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Nicht mehr BürgermeisterDiese Pläne hat Dieter Freytag nach Ende seiner Amtszeit in Brühl

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Zu sehen ist Dieter Freytag an seinem bisherigen Schreibtisch im Rathaus.

Dieter Freytag war rund elf Jahre Bürgermeister in Brühl. Er blickt zufrieden auf seine Amtszeit zurück.

Langeweile drohe mit Sicherheit nicht, sagt Dieter Freytag (SPD) nach elf Jahren an der Spitze der Stadtverwaltung.

Herr Freytag, was machen Sie am Montagabend, 3. November, wenn im Stadtrat Marc Prokop zu Ihrem Nachfolger gewählt wird?

Dieter Freytag: Gute Frage. Vielleicht habe ich einen karnevalistischen Termin. Wenn nicht, besuche ich möglicherweise mit einem meiner Enkelkinder den Martinszug in der Innenstadt. Klar, hat der Stadtrat seinen Reiz, aber ich habe nicht mehr als Bürgermeister kandidiert, um mich dort herauszuziehen.

Sie haben also offenbar genügend Stunden im Rat verbracht.

Ja, auf jeden Fall. Am 30. September 1979 wurde ich erstmals als SPD-Stadtverordneter in den Rat gewählt. Von 1991 an war ich als Kämmerer und von 2014 an als Bürgermeister dabei. Grob gerechnet habe ich fast 1000 Stunden im Stadtrat verbracht. Das reicht.

Erfasst man als Bürgermeister eigentlich seine Arbeitszeit oder notiert Überstunden?

Nein. In früheren Zeiten gab es mal Steckkarten auch für Beigeordnete, aber das ist längst abgeschafft. Ich denke, dass ich im Schnitt einen Zwölf-Stunden-Tag hatte, hinzu kamen Wochenendtermine, da kommt man schnell auf 70 Wochenstunden. Aber ich habe das immer positiv gesehen, schließlich ist ein voller Terminkalender auch Ausdruck eines lebendigen Stadtlebens.

Besuche aus Israel haben tiefen Eindruck hinterlassen

Was wird Ihnen nach elf Jahren als Bürgermeister in tiefer Erinnerung bleiben?

Das ist schwer zu sagen angesichts der Vielfalt der Aufgaben, die man zu bewältigen hat. Herausragend waren die Begegnungen mit dem ehemaligen jüdischen Brühler Georg Zvi Rejzewski, der sich 2018 ins Goldene Buch der Stadt eingetragen hat. Er kam häufiger aus Israel nach Brühl, weil er seinen Kindern und Enkeln das Leben in seiner einstigen Heimatstadt vermitteln wollte. Er war trotz der erlittenen Verfolgung nicht verbittert, sondern der Zukunft und dem Frieden zugewandt. Das hat mich tief beeindruckt. Auch die Besuche in unserer französischen Partnerstadt Sceaux, wo ich anlässlich des Jahrestags des Kriegsendes Reden halten durfte, haben bleibende Erinnerungen hinterlassen. Bei den negativen Erlebnissen denke ich an die Flutkatastrophe 2021, die auch in Brühl mit Millionenschäden einherging und die Pandemie. Corona hat mich gelehrt, dass externe Faktoren zu einer ganz anderen Situation und Gestaltung des Lebens führen können. Auf einmal hatten wir einen Lockdown und nichts ging mehr. Das war surreal. Vor allem mussten wir Entscheidungen treffen, häufig ohne relevante Informationen zu haben. Ich musste mehr als 50 Familien kondolieren, bei denen Angehörige an oder mit Corona verstorben waren.

Und welche Erinnerung sollen die Bürger mit dem einstigen Stadtoberhaupt Freytag verbinden?

Da bin ich ziemlich uneitel. Schön wäre es, wenn in Erinnerung bleibt, dass es mir gelungen ist, Brühl vor dem Haushaltssicherungskonzept zu bewahren und dass mir die Bürgerbeteiligung sehr am Herzen lag. Da haben wir einiges erreicht. Das sollten die Menschen nutzen. Sie sollten sich einbringen und fair miteinander streiten. Das macht Demokratie aus. Die Verwaltung bemüht sich sehr darum, dafür den Rahmen zu schaffen. Die Mitarbeiter hätten es daher verdient, noch positiver wahrgenommen zu werden. Das ist eine sehr engagierte Truppe, die sehr bürgerorientiert denkt. Einiges wird zu negativ gesehen, weil man eben in der Demokratie nicht immer den eigenen Willen durchsetzen kann. Das gilt übrigens auch für Bürgermeister.

Was hätten Sie denn gerne durchgesetzt?

Konkret kann ich da spontan nichts sagen. Aber ich war ja lange Zeit ein Fehlfarben-Bürgermeister, also einer ohne eigene Ratsmehrheit. Da lernt man mit der Kraft des Argumentes vieles zu bewegen.

Ich habe einige gute Bücher auf dem Schreibtisch und gute Filme, die ich schauen will
Dieter Freytag, elf Jahre Bürgermeister in Brühl

Gibt es Entscheidungen, die Sie heute bereuen?

Keine von großer Tragweite. Im Großen und Ganzen waren die Entscheidungen wohl okay.

Was wünschen Sie Ihrem Nachfolger Marc Prokop?

Auf jeden Fall, dass übergeordnete Ebenen den Städten auskömmliche Finanzmittel bereitstellen. Einschnitte in vermeintlich kleinere Sachen in Kultur, Sport und Jugend rächen sich nämlich. Sie gehen auf Kosten der Gemeinschaft. Wir dürfen junge Menschen nicht abhängen. Vieles kann man ehrenamtlich kompensieren, aber die Kommunen müssen in der Lage sein, gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Außerdem wünsche ich ihm, dass der Konsens im Rat, gemeinsam für Brühl zu arbeiten, bestehen bleibt.

Womit verbringen Sie künftig ihre Zeit?

Ich habe drei Enkelkinder und das ist angesichts von sechs Kindern nur ein Zwischenstand. Mit ihnen will ich Zeit verbringen. Außerdem habe ich einige gute Bücher auf dem Schreibtisch und gute Filme, die ich schauen will. Und ich wohne direkt am Ville-Wald, da bietet es sich an Sport zu treiben. Ich bin zudem im Karneval aktiv und Vorsitzender des Heimatbunds. Langeweile droht also mit Sicherheit nicht.


Zur Person

Seit 2014 führte der 70-jährige Diplom-Volkswirt Dieter Freytag als Bürgermeister in Brühl die Verwaltung. Zuvor war der Sozialdemokrat dort als Kämmerer tätig. 1979 zog Freytag als seinerzeit jüngstes Ratsmitglied in das Gremium ein. Der gebürtige Brühler hat am Max-Ernst-Gymnasium Abitur gemacht. Der geschiedene Vater von sechs Kindern und Großvater dreier Enkelkinds lebt in Brühl-West. (wok)