Bayer-KommentarMit Supertalent alleine wird Leverkusen seine Ziele verfehlen

Bayer-Trainer Seoane mit seinem Schützling Florian Wirtz.
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Leverkusen – Wer sich aus dem großen Eintopf der Bundesliga-Hinrunde nur das Passende herausfischt, kann im Abschneiden von Bayer 04 Leverkusen eine Erfolgsgeschichte sehen. Das gepriesene Talent hat sich in allen Mannschaftsteilen weiter entwickelt. Florian Wirtz ist einer der spektakulärsten 18-Jährigen der Fußball-Welt, Patrik Schick hat den Durchbruch zum Top-Torjäger geschafft. Vor einem Jahr noch völlig unbekannte Spieler wie Piero Hincapie und Jeremie Frimpong überzeugen Woche für Woche durch Konstanz und Rasanz. Das Saisonziel Platz vier ist exakt erreicht worden. Mit oft spektakulärem Fußball. Voilà. Das Leben ist schön.
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Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Zur anderen Hälfte gehört: In den letzten neun Partien der Vorrunde - also mehr als der Hälfte der Spielstrecke - hat Bayer 04 nur drei Siege geholt. Mehrfach wurden Spiele, in denen die Mannschaft dominierte, fahrlässig aus der Hand gegeben. Die Diskrepanz zwischen offensiver Spiellust und fehlender Verteidigungsgier war teilweise atemberaubend. Ein Lernprozess, wie ihn die junge Mannschaft selbst von sich zu erwarten vorgibt, war vor allem am Ende der Vorrunde nicht zu erkennen.
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Deshalb hat Leverkusen die Chance verpasst, die vermeintlichen Konkurrenten im Kampf um einen Champions-League-Platz, noch weiter zu distanzieren, obwohl sie in schweren Krisen stecken. Deshalb steht das Team mit einem geschätzten Marktwert von 400 Millionen Euro hinter dem SC Freiburg und beispielsweise nur drei Punkte vor dem 1. FC Köln, der noch vor wenigen Monaten mit einem Bein in der Zweiten Liga stand. Deshalb beginnt die Bundesliga-Saison am 8. Januar für die Werkself praktisch bei null. Und die Herausforderungen werden nicht abnehmen.
Die Gewissheit, dass der Marktwert des Kaders durch das extreme Talent seiner Spieler weiter wachsen wird und irgendwann der nächste Mega-Transfer vor der Tür steht, hilft Trainer Gerardo Seoane in der Alltagsarbeit nicht. Er muss seine jungen Stars zum viel beschworenen Lernprozess außerhalb ihrer fußballerischen Wohlfühlzonen zwingen. Gelingt das, wird man in knapp einem halben Jahr von einer Erfolgsgeschichte der Saison 2021/22 sprechen. Wenn nicht, dann vom Gegenteil.