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Bevorzugte LageEin Blick hinter die Fassaden der großbürgerlichen Villen im Frankenforst

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Eine Villa mit Walmdach und einem herrschaftlichen Treppenaufgang mit Säuleneingang.

Viele großbürgerliche Villen wurden zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Frankenforst gebaut.

In ihrem neuen Buch lässt Rosine De Dijn das Leben in Bergisch Gladbachs Villenkolonie zwischen 1908 und 1958 Revue passieren.

„In Behagen und Fröhlichkeit soll das Familienhaus einst bewohnt werden; in den waldumrauschten Gefilden des herrlichen Frankenforstes wird es in seiner größten Vollendung entstehen.“ Die „Baubude-Gesellschaft für Bodenverwertung GmbH“ sparte 1911 nicht an blumiger Werbung zwecks Vermarktung der Grundstücke für das sich entwickelnde Villenviertel im Frankenforst.

Nicht weniger als eine Idylle vor den Toren der Domstadt wurde versprochen, Villen entstanden, Parks wurden angelegt, Gartenhäuser und Terrassen. Doch auch eine Idylle bleibt nicht von den Zeitenwenden, von brutalen Umbrüchen verschont, schon gar nicht im kriegerischen 20. Jahrhundert. Und so begab sich die Journalistin Rosine De Dijn auf die Suche nach der Geschichte und den Geschichten der alten Villenkolonie.

Hinter die Fassaden der großbürgerlichen Villen geschaut

Ein „Abenteuer des Hinterfragens, der Neugierde, der Entzauberung der Legenden, der Entrümpelung“, schildert De Dijn im Vorwort ihres gerade erschienenen Buchs: „In bevorzugter Lage. Die Waldhaus-Villenkolonie Frankenforst bei Köln, 1908-1958“. „Ich bin immer neugierig auf die Menschen hinter der Fassade“, erklärt die Autorin den Antrieb zu ihrer Spurensuche.

Frankenforst sei ein „Mikrokosmos“, meint De Dijn, die seit 34 Jahren selbst in diesem Viertel lebt. Als Belgierin lege sie auch immer den Fokus auf grenzüberschreitende Aspekte, in diesem Fall die unterschiedliche Sicht von Deutschen und Belgiern auf Krieg, Nachkriegszeit und belgische Besatzung. Mit dem Marsch durch die Archive, dem Stöbern in verstaubten Akten, alten Briefen, vergilbten Fotos und ungezählten E-Mails mit Archivaren, Historikern und durch teils „entlarvende Gespräche mit letzten Zeitzeugen“ habe ihre Reise durch das Labyrinth unbekannter Menschenleben begonnen.

26 Häuser errichtete die Baugesellschaft - weniger als geplant

Ja, es gebe sie noch, die fragmentarischen Erinnerungen an stattliche Villen, an ihre „mehr oder weniger kapriziösen Bewohner“, an „NSDAP-Begeisterung, Kriegszeiten, Kriegswirren und (belgische) Besatzer“, so die Autorin. 26 Häuser habe die Baubude im Frankenforst errichtet, weit weniger als zunächst geplant, bevor die Baugesellschaft 1923 - es waren die wirtschaftlichen Krisenjahre nach dem Ersten Weltkrieg, - wegen finanzieller Schwierigkeiten liquidiert worden sei, so die Autorin.

Menschen im Sonntagsstaat, um 1900 stehen in einem Ausflugslokal und führen kleine Esel.

Haus Frankenforst war ein beliebtes Ausflugslokal.

Kurz zuvor, im Jahr 1922, ließ der wohlsituierte Geschäftsmann Wilhelm Haas für sich und seine Familie eine standesgemäße Villa in der Buchenallee errichten, auf einem fast 11.000 Quadratmeter großen Waldgrundstück. Ein idyllisches Landleben, fernab der Kölner Mietskasernen. So idyllisch, dass es schon wieder Schattenseiten hatte: „In der Umgebung konnte man überhaupt nichts einkaufen, das nächste, sehr bescheidene Geschäft war oben in Bensberg“, zitiert De Dijn aus den Aufzeichnungen der Tochter des Hauses, Charlotte Haas.

Die abgeschiedene Lage hatte zunächst auch Nachteile

Als Verkehrsmittel habe nur die Straßenbahn zur Verfügung gestanden. „In den ersten Jahren schrieben wir lange Besorgungszettel, mit denen der Chauffeur aus der Stadt (gemeint ist Köln) vom Scheuersand bis zur Butter alles mitbringen musste.“ Jedes Backen oder Kochen habe geplant werden müssen. „Arzt, Medizin, Friseur – alles wurde zu einer zeitraubenden Unternehmung.“

Die kleinen Probleme wurden bald von den großen eingeholt. Weltwirtschaftskrise, aufkommender Nationalsozialismus und ab 1939 wieder Krieg. Die Blumenrabatten in den Parks des Villenviertels wichen dem Kartoffelanbau, der Luxus wich dem Notwendigen, auch was die Garderobe betraf. Nun wurde genäht, gestrickt, gestückelt: „Gott sei Dank war das Elternhaus gut gerüstet, der Nähkorb, die Schränke waren voll abgelegter Kleider oder ausrangierter Bett- und Hauswäsche“, hielt Charlotte Haas in ihren Erinnerungen fest.

Am Ende stand auch im Villenviertel das nackte Überleben im Vordergrund

Am Ende stand auch in der einst so malerischen Villenkolonie das nackte Überleben an erster Stelle. Nach 1945 standen im Frankenforst, das von Bombentreffern weitgehend verschont geblieben war, Einquartierungen an - von Flüchtlingen und Ausgebombten, schließlich auch von belgischen Streitkräften, die das ehemals so feudale Ambiente zu schätzen wussten und das nahe gelegene Bensberger Schloss zunächst als Kaserne, später als Schule nutzen.

Heute ist der Frankenforst wieder das, was die Baubude Gesellschaft 1911 versprochen hatte: beste Wohnlage.

Rosine de Dijn: „In bevorzugter Lage. Die Waldhaus-Villenkolonie Frankenforst bei Köln, 1908-1958“, J.P. Bachem Verlag, Köln 2025, ISBN978-3-7616-3509-4; 29,95 Euro