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Trainer Lukas Kwasniok im Interview„Beim 1. FC Köln zu sein, ist der Jackpot“

Lesezeit 7 Minuten
Testspiel: Fortuna Köln - 1. FC Köln 18.07.2025 Lukas Kwasniok 1. FC Köln, Cheftrainer im Testspiel zwischen Fortuna Köln und dem 1. FC Köln, am 18.07.2025, Südstadion, Köln. *** Test match Fortuna Köln 1 FC Köln 18 07 2025 Lukas Kwasniok 1 FC Köln, head coach in the test match between Fortuna Köln and 1 FC Köln, on 18 07 2025, Südstadion, Cologne Copyright: xBEAUTIFULxSPORTS/Meuselx

FC-Trainer Lukas Kwasniok fördert und fordert seine Spieler.

Lukas Kwasniok, der neue Trainer des 1. FC Köln, spricht über die ersten Wochen beim Aufsteiger, über die Ziele und seine direkte Art.

Lukas Kwasniok, der neue Trainer des Bundesliga-Aufsteigers 1. FC Köln, ist ein Mann des Klartextes – und will seine Spieler auch mal nerven: „Akzeptanz durch Penetranz“, nennt dies der Coach. Auch im Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger nimmt der 44-Jährige kein Blatt vor den Mund.

Herr Kwasniok, wie oft haben Ihnen in den vergangenen Wochen Menschen gesagt, dass Sie in Köln Ihre Tonart anpassen müssen?

Gar nicht. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass ich mich in den ersten 14 Tagen anders verhalten habe als zuvor in Paderborn, Saarbrücken oder Jena. Meine Art der Ansprache ist ein Teil meiner Identität. Und es ist ja nicht so, dass ich immer gleich raushaue, was ich gerade denke. Ich halte mich sehr häufig zurück, das habe ich in der Vergangenheit auch getan. Aber wenn ich das Gefühl habe, dass es an der Zeit ist, etwas zu sagen, dann mache ich das. Ich kann es sowieso nicht jedem recht machen.

Ihre Ansprache ist ziemlich direkt. Das kann man erfrischend finden, für die Spieler dürfte es zeitweise hart sein.

Warum sollte ich eine Leistung schönreden? Man kann im Fußball schlecht spielen und gewinnen, trotzdem hat man dann schlecht gespielt und darf das auch sagen. Häufig wird aber vergessen, dass man auch wirklich gut spielen kann, ohne zu gewinnen. Köln hatte das zu Beginn der letzten Saison ziemlich häufig. Dann heißt es schnell, man würde Spiele schönreden. Dabei ist es nur die sachliche Analyse einer Leistung. Eine gute Leistung führt nicht zwangsläufig zu einem Sieg. Das ist das Bittere am Fußball und der große Unterschied zum Handball oder Basketball. Es ist ein Low-Scoring-Game, der Zufall spielt eine größere Rolle, als wir es manchmal wahrhaben wollen.

60 Prozent Ballbesitz im Basketball ergäben ein deutliches Resultat.

So ist es. Darum werde ich immer die Leistung beurteilen. Egal, wie die Meinung anderer ist. Wenn die Leistung schlecht ist, werde ich das allerdings auch sagen.

Wie hoch ist der Anteil des Zufalls im Fußball?

Das ist eines der meistunterschätzten Phänomene. Ein abgefälschter Schuss, ein strittiger Pfiff, ein Eigentor, ein Torwartfehler – wie oft solche Situationen Spiele entscheiden. Eine Rote Karte nach vier Minuten, weil ein Spieler einen Moment zu spät kommt. Das kann man als Trainer nicht beeinflussen. Es hilft aber aus Sicht des Trainers, wenn man sich darüber im Klaren ist. Man ist für alles verantwortlich. Aber man kann nur 50,60 Prozent beeinflussen.

Ist das nicht unerträglich für jemanden wie Sie, der sich von morgens bis abends den Kopf darüber zerbricht, wie man ein Fußballspiel unter Kontrolle halten kann?

