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Fayssal HarchaouiDie harte Realität des Hochtalentierten vom 1. FC Köln

5 min
Testspiel: Fortuna Köln - 1. FC Köln 18.07.2025 Fayssal Harchaoui 1. FC Köln, 34 im Testspiel zwischen Fortuna Köln und dem 1. FC Köln, am 18.07.2025, Südstadion, Köln. *** Test match Fortuna Köln 1 FC Köln 18 07 2025 Fayssal Harchaoui 1 FC Köln, 34 in the test match between Fortuna Köln and 1 FC Köln, on 18 07 2025, Südstadion, Cologne Copyright: xBEAUTIFULxSPORTS/Meuselx

Gilt als großes Talent des 1. FC Köln: der 19-jährige Fayssal Harchaoui 

Fayssal Harchaoui wurde bei den Junioren Welt-, Europa- und Deutscher Meister. Doch der Weg zum FC-Profi ist steinig – und scheint derzeit für ihn sogar verbaut.

Ende Mai, die U 19 des 1. FC Köln war nach einem fesselnden 5:4 im Finale in Leverkusen gegen Bayer 04 gerade Deutscher Meister geworden, da hob Junioren-Erfolgstrainer Stefan Ruthenbeck im Interview mit dieser Zeitung einen seiner Spieler besonders hervor: Fayssal Harchaoui. Der 19-Jährige habe in der abgelaufenen Saison eine besondere Entwicklung hinter sich, habe sich nach anfänglichen Problemen zu einem „echten Leader“ entwickelt und als Bindeglied zwischen Defensive und Offensive die Spiele mitentschieden. Ruthenbecks Lob: „Fayssal hat noch einmal einen großen Sprung gemacht.“ Den größten von allen im Kader.

Ruthenbecks Einschränkung folgte prompt: Man müsse aber immer berücksichtigen, dass der Herrenfußball etwas ganz anderes als der Juniorenfußball sei. Wer im Jugendfußball funktioniere, der funktioniere noch lange nicht sofort in der 1. oder 2. Bundesliga. Es sei ein Prozess, den man durchlaufen müsse. Ruthenbecks Prognose war aber hervorragend: „Natürlich kann Fayssal den Sprung schaffen, das Potenzial dazu hat er auf jeden Fall“, sagte der Coach, dessen Meinung eigentlich von allen geschätzt wird, über Harchaoui. Der gebürtige Bergheimer ist beim 1. FC Köln nicht irgendwer, sondern ein Hochdekorierter: Junioren-Weltmeister, - Europameister und Deutscher Meister. Das vermeintliche Talente-Aushängeschild des Vereins und somit auch ein Vorbild für die noch jüngeren Spieler im Kölner Nachwuchs.

1. FC Köln: Nach Schnupperkurs bei Profis jetzt sieben Minuten in Liga vier

Rund zwei Monate später. Im Franz-Kremer-Stadion stehen sich die U 21 des FC und der SC Wiedenbrück in der Regionalliga West gegenüber. Nicht aber mit Harchaoui. Der drückt 83 Minuten lang die harte Ersatzbank. Als die Partie beim Stand von 3:0 längst entschieden ist, darf der Mittelfeldspieler noch sieben Minuten ran. Das ist derzeit seine bittere Realität im Männerfußball. Der Frust ist groß. Und die Geduld überschaubar. Man kann es irgendwie nachvollziehen.

Natürlich, die Saison ist noch ganz jung. Es kann sich schnell etwas an der Situation ändern. Doch derzeit spricht wenig dafür, dass sich an ihr etwas ändert. Und deshalb sind beim Spieler und seinem Umfeld schon Zweifel da. Aus Gründen.

Ganz zu Beginn der Vorbereitung hatte sich Harchaoui bei den Profis zeigen dürfen. Bis zum Trainingslager der Profis, denn dann wurde das Talent aussortiert und zur U 21 geschickt. Auch nach den Tagen von Bad Waltersdorf ist für den Mittelfeldspieler keine Rückkehr ins Team von Cheftrainer Lukas Kwasniok in Sicht. Der junge Mann wurde gewogen und offenbar für zu leicht empfunden. Im wahrsten Sinne, denn am Geißbockheim heißt es, dass der gebürtige Bergheimer körperlich und athletisch noch nicht in der Verfassung für Profi-Fußball sei. Manchmal drängt sich fast der Eindruck auf, als wäre derzeit nicht von Harchaoui, auf den die „ganze FC-Familie stolz“ war (O-Ton Ex-Geschäftsführer Christian Keller) die Rede, sondern von seinem weniger begabten Zwillingsbruder – den es freilich nicht gibt.

