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„Sie hat noch immer Albträume“Pflegehelfer soll 79-Jährige in Niederkassel sexuell missbraucht haben

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Symbolbild vom Amtsbericht in Siegburg

Das Siegburger Amtsgericht. (Symbolbild)

Die geschädigte 79-Jährige leide bis heute psychisch unter dem Vorfall, bezeugte eine Mitarbeiterin der Seniorenresidenz.

Ein 34-Jähriger soll eine Bewohnerin einer Niederkasseler Seniorenresidenz sexuell missbraucht haben. Die 79 Jahre alte Frau habe um Hilfe gerufen, dennoch habe er nicht aufgehört, heißt es in der Anklage. Er könne sich nicht an die ihm vorgeworfene Tat im Oktober 2024 erinnern, sagte der Angeklagte vor dem Siegburger Amtsgericht.

Der in Bonn wohnhafte Angeklagte war für eine Zeitarbeitsfirma tätig, in der Seniorenresidenz in Niederkassel-Mondorf war er am Tag der mutmaßlichen Tat zum ersten Mal. Bereits seit 2005 arbeite er in der Altenpflege, so der gelernte Maurer. Er verfüge über keine Ausbildung in dieser Branche, durch den enormen Personalmangel in der Pflege sei er als Pflegehelfer eingesetzt worden.

79-Jährige trug psychische Leiden davon

Eine 57 Jahre alte Mitarbeiterin der Seniorenresidenz, die dem Angeklagten an seinem ersten Arbeitstag Aufgaben zuwies, sagte als Zeugin aus. Zuerst habe sie eine inzwischen gestorbene Bewohnerin des Altenheims besucht, die der Angeklagte beim Duschen unterstützen sollte. Er habe auch ihren Unterleib gewaschen, ihres Erachtens etwas zu heftig, berichtete die Zeugin. „Ich hab’ ihn dann darum gebeten, aufzuhören, hat er dann auch gemacht.“

Danach gingen sie in das Zimmer der 79-Jährigen. Sie habe dem Angeklagten genau erklärt, was zu tun sei, sagte die Zeugin: Da die Seniorin Kompressionsstrümpfe trug, sollte er ihre Beine von den Knien abwärts eincremen. Da er bereits mehrere Jahre Erfahrung in der Pflegearbeit hatte, habe sie ihn dann gefragt, ob sie ihn allein lassen könne, um sich um die Bewohnerin des Zimmers gegenüber zu kümmern. 

Die Seniorin war bewegungseingeschränkt und auf den Rollstuhl angewiesen; zum Zeitpunkt des mutmaßlichen sexuellen Missbrauchs lag sie im Bett. Sie habe sich noch darüber gewundert, dass der Angeklagte zwischen zehn und 15 Minuten im Zimmer der Frau geblieben sei, obwohl das Eincremen der Beine sehr schnell gehen müsse, berichtete die Pflegehelferin.

Sie hat immer noch Albträume, weint noch viel. Wir haben die Hoffnung, dass sie sich ein bisschen fängt, wenn das hier vorbei ist.
Eine Mitarbeiterin der Seniorenresidenz

Er sei gleichzeitig mit ihr aus dem Zimmer gekommen, sie habe die Bewohnerin gegenüber geduscht. Dass die Seniorin nach eigener Angabe um Hilfe gerufen habe, habe sie unter anderem wegen laufenden Wassers nicht hören können. Am folgenden Tag habe die 79-Jährige ihr unter Tränen gesagt, was passiert sei.

Die 79-Jährige selbst sagte unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus. Zuvor habe die Seniorin ihr erzählt, dass sie schon als Kind sexuell missbraucht worden sei, teilte die Pflegehelferin mit. Der Vorfall belaste sie bis heute stark: „Sie hat immer noch Albträume, weint noch viel. Wir haben die Hoffnung, dass sie sich ein bisschen fängt, wenn das hier vorbei ist.“

Urteil vertagt: Siegburger Amtsgericht beruft psychologisches Gutachten ein

Der Angeklagte wurde noch am selben Tag von seinem Dienst in der Seniorenresidenz entlassen. Er erinnere sich weder an die Geschädigte noch daran, an diesem Tag in der Seniorenresidenz gearbeitet zu haben. Da die Aktenlage hier aber eindeutig sei, bestreite er dies nicht. 

„Er mag die Frau eingecremt haben, aber weist es vehement von sich, dass er ihren Intimbereich berührt hätte“, sagte sein Anwalt. Sollte er dies doch getan haben, dann habe er es nicht gemerkt. Seit Jahren sei sein Mandant in der Pflege tätig, es habe nie Probleme gegeben. 

Dass er laut Aktenlage zum Tatzeitpunkt alkoholisiert gewesen sein soll, bestritt der Angeklagte; auch der Pflegehelferin, die ihn begleitete, sei er an diesem Tag nicht auf diese Weise aufgefallen. Da er Diabetiker sei, könne bei starker Unterzuckerung Acetongeruch entstehen, der dem Geruch von Alkohol ähnlich sei, sagte sein Anwalt. Am Tag danach habe er jedoch stark alkoholisiert gewirkt, berichtete die Zeugin, sie habe ihn schwankend gehen und plötzlich weinen sehen.

Er konsumiere für gewöhnlich etwa einen Liter alkoholischer Getränke am Tag, sagte der 34-jährige auf Nachfrage der Richterin Julia Dibbert. „Das ist schon relativ viel“, sagte die Richterin. Ihre Frage, ob er schon einmal eine Therapie gemacht habe oder dies plane, verneinte der Angeklagte. Sein Mitbewohner achte auf seinen Alkoholkonsum, warf sein Anwalt ein.

Das Gericht entschied, vor einem abschließenden Urteil ein psychologisches Gutachten des Angeklagten anzufordern. Die Verhandlung wurde daher vorerst ausgesetzt, ein Haftbeschluss von Februar 2025 vorerst aufgehoben.