Christoph Wortberg hat einen bewegenden Roman über Auguste „Gussie“ Adenauer und eine aufrührende Epoche geschrieben.
InterviewChristoph Wortberg liest in Pulheim aus Roman über Adenauers Ehefrau „Gussie“

Er tauchte tief in die Geschichte der Familie Adenauer ein - Christoph Wortberg hat den bewegenden Roman „Gussie“ geschrieben.
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Christoph Wortberg ist Schauspieler, Drehbuchautor und Schriftsteller. Bekannt wurde der Kölner durch seine Rolle als Frank Dressler in der ADR-Serie Lindenstraße. Er schrieb Drehbücher unter anderem für den Kölner Tatort und zahlreiche Jugendromane wie „Die Farbe der Angst“. Elke Petrasch-Brucher sprach mit ihm über seinen Roman „Gussie“, der außergewöhnlichen Frau an der Seite Konrad Adenauers.
Herr Wortberg, wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen Roman über die Ehefrau von Konrad Adenauer, Gussie genannt, zu schreiben?
Christoph Wortberg: „Es begann mit einem Spaziergang durch den Kölner Stadtwald. Ich schlenderte an den herrschaftlichen Villen am Rande des Parks entlang und landete plötzlich vor einer Inschrift, auf der stand: In diesem Haus wohnten Konrad Adenauer und seine zweite Frau Auguste Zinsser, genannt Gussie. Da begann bei mir das Gedankenkino und ich wusste sofort, das ist mein Stoff.“

„Gussie“, ein Roman von Christoph Wortberg.
Copyright: Elke Petrasch-Brucher
Warum machten Sie Gussie Adenauer und nicht ihren Ehemann Konrad zum Mittelpunkt ihres Romans?
Wortberg: „Ich fand es spannend, mich mit dieser klugen und warmherzigen Frau zu beschäftigen. Und auch mit ihrer Rolle innerhalb der Familie unter den politischen und gesellschaftlichen Umständen in der Zeit zwischen 1933 und 1948. Gussie ist 24, als sie ihren Nachbarn, den 19 Jahre älteren Witwer und Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer am Gartenzaun kennenlernt. Ihre Liebe zum Gärtnern bringt die beiden näher und Gussie wird Ehefrau des preußischen Katholiken und Stiefmutter seiner drei Kinder. Später bekommen die beiden weitere fünf Kinder.“
Was hat sie besonders an der Beziehung dieses ungleichen Paares interessiert?
Wortberg: „Gussie war eine lebensfrohe junge Frau und engagierte sich sozial und politisch. Und sie war Protestantin, kam aus einem liberalen Elternhaus, ihr Vater war Universitätsprofessor. Konrad Adenauer hingegen war strenger Katholik, diszipliniert und gab nicht viel von sich preis. Und er hatte dauernd Migräne, das nagte an seinen Nerven. Ich habe mich gefragt: Was bedeutete es, die Frau an seiner Seite zu sein? Ich denke, sie hat ihren Mann ein Stück weit befreit mit ihrem warmherzigen Pragmatismus. Konrad Adenauer hat von dieser Ehe sehr profitiert.“
Dann begann Hitlers Machtübernahme. Eine Zeit, die alles veränderte und Gussi vor eine unmenschliche Wahl stellte…
Wortberg: „Ja, Konrad Adenauer hatte Kontakt zu Widerständlern, musste fliehen und sich vor den Nazis verstecken. Gussie blieb mit den Kindern in Köln zurück. Eines Tages wurde sie in das Gestapo-Hauptquartier einbestellt, inhaftiert und erpresst. Man drohte ihr: Wenn sie den Aufenthaltsort ihres Mannes nicht preisgibt, wird man ihren Kindern etwas antun. Was sollte sie machen? Es brach ihr das Herz, als sie sein Versteck im Westerwald verriet. Bis zu ihrem Tod 1948 kam sie nicht über diesen Verrat hinweg, obwohl Konrad Adenauer ihr nie einen Vorwurf gemacht hatte.“
Was hat das Eintauchen in diese grausame Zeit mit Ihnen gemacht?
Wortberg: Ich habe mich gefragt: Was ist überhaupt Widerstand? Wie hätte ich gehandelt, mit sieben kleinen Kindern? Da ist es schwer, aus heutiger Sicht zu urteilen. Das Ende der Weimarer Republik erinnert mich an die heutige Zeit und sensibilisiert mich für das, war politisch gerade passiert. Und ich habe versucht, mich mit den Mitteln der Literatur diesen komplexen, historischen Figuren zu nähern. Die Beziehung zu ihnen hat sich beim Schreiben ergeben, hat mich überrascht und berührt. Ich denke, damit überrasche und berühre ich auch meine Leser.“
Lesung und Daten zum Buch
Christoph Wortberg liest beim diesjährigen LiteraturHerbst Rhein-Erft am Donnerstag, 25. September 2025 um 19 Uhr in der Stadtbücherei Pulheim, Steinstraße 13, aus seinem Roman „Gussie“. Einlass ist um 18.30 Uhr. Der Eintritt beträgt 10 Euro, ein Getränk ist frei. Karten gibt es in der Stadtbücherei Pulheim unter 02238/808165 und in der Bücherstube Brauweiler unter 02234/83202.
„Gussie“, Roman von Christoph Wortberg, dtv-Verlag, Gebunden 24 Euro, Taschenbuch 13 Euro. ISBN 9783423283861