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Nach „Wetten, dass…“-UnfallSamuel Koch sprach in Wiehl über Glauben und Zweifel

3 min
Das Bild zeigt Samuel Koch (links) mit Zuhörer Lars in Wiehl.

Samuel Koch (l., 38) gab in der evangelischen Kirche in Wiehl Einblicke in sein Leben mit Querschnittslähmung. Hier liest er mit Unterstützung von Lars aus dem Zuhörerraum aus seinem Buch „Schwerelos“.

Eine seiner Erkenntnisse:  „Das Akzeptieren ist ein Prozess, kein Schalter, den man einmal umlegt.“

„Heute ist Reformationstag und auch Halloween“, begrüßte Reinhard Schmidt, Fördervereinsvorsitzender der evangelischen Kirche Wiehl, die Gäste am Freitag im voll besetzten Gotteshaus, und ergänzte: „Süßes und Saures gibt es zwar nicht, aber einen unterhaltsamen Abend mit Samuel Koch.“

In einem kurzen Einführungsvideo war die Eleganz zu sehen, mit der sich der ehemalige Kunstturner früher bewegt hat – und auch die Vorwärtssalti die er von Sprunghilfen unterstützt über fahrende Autos machte. Diese wurden ihm 2010 in der Fernsehsendung „Wetten, dass...“ jedoch zum Verhängnis: Er stürzte schwer und erlitt eine Querschnittslähmung.

Ich habe an allem gezweifelt, woran ich vorher jemals geglaubt hatte.
Samuel Koch

„Warum glauben Sie?“, fragte Koch eingangs, nun im Rollstuhl sitzend. Glaube existiere nicht ohne Zweifel. Doch den Glauben möchte man gerne behalten, Zweifel hingegen gerne loswerden: „Ich habe an allem gezweifelt, woran ich vorher jemals geglaubt hatte.“ Er kündigte an, dass es daher keinen Vortrag mit Sprüchen wie „Das Glas ist nicht halb leer, sondern halb voll“ oder anderen Motivationssätze geben werde. Stattdessen: Eine Schilderung der Phasen, die er nach dem Unfall durchlebt hatte und was ihm Mut mache.

Körper nicht mehr gespürt

„Es war wie in einem düsteren Science-Fiction“, schilderte er den Moment des Erwachens in der Klinik. Sein Kopf war eingespannt in einen Schraubstock und das Zimmer war abgedunkelt: „Ich konnte meinen Körper nicht spüren, er schien zu schweben.“ Nach anfänglicher Beatmung auf der Intensivstation habe sich dann glücklicherweise das Zwerchfell zurückgemeldet. „Aber alle meine Lebensträume waren geplatzt – sämtliche Pläne waren an Bewegung gekoppelt.“

Das Akzeptieren ist ein Prozess, kein Schalter, den man einmal umlegt.
Samuel Koch

Einen ersten Lichtblick gab es, als er in einer Schweizer Spezialklinik auf den Balkon geschoben wurde. Auch wenn er sich nie habe vorstellen können, an einen Rollstuhl gefesselt zu sein, habe er die Bergluft mit Blick auf die Alpen genossen. Mit warmer Stimme erklärte er: „In diesem Moment habe ich wirklich Dankbarkeit empfunden.“ Unterstützt von Lars aus dem Publikum las er als Gleichnis eine Passage aus seinem Buch „Schwerelos“, wo jemand nach vielen Träumen von einem Italienurlaub in den Niederlanden strandet: „Wenn Du Dein ganzes Leben damit verbringst, fortan um den verlorenen Traum zu trauern, wirst Du vermutlich nie die Schönheit von Holland wirklich entdecken.“

Koch bekannte, dass er viele Ratgeber gelesen habe, doch seien die meist Hohn und Spott angesichts seiner aktuellen Situation gewesen. In jahrelanger Verarbeitung habe er gelernt, nicht nur den Blick darauf zu richten, was nicht mehr geht, sondern darauf, was noch möglich ist – Erkenntnis: „Das Akzeptieren ist ein Prozess, kein Schalter, den man einmal umlegt.“

Durchhaltevermögen gewürdigt

Dennoch habe er oftmals das Gefühl gehabt, nur noch nutzlos zu sein. Lächelnd erinnerte er sich an die Haltung seines Vaters, der ihm schon in seiner Kindheit vermittelt habe, dass der Wert eines Menschen in seiner Person und nicht in seiner Nützlichkeit bestünde: „Deswegen heißt es im Englischen vermutlich auch ,Human being' und nicht ,Human doing'.“

Zum Abschluss würdigte Pfarrer Michael Striss das Durchhaltevermögen von Samuel Koch und seinen Weg, anderen mit seiner Geschichte Mut zu machen. Er endete mit einem Gebet zum Reformationstag.