Erik ten Hag, neuer Trainer von Bayer 04, spricht über den Leverkusener Umbruch, die drei Säulen seiner Fußball-Philosophie und die Titelhoffnungen des Werksklubs.
Neuer Bayer-04-TrainerTen Hag: „Ich muss die Spieler inspirieren“

Erik ten Hag, der neue Trainer bei Bayer 04 Leverkusen.
Copyright: Jörg Schüler/Bayer 04
Herr ten Hag, seit dem Trainingsauftakt in Leverkusen ist viel passiert, jetzt arbeiten Sie mit der Mannschaft in Brasilien – wie ist Ihr Eindruck vom Verein, der Mannschaft und dem Trainingslager?
Am Anfang waren natürlich noch nicht so viele Spieler dabei, aber der frühe Start war gut, weil die Pause für die Nicht-Nationalspieler ein bisschen zu lange war. Wir haben die Mannschaft mit Spielern aus der U19 ergänzt – ich schätze den Nachwuchs und will sehen, welche Talente wir haben. Das hat gut funktioniert, auch die Zusammenarbeit von Trainerteam und Staff hat wunderbar geklappt. Jetzt sind wir in Brasilien und fast alle Spieler sind dabei. Das ist sehr gut.
Welche Art Fußball wollen Sie in Leverkusen spielen lassen?
Meine Philosophie passt sehr gut zu der von Bayer Leverkusen. Ich sage immer, dass drei Säulen wichtig sind. Der Spieler muss Chef mit dem Ball sein, aber wir müssen auch mutig in der Abwehr sein und gegen den Ball verteidigen. Die zweite Säule ist die Intensität mit Prinzipien und Regeln in den wichtigen Momenten und in der Organisation. Die dritte ist Teamgeist und die richtige Gruppendynamik. Jeder muss seine Rolle kennen und sie akzeptieren, damit wir eine Truppe sind, die zwar angreift, aber auch die Tür nach hinten zu macht. So sind wir schwer zu besiegen, das sollte unsere Ausstrahlung sein.
Mit welcher Formation kann man Ihren Fußball am besten umsetzen? Sie haben früher häufig mit Viererkette gespielt…
Das System ist nur ein Status, wenn das Spiel anfängt und die Spieler auf einem Zettel stehen. Aber wenn der Ball erstmal in Bewegung ist, dann ändert sich alles. Natürlich geht es um die Raumaufteilung im Ballbesitz und darum, dass wir gegen den Ball kompakt stehen müssen und Abläufe verinnerlicht haben müssen, um den Gegner unter Druck zu setzen. Man braucht eine Grundordnung, klar, die werden wir auch haben. Dabei ist wichtig, welche Spieler verfügbar sind, welche Qualitäten wir einsetzen können und auch, was die DNA des Vereins ist. Letztendlich geht es um zwei Sachen: Wir wollen erfolgreich sein und den Fans etwas bieten.
Der Umbruch im Kader ist gewaltig, auch Spieler, die noch hier sind, haben zuletzt immer wieder angedeutet, dass sie sich noch einen Wechsel vorstellen können. Wie denken Sie darüber?
Ja, es ist ein großer Umbruch. Der Trainer ist gegangen und auch wichtige Spieler – in Florian Wirtz sogar ein sehr wichtiger Spieler, der sehr viel Einfluss auf den Angriffsfußball von Bayer 04 hatte. Wir werden aber eine starke Mannschaft präsentieren, der Verein hat alles im Griff. Die Spieler sind hier unter Vertrag, teilweise auch noch sehr lange. Wir wollen eine erfolgreiche Mannschaft haben und dafür brauchen wir gute Spieler, ein gutes Management und einen guten Staff. Ein paar gute Spieler haben wir schon verpflichtet, sie werden sicher zum künftigen Erfolg beitragen. Natürlich ist es nötig und auch der Plan, den Kader noch weiter zu verstärken.
Sind Sie in dieser Phase vor allem als Motivator gefragt, damit die abwanderungswilligen Spieler mitziehen und von dem gemeinsamen Projekt in Leverkusen überzeugt sind?
Ich muss inspirieren, das ist klar. Sie müssen daran glauben, dass wir wieder Erfolg haben werden. Aber wie gesagt: Wir sind mittendrin in der Transferphase. Wir wollen, dass alle Spieler, die jetzt hier sind, auch hierbleiben.
Granit Xhaka ist einer der Spieler, die darüber nachdenken, ob sie bleiben oder nicht. Er hat lukrative Angebote vorliegen. Wie planen Sie mit ihm? Ist er Ihr Führungsspieler?