Es gibt Tage, an denen es leichter zu akzeptieren ist. Wenn man eine Serie hat und trotz guter Leistungen kaum punktet, ist es schwierig. Aber acht Spiele Pech – das gibt es nicht. Wenn dann plötzlich die Ergebnisse stimmen, fragen sich alle, was der Trainer verändert hat. Die Antwort ist oft: nichts, er hat einfach genauso weitergemacht. Mir ist wichtig, dass eine Identität auf dem Platz zu erkennen ist. Wenn wir das durchziehen, werden wir gute Spiele machen.

Können Sie schon absehen, was möglich ist?

Unser Ziel muss sein, ans Maximum zu kommen. Wo dieses Maximum liegt, werden wir am 1. September wissen, wenn der Kader steht.

Nach dem Spiel bei Fortuna Köln haben Sie darauf hingewiesen, dass es bei manchem Spieler noch nicht beziehungsweise nicht mehr für die Erste Liga reicht. Wo verläuft da die Grenze – und wie definieren Sie die?

Wir haben jetzt Testspiele gehabt und ich habe mir die Spieler drei Wochen im Training angeschaut. Wenn jemand Probleme hat, auf läuferischer, technischer, taktischer Ebene, gegen einen Regionalligisten hervorzustechen – egal, wie der Vorbereitungszustand ist – müssen wir nicht um den heißen Brei reden. Dann gilt es, das den Spielern zu sagen und Konsequenzen zu ziehen. Ein Spieler verdient die Wahrheit.

Wenn jemand Probleme hat, gegen einen Regionalligisten hervorzustechen, müssen wir nicht um den heißen Brei reden. Dann gilt es, das den Spielern zu sagen und Konsequenzen zu ziehen. Ein Spieler verdient die Wahrheit.
Lukas Kwasniok

Daher Ihre Art der Ansprache.

Ich glaube, dass dadurch starke Menschen entstehen. Wir gehen in den Nachwuchsleistungszentren viel zu diplomatisch mit der heutigen Generation um. Wenn die Spieler dann in den Profibereich kommen, fühlen sie sich schnell vor den Kopf gestoßen. Wir reden von der absoluten Spitze, suggerieren aber jedem U16-Spieler, dass er es dorthin schaffen kann. In der Theorie ist das so, in der Praxis schaffen es nur ganz wenige. Denn die meisten scheitern eben genau an der Schwelle zum Profibereich.

Sie haben diese Spieler an der Schwelle zwischen Jugend- und Erwachsenenfußball dann irgendwann auf Ihrem Trainingsplatz.

Und dann ist es so: Die meisten Entscheidungen, die ich treffe, sind nicht positiv. Ich kann elf Spieler aufstellen, die sind dann zufrieden. In einem 25-Mann-Kader sind damit schon mehr als die Hälfte der Spieler unzufrieden. Von den ersten Elf kritisiere ich nach dem Spiel dann auch noch vier. Das ist dann doof (lacht). Aber natürlich ist es normal. Es gehört dazu, Bundesliga ist die absolute Elite.

Sie haben in den ersten Trainingswochen sehr viel kritisiert.

Wir haben den Ball wieder in den Mittelpunkt des Handels gestellt, das war eine Umstellung, die schon eine Herausforderung für die Jungs war. Dann kann ich hier nicht den Li-La-Launebär geben und sagen, wie großartig die Dinge sind. Die Jungs wollen umsetzen, sie haben Lust. Das merke ich und freue mich entsprechend, wenn es dann besser wird. Es ist aber auch so, dass negative Aussagen viel stärker in Erinnerung bleiben als positive. Ich persönlich glaube, dass ich sehr viel häufiger lobe als kritisiere. Aber ich werde ständig darauf angesprochen, dass ich viel kritisiere. Weil Kritik anders hängenbleibt als Lob.

Ich bin im Kommunismus aufgewachsen und geprägt worden. Bis zum 14., 15. Lebensjahr war ich sehr still und zurückhaltend, bis ich irgendwann verstanden habe, dass man hier frei sein kann.
Lukas Kwasniok

Können Sie beim Blick zurück ausmachen, seit wann Sie sind, wie Sie sind? Oder waren Sie schon immer so?

