Wir stellen inhabergeführte Einzelhandelsgeschäfte im Kreis vor. Zum Auftakt gibt es eine Übersicht über die Probleme und Perspektiven des Handels.
Neue Serie „LadenLokal“Wo im Rhein-Erft-Kreis noch das Herz des Einzelhandels schlägt

Entlang der Fußgängerzone in der Frechener Innenstadt finden sich noch einige inhabergeführte Einzelhandelsgeschäfte.
Copyright: Alexa Jansen
Sie gelten als das Herz von attraktiven Innenstädten, schaffen Einkaufserlebnisse, Wohlfühlmomente und Erinnerungen — und geraten doch immer mehr unter Druck: Die inhabergeführten Einzelhandelsgeschäfte. Auch im Rhein-Erft-Kreis haben diese Unternehmen zu kämpfen.
Wie geht es Betrieben, die zum Teil schon in der dritten Generation am Markt sind, wie gewinnen Gründer mit innovativen Ideen Kunden und welche Fachgeschäfte gibt es in den zehn Kommunen des Kreises überhaupt noch? Diesen Fragen geht unsere Redaktion ab heute in einer umfangreichen Serie „LadenLokal“ nach und stellt inhabergeführte Einzelhandelsgeschäfte vor.
Händler sehen eine sinkende Kundenfrequenz
Der Handelsverband Deutschland (HDE) hat für diesen Sommer in seiner Halbjahresbilanz für den Einzelhandel Top-Themen aufgeführt, die alarmierend sind: Da geht es an erster Stelle um die Kaufzurückhaltung der Kunden, die Belastung durch die immer kompliziertere Bürokratie und den Anstieg des Mindestlohns. Gefolgt von der allgemeinen Preisentwicklung, dem Fachkräftemangel und der schwindenden Attraktivität der Innenstädte.
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Nur 13 Prozent der Händler sehen laut der HDE-Konjunkturumfrage eine Verbesserung ihrer Umsätze im ersten Halbjahr, der Rest spricht von einer Stagnierung oder Verschlechterung. 71 Prozent der Befragten sehen an ihrem stationären Standort eine sinkende Kundenfrequenz.
Für den inhabergeführten Einzelhandel bleibt die Lage weiterhin angespannt
Auch für den Rhein-Erft-Kreis zeichnet Frank Hemig, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Köln, kein gutes Bild: „Für den inhabergeführten Einzelhandel bleibt die Lage weiterhin angespannt. Die Hauptgründe dafür sind die allgemeine wirtschaftliche Lage, ein verändertes Kaufverhalten sowie das zurückhaltende Konsumverhalten der Kundinnen und Kunden.“
Die Situationen in den jeweiligen Kommunen unterscheide sich allerdings erheblich, so Hemig. „Es gibt einige funktionierende Innenstädte, weil der Einzelhandel dort gute Rahmenbedingungen vorfindet. Das ist besonders da der Fall, wo die Aufenthaltsqualität im Freien hoch ist und eine gute Erreichbarkeit vorhanden ist.“
Mittelgroße Kommunen, wie sie im Rhein-Erft-Kreis zu finden sind, seien im Wandel. Das bedeute: „Es geht längst nicht mehr nur um das reine Einkaufen, sondern um das Erlebnis. Der jüngere inhabergeführte Einzelhandel hat erkannt, dass er sich seine Nische suchen muss“, analysiert Hemig.

Die Bergheimer Innenstadt lädt zum Bummeln ein.
Copyright: Dietmar Fratz
Seine Institution unterstütze durch Beratungen zur Existenzgründung, Weiterbildungen und Veranstaltungen zum Beispiel im Bereich Digitalisierung . „Zudem fördern wir Initiativen, die die Bedeutung des Einzelhandels hervorheben, wie beispielsweise „Heimat Shoppen“, in Zusammenarbeit mit den örtlichen Werbegemeinschaften.“
Viele stecken ihr letztes Geld in den Laden, lösen Lebensversicherungen auf und wollen durchhalten, bis es wieder besser wird
Dass sich der Einzelhandel im Kreis in einer schwierigen Lage befindet, bestätigt auch Jörg Hamel, Geschäftsführer des Handelsverbands Nordrhein-Westfalen Aachen-Düren-Köln. „Die Händler sind in einer schwierigen Situation, sie haben deutlich ein schlechtes Gefühl — das ist schon schlimm und macht mich skeptisch“, gibt Hamel zu bedenken. Gerade die Inhaber kleinerer Geschäfte würden teilweise sagen, dass sie noch nie einen so schlechten Jahresstart gehabt hätten. „Viele stecken ihr letztes Geld in den Laden, lösen Lebensversicherungen auf und wollen durchhalten, bis es wieder besser wird“, berichtet er.