Fayssal hat einen großen Sprung gemacht und wurde zum echten Leader. Doch wer im Jugendfußball funktioniert, funktioniert noch lange nicht sofort in der 1. oder 2. Liga
Kölns U19-Trainer Stefan Ruthenbeck nach der Meisterschaft Ende Mai

Im Juni des vergangenen Jahres war Harchaouis Vertrag beim FC bis 2028 verlängert worden. Verbunden mit rosigen Worten und angeblich einigen Versprechungen. Man war glücklich im Verein über die weitere Zusammenarbeit, schließlich gab es beim FC nicht viel zu verkaufen. Eigentlich nur Schlechtes: den abermaligen Abstieg, die immer noch existierende Transfersperre. Letztere war auch einer der Gründe dafür, dass große Talente aus dem eigenen Nachwuchs wie Julian Pauli oder Damion Downs ins kalte Wasser geworfen wurden, die Chance in der 2. Bundesliga erhielten – und überzeugten.

02.12.2023, Fussball U-17-Weltmeisterschaft 2023, Finale: Deutschland - Frankreich, im Manahan Stadium Surakarta. Weltmeister Deutschland feiert den Titel nach dem Sieg im Elfmeterschiessen. v.li: Fayssal Harchaoui Deutschland und Justin von der Hitz Deutschland stolz mit dem WM-Pokal. *** 02 12 2023, Football U 17 World Cup 2023, Final Germany France, at Manahan Stadium Surakarta World champion Germany celebrates the title after winning the penalty shootout v li Fayssal Harchaoui Germany and Justin von der Hitz Germany proudly with the World Cup trophy

Wurden zusammen U17-Weltmeister: Fayssal Harchaoui (l.) und Justin von der Hitz, der den 1. FC Köln verlassen hat und seit dem 1. Juli beim 1. FC Nürnberg unter Vertrag steht.

Der 1. FC Köln hat eine Nachwuchsarbeit, die erfolgreich ist und landauf und -ab geachtet wird. Das NLZ bildete trotz jahrelang hoffnungslos veralteter Infrastruktur viele Spieler exzellent aus oder formte sie weiter, wenn sie später ans Geißbockheim kamen. So konnten gleich mehrere Spieler an die Profis herangeführt werden: Neben Pauli und Downs auch Tim Lemperle, Jonas Urbig, Max Finkgräfe, Justin Diehl, einst ein gewisser Florian Wirtz oder Justin von der Hitz, der mit Harchaoui Weltmeister geworden war.

Bis auf Pauli ist keiner mehr da.

Und bei dem Verteidiger, der zuletzt großes Verletzungspech hatte, wird offenbar über eine Ausleihe nachgedacht, damit er Spielpraxis sammeln kann.

Viele FC-Eigengewächse sind weg

Natürlich, niemals wird es einem Verein gelingen, alle oder fast alle seine Eigengewächse in die Profi-Mannschaft zu integrieren. Erst recht nicht, wenn man jetzt wieder ganz oben, in der Bundesliga, mitspielen darf und vermutlich um den Klassenerhalt kämpfen muss. Und junge Spieler wie Urbig, der eigentlich eine Torwart-Ära beim FC prägen sollte, und Torjäger Downs brachten dem FC auch beträchtliche Ablösesummen ein. Allerdings in Phasen, in denen man schon in der Sackgasse gesteckt hatte. Auch das gehört zur Wahrheit.

Harchaouis Beispiel verdeutlicht, wie beschwerlich und manchmal vollkommen verbaut der Weg in den Profifußball für große Talente aus den eigenen Reihen sein kann. Von den FC-Verantwortlichen, die gerade für ihre Transferpolitik viel Lob erhalten (in der Tat liefert der zupackende Sportdirektor Thomas Kessler derzeit ab und finalisiert einen externen Transfer nach dem nächsten), wollte sich auf Nachfrage keiner äußern. Man versuche, mit dem Spieler eine Lösung zu finden, heißt es, damit dieser die nächsten Schritte gehen könne. Beim FC sehen ihn die Verantwortlichen vorerst nicht. Ein Ausleihgeschäft wird angepeilt.

Doch noch muss Harchaoui Geduld aufbringen. Nicht einfach für einen 19-Jährigen. Erst recht nicht, wenn man sich auf dem Sprung zum Profifußball beim FC wähnte, weil man eben zuvor den größten Sprung von allen Talenten gemacht hätte.