Ich war ein sehr zurückhaltendes, schüchternes Kind. Ich bin im Kommunismus aufgewachsen und geprägt worden und mit sieben Jahren nach Deutschland gekommen. Bis zum 14., 15. Lebensjahr war ich sehr still und zurückhaltend, bis ich irgendwann verstanden habe, dass man hier frei sein kann. Dem folgte aber auch eine Phase, in der ich viele Fehler gemacht habe, weil ich lernen musste, mit dieser Freiheit umzugehen. Ich war auch in dieser Phase schon klar in meinem Handeln. Zwar nicht immer wohlüberlegt. Aber konsequent. Das hat mich gelehrt, dass immer wieder eine Tür aufgeht, selbst wenn man falsche Entscheidungen trifft. Es gibt immer eine Lösung, für jedes Problem. Deswegen bin ich auch so entspannt in diesem Job. Nicht auf dem Platz. Aber im Umgang mit Niederlagen und damit, vielleicht nicht immer fair behandelt zu werden. Weil ich mir sage: Sollte es irgendwann nicht im Fußball weitergehen, mache ich eben was anderes.

Ohne konkreten Plan B?

Eines meiner Lieblingszitate heißt: Je genauer du planst, desto härter trifft dich der Zufall. Ich bin ohne Lizenz Fußballtrainer geworden, habe meine Frau nach acht Monaten geheiratet, bin früh Vater geworden. Das war alles nicht geplant. Man muss bereit sein, sich auf Situationen einzustellen. Aktuell ist es eine fantastische Konstellation, bei einem Bundesligisten wie dem 1. FC Köln Trainer sein zu dürfen. Das ist der Jackpot. Ich freue mich extrem auf die Zeit hier und habe nicht die Sorge wie es irgendwann weitergeht.

Wenn Sie sagen, dass man schlecht spielen, und trotzdem gewinnen kann: Was macht guten oder schlechten Fußball aus?

Diego Simeone würde das anders definieren als Pep Guardiola, weil die Stile unterschiedlich sind. Für mich sind Merkmale für guten Fußball Positionsrochaden, dauerhafte Aktivität, Dynamik im Spiel. Ich mag keine lahmen Spiele. Wenn ein Ball ins Aus geht, geht man nicht zum Einwurf. Man läuft. Abstöße schnell ausführen, Tempo reinbringen. Ich mag keine Pausen. Deswegen fordere ich die Jungs dazu auf, dauerhaft aktiv zu sein. Das ist reine Fleißarbeit. Wenn man zum Torwart zurückspielt und dem ein Angebot machen will, damit er den Ball nicht pöhlen muss, muss ich mich dynamisch freilaufen. Wenn ich das hinbekomme, kann ich einen guten Ball spielen.

Fleiß spielt in Ihrem Denken über Fußball eine große Rolle.

Ja, und damit meine ich nicht, dreimal täglich in die Eistonne zu gehen. Ich meine Fleiß in Form von dauerhafter geistiger und körperlicher Aktivität. Ich will so bei den Jungs in den Kopf kommen, dass es keine mehr Standpausen gibt. Es gibt so viele gute Spieler – und trotzdem ist es nicht einfach für sie. Da muss ich eben nerven. Akzeptanz durch Penetranz.

Was sind die Erfolgsfaktoren im Fußball? Erkennen Sie Muster?

Bei Traditionsvereinen gibt es ganz klare Muster. Es gibt Gründe, warum kleine Vereine den Traditionsvereinen den Rang ablaufen. Und das wird noch öfter passieren. Elversberg, Heidenheim, Paderborn, Kiel. Die Klammer ist: Man weiß, wo die Macht sitzt? Ganz genau. Bayern München ist groß geworden, als drei Menschen gesprochen und entschieden haben. Borussia Dortmund mit Watzke, Zorc und Klopp. Es ist immer so. Dazu muss man bereit sein in einem Traditionsklub. Dazu braucht es klare Strukturen und Hierarchien. In der Kommunikation nach außen. Aber auch in der Entscheidungsgewalt nach innen.

Wie viele Leute braucht es operativ? Nun sind Sie und Thomas Kessler noch sehr jung, Sie könnten beim FC also eine Ära prägen.

In Bezug auf Entscheidungsgewalt ist weniger mehr. Thomas Kessler ist einer der Gründe, aus denen ich mir vorstellen kann, dass wir erfolgreich sein werden. Aber: Wir arbeiten seit zwei Wochen zusammen, und hier wird schon von einer Ära gesprochen (lacht). Ich freue mich auf die Zusammenarbeit. Alles andere sehen wir ab dem ersten Spieltag. Dann wird es interessant.