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SicherheitsauflagenNur noch halb so viele Martinszüge in Leverkusen

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Viele Kitas und Schulen haben ihre traditionellen Sankt-Martins-Züge abgesagt oder verkürzt.

Viele Kitas und Schulen haben ihre traditionellen Sankt-Martins-Züge abgesagt oder verkürzt.

Wegen gestiegener Auflagen und Unsicherheiten haben sich viele Schulen und Kitas von ihren Martinszügen verabschiedet.

Ab dem 4. November werden in der ganzen Stadt singende Kinder mit Laternen durch die Straßen ziehen – aber sehr viel weniger als im Vorjahr. 110 Umzüge waren im Herbst 2024 bei der Stadt angemeldet worden. Für dieses Jahr sind es nach aktuellem Stand 51. Weniger als die Hälfte.

Offensichtlich geht der Schwund auf das Genehmigungsverfahren durch die Stadt zurück. In den Sommerferien hatte der Fachbereich Schulen einen Brief an die Leitungen aller Leverkusener Grund- und Förderschulen geschickt, in dem stand, dass die Martinszüge wegen gestiegener Sicherheitsauflagen nicht mehr wie zuvor stattfinden können und auf einen gemeinsamen Zug pro Stadtteil beschränkt werden sollen.

Nach einem großen Aufschrei in Politik und Bevölkerung nahm die Stadt das zurück und verkündete: Alle Martinszüge können „in gewohnter Weise, mit gegebenenfalls im Einzelfall erhöhten Sicherheitsauflagen“ stattfinden. Tun sie aber vielerorts nicht.

Niemand spricht offen

Warum, wird aus Gesprächen mit Verantwortlichen klar, die entweder gar nicht offiziell mit der Presse sprechen oder sich nicht namentlich zitieren lassen wollen. Zu groß ist die Sorge, aktuell oder künftig Probleme mit der Stadt zu bekommen, wenn es um Genehmigungen geht. „Zunächst war die Bestürzung groß, als die Nachricht kam, dass die Martinszüge nicht gehen dürfen, dann die Erleichterung, als es hieß: Alles wie früher“, berichtet ein Elternvertreter. Dann wieder die Ernüchterung: Es ist doch alles viel aufwendiger und teurer. Rund 1000 Euro sollten alleine Absperrbarken kosten, wenn sie über eine städtische Tochter bereitgestellt würden. Der größte Kritikpunkt aber: „Es gibt keine konkreten Aussagen über die Anforderungen.“

Seine Schule habe sich an den kolportieren Anforderungen für andere Veranstaltungen orientiert und den Zugweg verkürzt – den traditionellen Weg komplett zu sichern, sei undenkbar gewesen. Ob das wirklich nötig war, weiß er nicht. Man habe sich darauf geeinigt, „aus Sorge, am Ende gar keine Genehmigung zu bekommen“. Eine Woche vor dem geplanten Veranstaltungstermin liegt die Genehmigung nun vor. „Darüber freuen wir uns natürlich. Aber der Frust in der Elternschaft ist groß. Man will für die Kinder etwas auf die Beine stellen und fühlt sich bei der Stadt wie ein Bittsteller.“ 

Ohne Pferd und Feuer

Die Stadt bestätigt, dass „keine konkreten Angaben zu den einzelnen Sicherheitsauflagen gemacht werden können“. Die Auflagen würden laufend betrachtet, jede Veranstaltung als Einzelfall geprüft. Klar ist: Viele Schulen und Kitas haben ihre Züge entweder ganz abgesagt oder feiern nur im direkten Schulumfeld. „Wegen der erschwerten Vorgaben kann der Zug nicht durchgeführt werden“, heißt es beispielsweise von der Don-Bosco-Schule in Quettingen. Die Schulgemeinschaft feiert auf dem Schulhof, ohne Feuer und Pferd. 

Nach Bekanntwerden der neuen Auflagen im Sommer war der angehende Oberbürgermeister Stefan Hebbel einer der ersten, der sich für den Erhalt der Martinszüge ausgesprochen hatte. „Wir müssen den Eltern und Vereinen vertrauen. Sie haben in den vergangenen Jahren bewiesen, dass sie die Sicherheit gewährleisten können, ohne dass die Tradition unter Bürokratie leidet“, hatte Hebbel damals gesagt. Ob sich im kommenden Jahr wieder mehr Schulen und Kitas aktiv für ihren Zug einsetzen, liegt nun auch in seiner Verantwortung. „Mein Anspruch ist, einheitliche Regeln zu finden, wir haben das Thema ja auch im Karneval oder bei Schützenfeiern.“ Es brauche einen roten Faden, an dem sich Veranstaltende orientieren können. Rein auf Vertrauen will er nun aber nicht mehr bauen: „Natürlich muss die Stadt mit aller Kraft vermeiden, dass etwas passiert.“ Es sei eben ein Spagat zwischen Sicherheit und „wir beschützen das Brauchtum kaputt“. 

Marco Grün

Marco Grün ist Kita-Leiter in Steinbüchel - schon zur Meisterfeier von Bayer 04 hatte er mit den Kindern einiges auf die Beine gestellt

Einer, der sich von den Vorgaben nicht hat abschrecken lassen, ist Marco Grün, Leiter der Kita Theodor-Heuss-Ring 132. „Ich habe im Januar angefangen, den Martinszug zu planen, das ist für die Kinder eine der wichtigsten Veranstaltungen im Jahr“, sagt der Kita-Leiter. Den städtischen Brief, der an Schulen gerichtet war, hat er nicht bekommen, sich nach der Berichterstattung dieser Zeitung aber direkt ans Telefon gehängt. „Ich habe eine Riesenwelle gemacht, aber nach zwei Tagen hatte ich dann auch die mündliche Zusage, dass unser Zug stattfinden kann.“

Von zusätzlichen Auflagen und Anträgen blieb auch er nicht verschont. „Selbst für die Feuerschale, die wir immer auf dem Gelände aufstellen, brauchte es dieses Jahr einen eigenen Antrag“, sagt Grün. Sein Zug, inklusive Begleitung von Pferd und Feuerwehr, wird in diesem Jahr sogar größer als in den Vorjahren: Die benachbarte Kita Theodor-Heuss-Ring 62 schließt sich an. Er könne verstehen, wenn Kollegen vor dem Aufwand für solche Veranstaltungen zurückschrecken. „Aber wenn man das Leuchten in den Kinderaugen sieht, ist das Dank genug.“ Und im nächsten Jahr? „Erst recht wieder!“