Der Mucher Unternehmer Sven Jagusch hat die Reinigung mit gefrorenem Kohlendioxid mobil gemacht. Der Verkehrsverein hat ihn beauftragt.
Neuartiges VerfahrenVor dem Mucher Rathaus wurden Skulpturen aus Holz mit Trockeneis gereinigt

Sven Jagusch, Gründer von Dry Iced, arbeitet sich vorsichtig mit kleiner Düse an die Beseitigung der Farben heran.
Copyright: Ralf Rohrmoser-von Glasow
In der Isolierbox liegen die gefrorenen Pellets aus Kohlendioxid, minus 78,5 Grad Celsius. Nebel wabert darüber, Mike Jagusch stößt mit einer Schütte hinein und holt gut zwei Handvoll heraus. Die kippt er durch in ein Sieb in ein Gerät, wo sie zermahlen und mit Luftdruck durch einen Schlauch in eine Düse geblasen werden. Die kleinen Partikel fliegen, von der kundigen Hand seines Sohnes Sven geführt, in einer Wolke auf die hölzerne Oberfläche von „tasten-treff.de“.
Das ist mitnichten eine Internet-Seite, sondern eine Skulptur von Peter Nettesheim. Mit einem zweiten Werk des Künstlers steht sie vor dem Rathaus an der Hauptstraße in Much. Gemeinsam markieren sie den Start des Skulpturenweges, den der Verkehrsverein Much und namentlich Achim Hohlwein 2006 an den Start gebracht hat. Doch während alle anderen Arbeiten aus Metall oder Stein gefertigt wurden, sind diese beiden Figuren aus Holz von der Robinie.
Die Figuren stehen im Ferien und sind Wind und Wetter ausgesetzt
Und sie stehen seither im Freien, Wind und Wetter ausgesetzt. Der Künstler hat sie lange gepflegt, kann das aber nicht mehr. Also machte sich Hohlwein, Verantwortlicher für den Skulpturenweg, auf die Suche nach schonenden Reinigungsverfahren. In der Nachbargemeinde Neunkirchen-Seelscheid wurde er schließlich fündig. Sven Jagusch hatte sich mit „Dry Iced“ selbstständig gemacht.
Der Kfz-Mechatronikermeister und gelernte Betriebswirt hat die schonende Reinigung nahezu aller Oberflächen mobil und autark gemacht. Er benötigt keinen Stromanschluss, sondern kann mit seinem System überall sofort loslegen. In Much probierte er bei einem Termin die Behandlung aus, gemeinsam fanden Anbieter und Kunde eine einvernehmliche Lösung.

Das Trockeneis wird in das Gerät eingefüllt und klein gemahlen.
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Denn ganz billig ist das nicht, was Jagusch fordert. 164,41 Euro kostet die Stunde, inklusive Maschinen und Material. Für die Mucher Figuren gab es aber Sonderkonditionen. Der Künstler stimmte dem Verfahren zu, also konnte es an die großflächige Reinigung gehen. Anschließend sollen sie in Hohlweins Werkstatt aufbereitet und gestrichen werden, bevor sie unter dem Vordach zum Haupteingang des Rathauses ein neues Zuhause finden - wieder draußen, aber geschützt.
Behutsam macht sich Jagusch, der von seinem Vater unterstützt wird, ans Werk. Die Pellets werden in der Maschine gemahlen, beschreibt er sein Vorgehen, mit fünf bis sechs Bar Luftdruck werden die kleinen Teilchen auf die Oberfläche geblasen. Der Dreck, Öle, Fette oder, wie in diesem Fall, Farbe werden eingefroren und spröde, fallen ab. Das Kohlendioxid entweicht in die Luft. Es bleiben keine Rückstände und keine Feuchtigkeit zurück. Das Trockeneis ist ein recyceltes Abfallprodukt aus der Industrie und kommt aus Rheinbach.

Vorsichtig wird die Farbe mit Trockeneis und Luftdruck vom verwitterten Holz entfernt.
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Das Gas greift das Material nicht an, lediglich der Luftdruck arbeitete an dem verwitterten Holz. Hohlwein wacht aufmerksam darüber, was passierte. Jagusch ist vorsichtig, an das Gesicht der Skulptur wagt er sich nicht heran. Alsbald ist das Holz freigelegt, bereit zur Weiterbearbeitung. Lose Teile sind weggeflogen, bei der weiteren Sanierung muss wohl noch das ein oder andere weggeschliffen werden.
Für Sven Jagusch ist es das erste Mal, dass er ein Kunstwerk bearbeitet. Die Herausforderung reizt den 27-Jährigen sichtlich. Eigentlich kommt er aus der Fahrzeugaufbereitung, bietet auch noch die Motorraumreinigung mit seinem „Dry Iced“ für 130 Euro pauschal an. „Das Besondere an meinem Businessplan ist, dass ich zu den Kunden fahren kann. Ich mache nicht nur Autos, es bietet sich für Grabsteine auf dem Friedhof genau so an wie für Schieferfassaden“, so Jagusch.
Hohlwein jedenfalls zeigt sich ebenso zufrieden wie Hartmut Erwin aus dem Vorstand. Die Oberfläche der beiden Kunstwerke muss nun noch geglättet und anschließend der neue Anstrich aufgebaut werden. Dann sind die Startfiguren für den Skulpturenweg wieder frisch und ansehnlich zum 20-jährigen Bestehen im kommenden Jahr.