Granit soll bleiben, ganz klar. Er ist ein sehr wichtiger Bestandteil der Mannschaft und steht noch lange unter Vertrag hier.
Er soll ein bisschen verärgert gewesen sein, dass Sie ihn nicht direkt angerufen haben, nachdem klar war, dass Sie der neue Trainer von Bayer 04 werden. Haben Sie das mitbekommen?
Wir haben telefoniert und ich lerne ihn jetzt kennen. Grundsätzlich lasse ich die Spieler in Ruhe, wenn sie Urlaub haben. Wir arbeiten die ganze Saison sehr intensiv zusammen – und wenn sie mit ihrer Familie oder Freunden unterwegs sind, werde ich sie nicht stören. Wenn es wichtig ist oder jemand mich braucht, stehe ich immer zur Verfügung. Was das angeht, habe ich keinen Urlaub.
Haben Sie schon entschieden, wer Kapitän wird?
Nein. Aber mit Lukas Hradecky haben wir einen guten Kapitän.
Neben Kapitän Hradecky gibt es Zehn-Millionen-Euro-Zugang Mark Flekken im Tor. Haben Sie schon eine Rollenaufteilung im Kopf?
Die Philosophie von Bayer 04 ist da ganz klar. Ein Top-Verein braucht mindestens zwei gute Torhüter. Es geht nicht nur mit einem. Wir haben zwei sehr gute Torhüter. Das freut mich sehr.
Sind Sie ein Verfechter von einer klaren Nummer eins und einem Ersatzkeeper oder sind Sie jemand, der sagt, im Tor kann man auch öfter mal wechseln?
Das kann ich jetzt noch nicht beantworten. Es geht immer darum, was für das Team am besten ist. Das ist mir in meiner Führungsrolle wichtig: Womit sind wir erfolgreich? Bisher hatte ich in meinen Mannschaften meistens eine klare Nummer eins. Das kann auch hier so sein. Aber es ist immer ein interner Konkurrenzkampf.

Erik ten Hag im Trainingslager in Rio de Janeiro bei der Arbeit
Copyright: Jörg Schüler/Bayer 04
Haben Sie eine Wunschliste, wo das Team noch Verstärkung braucht?
Wir haben zwei gute Torhüter, wir haben in Boniface und Schick zwei gute Stürmer. Wir haben auch noch viele andere gute Spieler. Aber wir haben auch noch Baustellen. Das ist eindeutig. Wir sind nach wie vor auf der Suche nach sinnvollen Verstärkungen.
Zum Beispiel auf der rechten Außenbahn…
Ich werde nicht auf Positionen eingehen. Aber wir brauchen noch ein paar Spieler.
Wie viele Zugänge sollen es noch werden?
Solche Planungen sind immer dynamisch.
Sie waren Trainer von einem der größten Vereine der Welt, Manchester United. Wie blicken Sie auf diese Zeit zurück?
Ich blicke aktuell gar nicht zurück. Ich schaue nur nach vorne. Es geht nur um Bayer Leverkusen. Wenn ich meine Karriere beende, werde ich vielleicht mal darüber reden, aber jetzt fokussiere ich mich nur auf Bayer Leverkusen.
Worauf freuen Sie sich bei Bayer 04 am meisten?
Wir starten alle bei Null. Wir wollen erfolgreich sein. Von Tag eins an muss man darum kämpfen. Das kann man nie allein erreichen, wir wollen das gemeinsam schaffen.
Was ist bei Ihnen so ein No-Go? Womit kann es sich ein Spieler bei Ihnen richtig verscherzen?
Ich will Professionalität. Die Spieler bekommen Autonomie, aber ein professioneller Spieler weiß, was eine professionelle Einstellung ist. Wenn wir erfolgreich sein wollen, muss jeder hart arbeiten, einen Plan verfolgen. Fußball ist ein Mannschaftssport, jeder muss eine Verantwortlichkeit spüren und Leistung abliefern.
Sowohl Simon Rolfes als auch Sie haben bereits über Titelansprüche gesprochen. Ist das bereits ein realistisches Ziel für Ihre erste Saison oder ist das etwas, das erst aufgebaut werden muss?
Schwer zu sagen. Ich weiß noch nicht, wie stark die Konkurrenz ist. Ich weiß auch noch nicht, wie stark wir sind. Es ist zu früh. Wir müssen schauen, wie es die nächsten Wochen und Monate anläuft, dann wird man ausführlicher darüber sprechen können.