-Werner 24 besondere Ausstellungsstücke aus sechs Kölner Museen vorgestellt hat. Alle Folgen finden Sie hier:www.ksta.de/weihnachten

Das Wallraf-Richartz-Museum, Obenmarspforten (am Rathaus), 50667 Köln, ist geöffnet dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr. Verlängerte Öffnungszeit bis 22 Uhr unter anderem am „Köln-Tag“, dem ersten Donnerstag im Monat. Geschlossen ist das Museum montags und an Heiligabend, dem ersten Weihnachtstag (25.12.), Silvester, Neujahr sowie an den Karnevalstagen. Eintritt: 10 Euro (ermäßigt 7). Freier Eintritt unter anderem für Kinder und Jugendliche bis 18.