Tausende Hotels in ganz Europa fordern Schadensersatz von dem Reiseriesen. Booking sieht dafür keine Basis.
Streit um Bestpreis-KlauselMassenklage rollt auf Booking.com zu – „Missbräuchliche Praktiken“

Über 10.000 Konzerne fordern Schadensersatz von der Vermittlungsapp Bokking.com.
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Seit Jahren liegt Europas Hotellerie mit dem Internetriesen Booking.com im Clinch. Die Branche wirft dem größten Zimmervermittler unfaire Praktiken vor. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gegen die sogenannten Bestpreisklauseln sehen die Hoteliers ihre Chance gekommen: Mehr als 10.000 Betriebe wollen vor einem Amsterdamer Gericht Schadensersatz einklagen.
„Europäische Hoteliers haben lange unter unfairen Bedingungen und überhöhten Kosten gelitten“, sagt Alexandros Vassilikos, Präsident des europäischen Branchenverbands Hotrec. „Missbräuchliche Praktiken im digitalen Markt werden von der Hotellerie in Europa nicht hingenommen.“ Es geht um Schadensersatz für die Jahre 2004 bis 2024. Booking.com sieht für die Forderungen keine Grundlage. Der Konzern halte die kritisierten Klauseln weiter für rechtmäßig, heißt es in einer Stellungnahme.
Klausel soll Wettbewerb für Hotels eingeschränkt haben
Seit rund 15 Jahren streiten beide Seiten um die so genannte Bestpreisklausel, die auch bei anderen Vermittlungsplattformen wie HRS üblich war. Sie untersagte es den Hotelbetreibern, ihre Zimmer auf der eigenen oder anderen Internetseiten billiger anzubieten als bei Booking.com. Aus Sicht der Hotelverbände haben solche Klauseln die Preishoheit der Betriebe beschnitten, den Wettbewerb eingeschränkt und Direktbuchungen verdrängt. „Jetzt ist es an der Zeit, gemeinsam aufzutreten und Wiedergutmachung zu fordern“, sagte der Generaldirektor des italienischen Verbands Federalberghi, Alessandro Nucara.
Das Portal mit Hauptsitz in den Niederlanden und einer zweiten Zentrale in den USA kassiert Gebühren für seinen Service, die dann auch andere Preise hochtreiben - oder den Gewinn schmälern. „Booking ist ein sehr teurer Vertriebsweg, den ich als Hotelier aber nicht teurer anbieten durfte“, sagt Tobias Warnecke, Geschäftsführer des Hotelverbands Deutschland (IHA). Allerdings hob auch manches Hotel den Preis der Direktbuchung über Booking-Niveau - mit dem Argument, man dürfe nicht billiger sein.
Die Provision beginnt laut Warnecke bei 12 Prozent für weniger gefragte Gegenden, liege aber meist zwischen 15 und 20 Prozent. Für eine besonders gute Platzierung des Angebots auf der Booking-Seite seien es 25 Prozent. „Die Provisionen gehen zum Teil an die Substanz“, sagt Warnecke.
Klage in Amsterdam läuft bereits
Die Bestpreisklauseln hat Booking.com im vergangenen Jahr aufgegeben und das mit dem neuen EU-Digitalgesetz begründet. Dieser Digital Markets Act (DMA) unterwirft die größten Internetplattformen seit 2024 besonderen Regeln. Dass die Klauseln auch vorher schon rechtswidrig gewesen seien, wie der Hotelverband behauptet, bestreitet Booking.
Ein EuGH-Urteil vom vergangenen September, auf das sich die Hotelverbände berufen, habe sich mit der Frage überhaupt nicht befasst, sondern nur erklärt, dass Wettbewerbsrecht anwendbar sei, betont Booking. Die Richter urteilten, dass Plattformen wie Booking.com auch ohne solche Klauseln wirtschaftlich bestehen können.
Beide Seiten beharken sich seit Jahren vor verschiedenen Gerichten, eine Klage in Amsterdam läuft bereits. In Deutschland untersagte das Bundeskartellamt bereits 2013 dem Anbieter HRS die Praxis. 2015 folgten Verfahren gegen Booking.com und Expedia. Und 2021 entschied auch der Bundesgerichtshof, dass Bestpreisklauseln von Booking.com nicht mit dem Kartellrecht vereinbar seien. Booking habe aber immer nur so viel aufgegeben wie unbedingt nötig, sagte Warnecke dem RND: „Die Klauseln standen lange Zeit immer noch in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen.“
Über 10.000 Klagen auf Schadensersatz bereits registriert
Nach Angaben der Hotelverbände haben sich in den vergangenen Wochen mehr 10.000 Betriebe für die Sammelklage gegen Booking.com registriert. Wegen des großen Andrangs sei die Meldefrist bis Ende August verlängert worden. Im ersten Schritt gehe es um die Entscheidung in der Sache, erklärte Warnecke, danach dann - bei Erfolg der Kläger - um die Höhe des möglichen Schadensersatzes.
Für die Hoteliers ist die Eskalation des Konflikts nicht ohne Risiko, denn Booking.com ist ihr mit Abstand wichtigster Online-Vermittler. Zwar verweist der Konzern darauf, dass immer noch die Hälfte der Buchungen direkt über die Hotels laufe. Laut einer Studie von Hotrec und der Fachhochschule Westschweiz Wallis wurden 2023 europaweit aber schon 29,1 Prozent aller Übernachtungen über Onlineportale abgewickelt - und in diesem Segment halte Booking Holdings einen Anteil von 71 Prozent.
„Wir wollen Booking nicht als Partner verlieren“, sagt IHA-Geschäftsführer Warnecke. „Aber wir müssen auf Augenhöhe und zu einer fairen Partnerschaft kommen.“ Dazu gehöre auch, dass der Partner Geld verdiene, „aber nicht im Übermaß“. Nach seien Angaben hat es Verhandlungen über eine außergerichtliche Einigung gegeben, die jedoch gescheitert seien. Zur Sammelklage vor dem Amsterdamer Gericht sieht er aktuell keine Alternative: „Booking lernt nur, wenn es weh tut.“