Der Bundestrainer fühlt sich angesichts der missgestimmten Zuschauer an „Hyänen“ erinnert, dabei waren die Leute nur frustriert vom schlechten Spiel.
Pfiffe im StadionNagelsmanns Attacke auf das Kölner Publikum geht daneben


Julian Nagelsmann auf der Pressekonferenz im Kölner Stadion nach dem Sieg über Nordirland
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Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat ein Spiel gewonnen. Das ist zwar trotz zuletzt dreier Niederlagen in Serie nach wie vor keine Sensation. Doch mit dem Gewinnen hat die DFB-Elf derzeit ihre Schwierigkeiten. Und auch der Erfolg im Heimduell mit Nordirland schürte nur bedingt die Hoffnungen, dass die Talsohle durchschritten ist.
Personell wie taktisch hatte Julian Nagelsmann im Rahmen des Möglichen umfassend reagiert; allein in der Abwehr nahm er vier Veränderungen vor. Pascal Groß und Joshua Kimmich agierten vor einer Fünferkette – damit blieb nur Platz für drei echte Angreifer, wenngleich Jamie Leweling auf der rechten Schiene stark auftrat und die Herzen des Publikums gewann. Anders als David Raum, der links offensiv wie defensiv arg bieder auftrat.

Florian Wirtz erweitert die Geschichte seiner fußballerischen Ausnahmemomente um ein weiteres Kapitel. Sein Freistoßtor zum 3:1 war ein Wunder.
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Die Deutschen hatten also ein ziemliches Bollwerk aufgeboten, und weil Florian Wirtz und Serge Gnabry viel zu oft draußen auf dem Flügel vereinsamten, statt im Halbraum eingebunden zu sein, belästigte die Mannschaft das Publikum im nicht ausverkauften Stadion mit schier endlosem Ballgeschiebe.
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Kaum etwas lief zusammen, und das, obwohl Nick Woltemade in seiner einzigen wirklich zählbaren Aktion dieser Länderspielphase schon früh Gnabrys 1:0 aufgelegt hatte.
Es war ein Stabilisieren auf niedrigem Niveau; der viermalige Weltmeister stand daheim gegen Nordirland mit dem Rücken zur Wand und spielte auch so. Eine weitere Pleite hätte der Diskussion auch um den Bundestrainer noch einmal Schwung gegeben. Das Kölner Publikum pfiff die deutsche Mannschaft zur Pause intensiv aus. Das schien dem Klischee des Rheinländers zu widersprechen, der noch aus jedem Gruselkick eine Karnevalsveranstaltung macht. Doch der hiesige Fußballfan merkt schnell, wenn man ihn um eine gute Leistung betrügen will.
Die Leute feuerten die Mannschaft umso inbrünstiger an, als Julian Nagelsmann nach einer Stunde den Vorwärtsgang fand. Da hätte der DFB-Coach nicht den ganz weiten Bogen schlagen und eine Gesellschaft skizzieren müssen, in der die Leute „wie die Hyänen im Busch sitzen“ und warten, bis sie „jemanden beißen können“. Das war metaphorisch schräg und inhaltlich daneben. In Wahrheit hatten sich die Leute danach gesehnt, etwas beklatschen zu können – und während der Wartezeit schlicht die Geduld verloren.
Doch als Florian Wirtz, der Superstar aus der Nachbarschaft, den Ball zum 3:1 ins Tor zauberte, war die Versöhnung bereits vollendet. Fußballfans mögen langfristig sagenhaft nachtragend sein. Doch kurzfristig sind sie jederzeit bereit, zu verzeihen. Das hätte der Bundestrainer lobend erwähnen können, statt von Hyänen zu schwätzen.
Sportlich immerhin hat Julian Nagelsmann nun wieder ein wenig Boden unter den Füßen, wenngleich ein hart erkämpftes 3:1 über Nordirland kaum gleichzusetzen ist mit der Wende. Die Partie befördert Deutschland nicht zurück in den Kreis der WM-Favoriten. Doch immerhin sind die Sorgen um die Qualifikation spürbar kleiner geworden.