Der Gründer der Irrenheilanstalt auf dem Siegburger Michaelsberg gilt als Begründer der modernen Psychiatrie.
250. GeburtstagWie Maximilian Jacobi mit seiner „Irrenheilanstalt“ in Siegburg Medizingeschichte schrieb

Vor 200 Jahren gründete Maximilian Jacobi die Irrenheilanstalt auf dem Michaelsberg. Vor 250 Jahren wurde er geboren.
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Carl Wiegand Maximilian Jacobi meinte es gut mit seinen Patienten. So gut, dass vieles, was der berühmte Arzt seit 1825 auf dem Michaelsberg etablierte, auch 200 Jahre später noch sinnvoll scheint: vorbildliche Lebensführung von Arzt und Pflegepersonal, freundliche Gestaltung der Anstaltsräume, ein geregelter Tagesablauf mit Garten-, Haus- und Werkstattarbeit, Musik, Spiele und Erholung sollten dem Zustand der Kranken zuträglich sein.
All das setzte der gebürtige Düsseldorfer vor 200 Jahren, ab dem 1. Januar 1825, in der ersten Irrenheilanstalt der Preussischen Rheinprovinz um, in der ehemaligen Benediktiner-Abtei, die 1803 Opfer der Säkularisierung geworden war.
Die Wiege der modernen Psychiatrie steht in Siegburg
Auch wenn man heute nicht mehr von Irren spricht: Die Wiege der modernen Psychiatrie steht in Siegburg, dafür spricht einiges. Jacobi wurde vor 250 Jahren, am 10. April 1775, geboren. Der Siegburger Jacobi-Experte Franz Josef Wiegelmann arbeitet an einer großen Biografie, die im Oktober in den Siegburger Studien erscheinen soll.
„Der Prophet gilt wenig im eigenen Land“, das trifft Wiegelmann auch auf Jacobi zu. Seine Anstalt stand im Zentrum des weltweiten Fachinteresses, „nahezu alle berühmten Psychiater aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts haben bei Jacobi gearbeitet, geforscht oder ein Praktikum geleistet“, schrieb Wiegelmann 2008 in den Siegburger Blättern über den Arzt, der auch mit der Bonner Universität zusammenarbeitete.

Die Irrenheilanstalt auf dem Michaelsberg im 19. Jahrhundert.
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König Friedrich Wilhelm IV. verlieh ihm den Roten Adlerorden erst III., dann II. Klasse, woraufhin zahlreiche wissenschaftliche Gesellschaften im In- und Ausland gratulierten. Trotz allem: Bei den politisch Verantwortlichen der Rheinprovinz habe er nicht die gleiche Anerkennung erfahren. Niemand habe an Jacobis Kompetenz gezweifelt, Betriebsführung und hohe Kosten der Anstalt habe man aber als Überforderung gesehen.
Jacobi bezog religiöse Seelsorge in den Heilungsprozess mit ein, mit katholischen und evangelischen Geistlichen ebenso wie dem Rabbi der Siegburger Synagoge. Er selbst war Protestant und zählt zu den Mitbegründern der evangelischen Kirche in Siegburg.

Franz Josef Wiegelmann hat sich eingehend mit Maximilian Jacobi beschäftigt.
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Franz Josef Wiegelmanns Interesse an Jacobi rührt von seinem langjährigen Engagement für die Goethe-Gesellschaft Siegburg her, die bis vor zwei Jahren bestand und deren Geschäftsführer er war. Goethe verkehrte im laut Wiegelmann angesehenen und berühmten Elternhaus Jacobis, sein Vater war der Schriftsteller und Philosoph Friedrich Heinrich Jacobi. Den damals 17-jährigen Maximilian beschrieb Goethe als „ernst und hoffnungsvoll“. Wiegelmann schildert, Jacobi sei zeitlebens schwerhörig gewesen und habe Probleme gehabt, in größeren Runden auszumachen, wer gerade was sagte.
Den lieben Onkel Goethe um Taschengeld angepumpt
Goethe klärte mit dem Vater die Ausbildung des jungen Mannes in der Universität Jena und stellte ihm dort ein Bett zur Verfügung. Maximilian nannte ihn „lieber Onkel.“ Wiegelmann schreibt: „Er hatte auch keine Hemmungen, ebene jenen lieben Onkel Goethe ab und zu anzupumpen, wenn das väterliche Taschengeld auf sich warten ließe.“
Wiegelmann betont, es habe damals für die Patienten keine Psychopharmaka gegeben, „höchstens ein bisschen Opium“. Jacobi, stets auf der Suche nach einer somatischen Krankheit für eine Seelenstörung oder Geisteszerrüttung, verfiel so auf mitunter auf Heilmethoden, die heute eigentümlich wirken, etwa eine Behandlung der Schädeldecke mit einer quecksilberhaltigen Salbe. Das Verhalten der Patienten wurde auch in der Stadt registriert Ein Weg unterhalb der Abteifestigung, wird seit den Zeiten der Heilanstalt im Volksmund „Seufzerallee“ genannt.
So begabt Jacobi als Arzt war, so schwer tat er sich im Umgang mit Verwaltungen. Und so schön die Lage auf dem Berg auch war, hatte sie doch Nachteile: Schwer zugänglich sei sie gewesen, Wasser habe man Zisternen entnehmen werden. Nie wieder würde er eine Anstalt auf dem Berg bauen, habe Jacobi gesagt, die Lage sei einfach nicht ideal. Doch mehr als 10.000 Menschen wurden zwischen 1825 und 1878 behandelt. Selbst heute ist, was in Siegburg möglich war, keineswegs selbstverständlich. Wiegelmann bemerkt bitter, dass es heute noch zuverlässig Proteste gibt, wenn in einer Stadt eine forensische Klinik angesiedelt werden soll.

Alter Siegburger Friedhof an der Johannesstraße, Grab von Maximilian Jacobi
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Das Ende zeichnete sich ab, als die Provinzial-Regierung entschied, nicht mehr in die Anstalt zu investieren und Häuser in Grafenberg, Merzig, Andernach, Düren und Bonn zu bauen. Am 6. Januar 1875 wurde noch das 60-jährige Bestehen gefeiert, 1878 zogen die letzten 87 Patienten nach Düren. Jacobi war bereits am 18. Mai 1858 gestorben und wurde auf dem Friedhof an der Johannesstraße beigesetzt.
Franz Josef Wiegelmann ist am 10. April Referent des Siegburger Museumsgesprächs „Maximilian Jacobi zum 250. Geburtstag: Mediziner, Publizist und Menschenfreund“. Beginn ist im Stadtmuseum bei freiem Eintritt um 18.30 Uhr.