Stadt Overath sieht „keine konkrete Gefährdungslage“ und will Verantwortung nicht übernehmen – Veranstalter-Verein ist fassungslos.
Stadt sieht keine besondere GefahrStreit um Terrorabwehr auf Overather Weihnachtsmarkt eskaliert

Stimmung ade: Trotz erheblich zugesagter privater Gelder sieht der Veranstalter-Verein OVplus wenig Chancen, dass der Weihnachtsmarkt stattfindet, wenn die Stadt keine Verantwortung für Sicherheit übernimmt.
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Was mit dem Amtsantritt von Bürgermeister Michael Eyer (CDU) am Montagmorgen noch nach einem Ringen um eine Rettung des Overather Weihnachtsmarktes am Ersten Advent aussah – mit der abgestimmten Antwort der Stadt scheint das Makulatur.
Nach derzeitigem Stand ergibt sich keine konkrete Gefährdungslage für Veranstaltungen in Overath
„Nach derzeitigem Stand ergibt sich keine konkrete Gefährdungslage für Veranstaltungen in Overath“, teilt die Stadt in einer Pressemitteilung auf eine Anfrage dieser Zeitung vom Wochenende mit. Das Gelände rund um die Kirche St. Walburga, auf dem der Weihnachtsmarkt in den vergangenen Jahren stattgefunden habe, befinde sich zudem auf einem erhöhten Fundament, das von einer Mauer eingefasst sei.
Dadurch sei eine direkte Zufahrt von der Straße aus nicht möglich, diagnostiziert die Stadt in ihrem Schreiben. Folgerung der Stadtverwaltung: „Aus Sicht der Stadt sind daher keine zusätzlichen Maßnahmen im Bereich der sogenannten Terrorabwehr erforderlich und sind auch in der Vergangenheit bisher noch nie gefordert worden.“
Auch nach anderthalb Jahren Gesprächen scheint nichts angekommen zu sein. Und man braucht doch kein Fahrzeug, um auf einem Weihnachtsmarkt Unheil anzurichten.
Der Vorsitzende des Stadtmarketingvereins Andreas Koschmann, der den Weihnachtsmarkt am Wochenende abgesagt hatte, kann es kaum fassen: „Wir haben eine abstrakte Anschlagsgefahr in ganz Deutschland, so auch in Overath“, so Koschmann. „Bei einer konkreten Anschlagsgefahr oder Gefährdungslage, wie sie die Stadt nennt, findet eine Veranstaltung unseres Wissens nicht statt.“
Koschmann schüttelt den Kopf: „Auch nach anderthalb Jahren Gesprächen scheint nichts angekommen zu sein. Und man braucht doch kein Fahrzeug, um auf einem Weihnachtsmarkt Unheil anzurichten.“
NRW-Innenminister warnt davor Kompromisse bei Sicherheit einzugehen
Die Anforderungen an Sicherheitsmaßnahmen und auch etwa an Sicherheitspersonal seien zudem zweifellos seit den Anschlägen in Magdeburg, aber auch beim Stadtfest in Solingen nochmals gestiegen.
Das bestätigte insgesamt auch NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) auf Anfrage dieser Zeitung. Angesichts der aktuellen Gefahrenlage „dürfen wir keine Kompromisse eingehen“. Sicherheitskonzepte für Weihnachtsmärkte werden in der Regel in Zusammenarbeit mit Veranstaltern, Kommunen und Behörden wie Polizei und Ordnungsamt abgestimmt.
Grundsätzlich liegt die Verantwortung für den sicheren Ablauf einer Veranstaltung beim Veranstalter, insbesondere wenn dieser das wirtschaftliche Risiko trägt und die organisatorische Leitung innehat.
Die Overath Stadtverwaltung betont in ihrer Stellungnahme unterdessen: „Grundsätzlich liegt die Verantwortung für den sicheren Ablauf einer Veranstaltung beim Veranstalter, insbesondere wenn dieser das wirtschaftliche Risiko trägt und die organisatorische Leitung innehat.“ Die Kosten für Sicherheitsmaßnahmen könnten zum Beispiel Personal für den Ordnungsdienst, Absperrmaterial oder technische Vorkehrungen umfassen, weiß auch sie. Betont aber „unabhängig davon“, dass sie weiterhin gesprächsbereit sei.
„Leider geht die Mitteilung der Stadt in keiner Weise auf die Situation und die Probleme ein, sprich unsere Frage nach der Haftung und einer erbetenen Unterstützung bei den Kosten“, bedauert Andreas Koschmann vom Stadtmarketingverein, der den Weihnachtsmarkt seit Jahren organisiert. „Stattdessen zielt sie leider einzig darauf ab, Verantwortung von sich zu weisen“, so der Vereinsvorsitzende.
Der Veranstalter übernimmt auch dann die Haftung, wenn die zuständigen lokalen Ordnungsbehörden entgegen besserem Wissen unzureichende Sicherheitsauflagen erlassen.
„Der Veranstalter übernimmt auch dann die Haftung, wenn die zuständigen lokalen Ordnungsbehörden entgegen besserem Wissen unzureichende Sicherheitsauflagen erlassen“, weiß Koschmann, der auch beruflich in der Veranstaltungsbranche tätig ist. „Deshalb sehen sich erfahrene Veranstalter in der Verantwortung, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, welche dann eigenständig finanziert werden müssen.“
In den vergangenen anderthalb Jahren sind laut Koschmann Kosten zur Terrorabwehr in Höhe von circa 17.500 Euro für die Veranstaltungen des Stadtmarketingvereins aufgelaufen. „Diese wurden vom Verein getragen, obwohl es sich nach unserer Auffassung um eine hoheitliche Aufgabe handelt“, so der Stadtmarketingvereinsvorsitzende. Die Stadt Overath vertritt an dieser Stelle eine andere „Rechtsauffassung“. In ihrer Stellungnahme zieht sie als Vergleich den Weihnachtsmarkt in Marialinden heran: Auch dort seien Maßnahmen zur Terrorabwehr bislang von Seiten der Stadt nicht für notwendig angesehen.
Neuem Overather Bürgermeister ist das Thema Weihnachtsmarkt auf die Füße gefallen
„Kein gutes Beispiel“, findet Koschmann: „Dies ist aus unserer Sicht leider eher ein Beispiel dafür, wie eine große Veranstaltung von einem Verein nicht mehr gestemmt werden konnte und zu einem kleineren Vereinsfest ohne öffentliche Werbung verändert wurde.“
Den neuen Bürgermeister, so betont Koschmann, treffe an der ganzen Thematik keinerlei Schuld. „Mit ihm wollen wir konstruktiv und vertrauensvoll zusammenarbeiten.“ Michael Eyer hatte sich schon vor seinem offiziellen Dienstantritt am Wochenende nach der Weihnachtsmarktabsage mit Koschmann in Verbindung gesetzt und sich wie berichtet für den Erhalt des Markts ausgesprochen.


