Der Kerpener Genussmarkt im Advent sorgt für Schlagzeilen - die Kerpener Politik sieht die Reaktionen teils kritisch.
WeihnachtsmarktDas sagt die Kerpener Politik zur Diskussion um „Genussmarkt im Advent“

Ein neuer Name für den Kerpener Weihnachtsmarkt sorgt in sozialen Netzwerken für Furore (Symbolfoto).
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Eine Diskussion um bürokratische Auflagen schlägt deutschlandweit Wellen: Vor wenigen Wochen berichtete die Aktionsgemeinschaft Kerpen (AGK), sie wolle aufgrund erhöhter Sicherheitsauflagen ihren traditionellen Weihnachtsmarkt zu einem „Genussmarkt im Advent“ machen.
Der Grund? Für einen Genussmarkt gelten laut AGK andere Sicherheitsauflagen als für einen Weihnachtsmarkt, unter anderem weil dieser auf kleinerer Fläche stattfindet. So müssten nicht der gesamte Stiftsplatz inklusive der Zufahrten auf die Rundstraße gesperrt und die umliegenden Parkbuchten gesichert werden. Denn die Sicherheitsauflagen für einen Weihnachtsmarkt seien finanziell nicht zu stemmen, hatte die AGK in einem ersten Gespräch mit der Redaktion berichtet.
Kerpen: Diskussion um Bürokratie wird für Populismus genutzt
Was kurze Zeit nach einer ersten Berichterstattung daraus gemacht wurde, schockierte vor allem die Lokalpolitiker, die in sozialen Netzwerken aktiv sind. Überregionale Medien griffen das Thema auf. Zahlreiche entrüstete Kommentare von Nutzerinnen und Nutzern waren unter diesen Beiträgen zu finden. Die Verfasserinnen und Verfasser haben ihr Urteil anscheinend schnell und ohne große Recherche gefällt: So vermuteten viele, es bestehe ein Zusammenhang zwischen der Umbenennung und einer möglichen Rücksichtnahme auf andere, nicht-christliche Kulturen.
Annika Effertz, Co-Fraktionsvorsitzende der Kerpener Grünen, sagt dazu: „Es ist sehr, sehr schade, dass dieser Populismus, der teilweise von Seiten wie ‚Faktastisch‘ und weiteren reproduziert wird, nun ablenkt vom eigentlichen Problem. Bürokratie und ihre Hürden sind das Problem, aber ganz sicher nicht andere Kulturen. Zu keinem Zeitpunkt hat irgendeiner der Beteiligten anklingen lassen, dass es um ein kulturelles Problem gehen könnte.“
Grüne wirbt für Beitritt zur Aktionsgemeinschaft
Effertz warb dafür, Mitglied bei der AGK zu werden. Denn der Verein finanziert sich über die Mitgliedsbeiträge. „So können wir gemeinsam etwas dafür tun, dass im nächsten Jahr die Kosten für die Sicherheitsauflagen auch gestemmt werden können. Ich habe heute meinen Mitgliedsantrag unterschrieben.“ Sie kündigte zudem eine Anfrage an, damit alle Beteiligten in dieser Sache im kommenden Jahr besser aufgestellt seien.
Auch Alessa Flohe (Piraten), die in der ersten Sitzung des neuen Rates eine Anfrage an die Stadtverwaltung zum aktuellen Stand um den verkaufsoffenen Sonntag des Genussmarkts gestellt hatte, sagte: „Dass etwa die Landes-AfD das Thema aufgegriffen hat, habe ich auch mitbekommen. Das ist reine Hetze gegen Menschen mit Migrationshintergrund. Es gibt nun mal Anforderungen an die Sicherheit bei solchen Veranstaltungen und die müssen erfüllt werden. Man darf ja kritisieren, aber bitte mit Hand und Fuß.“
Hoffnungen auf einen verkaufsoffenen Sonntag steigen
Sie bemängelte die fehlende Medienkompetenz einiger Nutzerinnen und Nutzer des Internets. „Es ist schade, dass manche Menschen nur noch Überschriften lesen und sich dann eine Meinung bilden.“ Zudem erfülle auch ein Genussmarkt im Advent das, was ein Weihnachtsmarkt bieten wolle: „Es geht darum, in dieser Zeit zusammenzukommen und gemeinsam die Vorweihnachtszeit zu genießen. Daran ändert sich nichts.“
Weiter erinnerte sie daran, dass, selbst wenn die Sicherheitsauflagen eines Weihnachtsmarkts höher wären als im vergangenen Jahr - was nicht abschließend geklärt ist - , dies ebenfalls kein Grund wäre, Menschen mit Migrationsgeschichte dafür verantwortlich zu machen: „Diese Sicherheitsauflagen sollen nicht nur vor Amok oder Terrorismus schützen, sondern auch bei Feuer oder einer Massenpanik. Die Vorgaben dienen dazu, Menschenmengen in Gefahrensituationen sicher zu leiten. Zudem sollten wir uns daran erinnern, dass Amok und Terrorismus nicht auf Menschen einzelner Herkunftsgruppen reduziert werden kann.“
Heiner Funke, Vorsitzender der CDU-Fraktion, sagt ganz ähnlich: „Diese Art der Berichterstattung halte ich für unangemessen. Es geht bei der Thematik nicht um die Verdrängung einer Kultur, sondern um Sicherheitsauflagen. Ob diese von der Verwaltung zu tragen sind, oder vom Veranstalter, darüber kann man vortrefflich diskutieren. Aber grundsätzlich herrscht in dieser Angelegenheit aus meiner Sicht ein Kommunikationsproblem.“
Rébecca Neumann, UWG: „Ich diskutiere natürlich fleißig mit, wenn ich die haltlosen Vorwürfe lese, es gehe bei der Umbenennung des Weihnachtsmarkts um fremde Kulturen und versuche, das richtigzustellen. Es ist sehr schade, dass heutzutage nicht mehr faktenbasiert diskutiert wird.“ David Held, BBK, ergänzt: „Es wurde vieles aus dem Kontext gerissen und eine unnötige Religionsdebatte daraus gemacht.“
Auch Andreas Lipp, Fraktionsvorsitzender der SPD Kerpen, positioniert sich klar: „Wenn man sich das anschaut, sind wir erschrocken, dass aus einer Diskussion über Genehmigungen eine Diskussion gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund gemacht wird.“
Er hat aber auch gute Nachrichten zu verkünden: Die SPD habe sich wie angekündigt mit der Stadtverwaltung und der AGK verständigt. Die Beteiligten hätten gemerkt, dass wahrscheinlich nur minimale Missverständnisse in Einzelpunkten zu dem Disput geführt hätten. „Es sieht sehr gut aus momentan, dass die Beteiligten auch das Problem mit dem verkaufsoffenen Sonntag lösen können“, sagte Lipp hörbar glücklich.
Auch Wolfgang Pfeil von der Kerpener FDP-Ratsgruppe machte deutlich: „Wir unterstützen die AGK in ihrem Vorhaben. Wir haben zwar keinen Antrag geplant, sind aber grundsätzlich zur Unterstützung etwa bei anderen Anträgen bereit.“ Die Stadtverwaltung wollte sich in dieser Sache erst einmal zurückhalten und nicht äußern.