Jörg Hamel, Geschäftsführer des Handelsverbands Nordrhein-Westfalen Aachen-Düren-Köln
Copyright: Handelsverband
Oft könnten die Händler nur weiter existieren, weil sie ihre Geschäfte in eigenen Immobilien und mit Unterstützung der Familie führen würden. „Hinter den Kulissen sieht es oft nicht rosig aus, viele Händler leben am Rande ihres Existenzminimums“, lautet sein Fazit.
Boom bei Secondhand-Geschäften
Im Handel gehe es auch immer um Psychologie und die Frage, wie es den Kunden gehe und was in der Welt los sei — die aktuelle weltpolitische Lage schlage auf die Kauflaune. Zudem gebe es die Konkurrenz durch den Online-Handel und die höheren Kosten für Miete und Lebenshaltung würden die Ausgaben im Einzelhandel schmälern. „Zudem herrscht seit Corona eine andere Einstellung, es wird bewusster, bedarfsgerechter und weniger eingekauft“, erläutert Hamel. Einen richtigen Boom gebe es daher auch bei Secondhand-Geschäften — besonders im Luxussegment.
Der Handel kann nur funktionieren, wenn die Stadt als solche funktioniert
Um die Situation zu verbessern, appelliert Hamel auch an die Politik: „Der Handel kann nur funktionieren, wenn die Stadt als solche funktioniert“. Bürgermeister und Stadträte sollten sich um eine vitale Innenstadt bemühen. „Das Ambiente wird immer wichtiger, die Menschen müssen sich insgesamt in einer Stadt wohlfühlen“. Mit der Attraktivität als Wohnort könnten die Städte junge Familien gewinnen, die wiederum wichtig für die Einzelhändler seien.
Wir wollen dafür sorgen, dass inhabergeführter Einzelhandel auch in den kommenden Jahren ein verlässlicher Motor für Wachstum und Gemeinschaft bleibt
„Auch im Rhein-Erft-Kreis tragen inhabergeführte Einzelhändler durch persönlichen Service, regionale Sortimente und schnelle Reaktionsfähigkeit maßgeblich dazu bei, Innenstädte attraktiv zu halten und Kaufkraft vor Ort zu binden“, bestätigt Susanne Kayser-Dobiey, Geschäftsführerin der Wirtschaftsförderung Rhein-Erft. Diese wolle mit Beratungen zu Fördermitteln, Digitalisierung und Fachkräftesicherung dafür sorgen, dass „inhabergeführter Einzelhandel auch in den kommenden Jahren ein verlässlicher Motor für Wachstum und Gemeinschaft bleibt.“
Die Kunden sind kritischer geworden, der generelle Aufwand für die Inhaber erhöht sich ständig
Von einer noch „relativ intakten Innenstadt im Vergleich zu anderen, kleineren Städten“ spricht Stefan Dalweski für seine Heimatstadt Pulheim. Der 56-Jährige ist dort seit 27 Jahren als Apotheker selbstständig und seit einem Jahr Vorsitzender des Aktionsrings Pulheim. Dennoch könne er in Gesprächen mit Einzelhändlern feststellen, dass es für sie schwieriger geworden sei, Geld zu verdienen und sie mehr kämpfen müssten. „Die Kunden sind kritischer geworden, der generelle Aufwand für die Inhaber erhöht sich ständig“, so Dalewski.
Es braucht eine klare Vision, wie Menschen unabhängig vom klassischen Einzelhandel wieder gerne und regelmäßig in die Innenstadt kommen.
Bei stagnierenden oder rückläufigen Umsätzen hätten die Geschäftsleute einen sehr langen Arbeitstag, der Betrieb sei oft nur mit Unterstützung durch Familienmitglieder aufrecht zu erhalten. Mit Aktionen wie dem Pulheim-Gutschein, der demnächst auch online erhältlich sein soll, wird versucht, Kunden in die Geschäfte zu locken. „Aktuell sind noch 18.000 Euro an Gutscheinen nicht eingelöst“, resümiert Dalewski, den Versuch, Kaufkraft vor Ort zu binden.
Ideen, wie dies gelingen kann, hat auch der Aktivkreis Frechen. Es gebe zwar innovative Neugründungen, berichtet die Sprecherin Melanie Steven (Café Schnörkellos): „Gleichzeitig beobachten wir, dass sich große Ketten aus der Innenstadt zurückziehen. Umso wichtiger ist es jetzt, Frechens Zentrum neu zu denken – nicht nur als Ort zum Einkaufen, sondern als lebendiger Treffpunkt mit Aufenthaltsqualität, Veranstaltungen, Gastronomie und Kultur. Es braucht eine klare Vision, wie Menschen unabhängig vom klassischen Einzelhandel wieder gerne und regelmäßig in die Innenstadt kommen. “