Nach einem Fan-Boykott stehen beide Vereine wegen umstrittener Polizeikontrollen im Mittelpunkt. Sie reagieren unterschiedlich.
Nach BoykottBayer 04 und 1. FC Köln wählen unterschiedliche Wege mit ihren Ultras

Die Ultras von Bayer Leverkusen zünden vor dem Anpfiff Pyrotechnik.
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Simon Rolfes lief am späten Samstagabend (13. Dezember) mit etwas bedrückter Miene durch die Gänge der Bay-Arena. Was nach einem 2:0-Erfolg seiner Leverkusener im Bundesliga-Derby gegen den 1. FC Köln durchaus verwunderte. Dass die Laune des Sportgeschäftsführers von Bayer 04 gelitten hatte, lag nicht an den etwas lahmen, aber erfolgreichen 90 Minuten, sondern vielmehr an dem, was vor dem Anpfiff passiert war. „Es ist bedauerlich, dass die beiden Fangruppen nicht hier waren. Ich hätte nicht gedacht, dass unsere Fans sich mit den Kölnern solidarisieren“, zeigte sich Rolfes enttäuscht.
Was war passiert? Rund eine Stunde vor dem Anpfiff hatte die rund 500 bis 600 Mitglieder umfassende aktive Fanszene des 1. FC Köln mit den Ultras als Vorreitern am Eingang des Gästebereichs kehrt gemacht und auf einen Besuch des Spiels in der Nachbarstadt verzichtet. Ein Fan soll auf der Polizeiwache zu gründlich kontrolliert worden sein. Die Polizei bestritt, dass es sich um eine „Nacktkontrolle“gehandelt habe, über die der X-Account „Kölner Fanhilfe“ berichtet hatte, bestätigte aber den Fund einer „passiven Waffe“.
In einer Stellungnahme der Polizei vom Sonntag hieß es, ein Mann sei im Gästebereich wegen versuchten Zutritts ohne gültiges Ticket überprüft worden. Bei dem 24-Jährigen seien bei einer oberflächlichen Durchsuchung nach Ausweispapieren im Bereich der Hosentasche verdächtige Gegenstände ertastet worden. Nach Aufforderung, diese hervorzuholen, habe der Mann seine Hose ausgezogen und den Beamten einen Zahnschutz sowie zwei Bandagen übergeben, die er in seiner Unterhose mitgeführt habe. Auch eine weitere Person sei vom Ordnungsdienst von Bayer Leverkusen, der für die Einlasskontrollen ins Stadion zuständig ist, wegen eines Zutrittsversuchs ohne Ticket an die Polizei übergeben worden. Die Person sei oberflächlich durchsucht worden, wobei eine Sturmhaube gefunden worden sei. Gegen beide Personen wurden Anzeigen wegen Erschleichens von Leistungen eingeleitet. Zudem sollen Kölner Fans Schlauchschals abgenommen worden sein, weil diese zur Vermummung hätten dienen können. Die Kölner Ultras werteten das Vorgehen als unangemessen und traten den Heimweg an.
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Banner mit Schmähbotschaft
Was Rolfes sauer aufstieß, war die Reaktion der Leverkusener Ultras, die bereits in der Nordkurve ihre Stehplätze eingenommen hatten. Unmittelbar vor Anpfiff solidarisierten sich die Leverkusener Fans mit den Kölnern. Sie rollten ihre Banner und Fahnen ein, zündeten beim Einlaufen der Mannschaften noch eine Reihe Bengalos, verzichteten aber auf jegliche Unterstützung. Nach einigen Spielminuten entrollten die Leverkusener Ultras ein Spruchband mit einer Schmähbotschaft in Richtung von Ayhan Goevercin, dem Sicherheitschef von Bayer 04, ehe sie die Tribüne verließen und sich im Umlauf der Arena versammelten. Noch während der Partie, die unter den Augen von NRW-Innenminister und Bayer-04-Fan Herbert Reul stattfand, gaben beide Klubs Statements ab. „Da war dieses Gerücht irgendwelcher Kontrollen, die es aber nicht gab. Wenn dann welche davon gehen, dann kann ich auch nichts dafür“, sagte Rolfes später. Und Bayer-04-Boss Fernando Carro ergänzte: „Man sollte in unserem Land schon der Polizei vertrauen.“
Ohne die beiden Taktgebergruppen in den Kurven ließ die Stimmung über die gesamte Spieldauer zu wünschen übrig – das werteten zumindest die Kölner Offiziellen so. „Es war insgesamt einfach eine komische Stimmung im Stadion, und ich fand, das hat sich in der ersten Halbzeit auch ein Stück weit auf das Spiel niedergeschlagen“, sagte Kölns Sportdirektor Thomas Kessler am Tag danach im Sport1-Doppelpass. Dass Rolfes die Stimmung als „super“ bewertete, nutzte Kessler für einen Seitenhieb gegen den Rivalen: Rolfes habe das „wahrscheinlich aus der Erfahrung“ heraus gesagt, „dass es bei denen jede Woche so ist, wenn wir nicht da sind“.
Rolfes sagte das aber eher, um dem harten Kern der Nordkurve ein Zeichen zu senden. Denn zwischen der Leverkusener Fanszene und dem Klub schwelt schon seit Wochen ein Disput. Es geht dabei vor allem um die Wahrung der Fankultur in der Bay-Arena – auch für Gästefans. Schon beim Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach im September waren rund 200 Ultras lange vor dem Anpfiff wieder aus Leverkusen abgereist, weil sie eine angemeldete Zaunfahne nicht mit ins Stadion nehmen durften. Bei der Partie gegen Borussia Dortmund vor rund zwei Wochen war die Verbotspolitik von Bayers Sicherheitsdienst noch einmal verschärft worden: Schwenkfahnen und Doppelhalter wurden verboten. Die Dortmunder Ultras hatten sich dennoch für einen Besuch des Spiels entschieden. In der Nordkurve solidarisierte sich die Leverkusener Fanszene während der Partie mit einer kleinen Choreografie, präsentierte weiße Kreuze auf schwarzem Grund und ein Spruchband: „Bayer 04 Sicherheit – Totengräber der Fankultur.“
Sicherheitschef Goevercin gilt als Hardliner, hat intern aber wohl auch schon Hinweise bekommen, nicht zu übertreiben. Doch Rolfes und Carro gelten ebenfalls nicht als Freunde der Ultrakultur, wollen sich von den selbst ernannten Chefs der Kurve nicht treiben lassen. Zu einem Gespräch, um die Vorkommnisse vom Köln-Spiel aufzuarbeiten, soll es in dieser Woche jedenfalls nicht kommen. In Köln setzt man hingegen auf das Mittel des Dialogs. „Darüber werden wir definitiv sprechen. Wir haben nächste Woche eine Sitzung mit unserem Vorstand gemeinsam mit dem e. V., die natürlich auch viel in diesen Fan-Themen und Mitglieder-Themen involviert sind“, sagte Thomas Kessler. Er könne sich jedenfalls „nicht vorstellen, dass unsere aktive Fanszene sich in den Bus nach Hause setzt, wenn es nur um Gerüchte geht“.


