Das neue Unternehmen wird im Rechtsrheinischen sitzen. Das Ziel: Ein neues Bodenkampfsystem für Deutschland und Frankreich entwickeln.
Grünes Licht vom KartellamtNeuer Kampfpanzer der Bundeswehr wird in Köln-Mülheim entwickelt

Soldaten der Bundeswehr mit dem Kampfpanzern Leopard 2 (rechts) und dem Schützenpanzer Puma während der Nato-Übung Quadriga 2024 in Litauen.
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Seit vielen Jahren ringen Deutschland und Frankreich um einen gemeinsamen Kampfpanzer. Die Bundeswehr sucht einen Nachfolger für den Leopard 2, das französische Heer will seinen Panzer namens Leclerc in Rente schicken. Nicht weniger als das Kampfsystem der Zukunft ist im gemeinsamen Rüstungsvorhaben Main Ground Combat System (MGCS) gefragt – es soll dabei helfen, Deutschland kriegstüchtig zu machen und auf militärische Bedrohungen kommender Jahrzehnte vorzubereiten. Unmittelbar vor dem Friedensfest Ostern wurde nun entschieden: Köln nimmt bei der Entwicklung eines neuen Kampfpanzers der Armeen Deutschlands und Frankreichs eine zentrale Rolle ein.
Industrielle Verteilungskämpfe
Vor einem Jahr hatten Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und sein französischer Amtskollege Sébastien Lecornu eine Absichtserklärung für die gemeinsame Entwicklung eines Bodenkampfsystems unterzeichnet. Davor standen industrielle Verteilungskämpfe, die zu jahrelangen Verzögerungen und Spannungen zwischen Berlin und Paris und den beteiligten Rüstungsunternehmen geführt hatten. Das MGCS wurde schon 2012 auf den Weg gebracht. 2018 wurde von den damaligen Verteidigungsministerinnen die erste Absichtserklärung dazu unterschrieben. Auf diversen Messen wurden schon einzelne Komponenten des „Euro-Panzers“ gezeigt.
In der Vergangenheit setzten die zwei Nationen auf eigene Panzer – und darauf, sie an andere Nato-Partner zu verkaufen. Darin ist Deutschland traditionell führend. Schon der Kampfpanzer Leopard I wurde von diversen Armeen eingesetzt. Der Leopard II gilt sogar als kommerziell erfolgreichster Panzer der Welt, der neben der Bundeswehr auch von den Heeren Österreichs, der Schweiz, der Niederlande, Kanadas und nordischer Staaten eingesetzt wird.
Deutsche und Franzosen wollen mit neuen Panzern Konkurrenz überwinden
Auch die Franzosen erhofften sich Exporterfolge, um die hohen Entwicklungskosten auf eine größere Stückzahl verteilen zu können. Dies gelang aber nur mäßig, einziger Auslandskunde des Leclerc blieben die Vereinigten Arabischen Emirate.
Bei der nächsten Panzergenerationen wollen Deutsche und Franzosen diese Konkurrenz überwinden und am gemeinsamen Panzersystem MGCS arbeiten. Der Waffenhersteller KNDS, der 2015 aus der Fusion des deutschen Unternehmens Krauss-Maffei Wegmann mit seinem französischen Konkurrenten Nexter hervorging, ist an MGCS mit den jeweiligen Landesgesellschaften ebenso beteiligt wie der Düsseldorfer Rüstungsriese Rheinmetall und der französische Konzern Thales.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (rechts, SPD) und der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu unterzeichneten vor einem Jahr eine Absichtserklärung, ein gemeinsames Kampfpanzersystem zu entwickeln.
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Die Absichtserklärung der Verteidigungsminister regelte endlich auch die lange umstrittene Aufgabenverteilung: Das Projekt mit einem geschätzten Volumen von 100 Milliarden Euro wird entlang von acht Säulen entwickelt. In jeweils zwei davon haben Deutschland und Frankreich die Führung.
Deutschland verantwortet das Fahrgestell und die automatisierte Navigation sowie die Drohnenabwehr, Frankreich wiederum hat die Führung bei der Sekundärbewaffnung mit beispielsweise Lenkflugkörpern und ist auch für die Sensorik verantwortlich. Die anderen vier Säulen, darunter zum Beispiel die Kanonen- und Kommunikationssysteme, sollen gemeinsam koordiniert werden.
Eine ganze Panzerfamilie
Das MGCS ist dabei nicht ein Kampfpanzer-Modell, sondern beinhaltet – wie heute der Leopard – eine ganze Panzerfamilie. Auf ein identisches Chassis können diverse Kanonen, Geschütze oder sonstige Waffensysteme aufgebaut werden. Außerdem soll der neue Euro-Panzer im Verbund mit Drohnen und anderen unbemannten Panzern im Einsatz sein, vieles davon ist heute noch Zukunftsmusik.
Im Januar nahm das Panzerprojekt die nächste Hürde, erneut bei einem Treffen von Pistorius und Lecornu in Paris. Dort unterzeichneten die beteiligten Unternehmen Rheinmetall, KNDS Deutschland, KNDS Frankreich und Thales im Beisein der Verteidigungsminister einen Gesellschaftervertrag über die Gründung der MGCS Project Company GmbH. Der Unternehmenssitz: Köln.
Sechs Tage nach Kartell-Entscheidung startet MGCS Project Company GmbH
Am 4. April meldete das Bundeskartellamt schließlich grünes Licht für das Joint Venture der Wettbewerber. „Die geopolitische Lage wirkt sich unmittelbar auf die Rüstungsindustrie aus“, kommentierte Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, die Entscheidung seiner Behörde.
„Wir sehen zunehmend Kooperationsvorhaben zwischen verschiedenen europäischen Unternehmen, die auch wettbewerbliche Auswirkungen haben können. Ein wichtiger Aspekt für unsere Bewertung solcher Vorhaben ist die Frage, ob die Unternehmen das fragliche Projekt auch jeweils alleine hätten realisieren können.“
Das sei im Fall von MGCS nicht der Fall. „Darüber hinaus stehen die Unternehmen bei der Entwicklung und Produktion von gepanzerten Militärfahrzeugen im Wettbewerb zu anderen starken Unternehmen.“
Die Projektpartner ließen nach der Kartell-Entscheidung kaum Zeit verstreichen: Am 10. April wurde in Köln die MGCS Project Company GmbH gegründet. Das teilte Rheinmetall gemeinsam mit den Partnern am Gründonnerstag mit.
50 Beschäftigte arbeiten in Köln am Panzer
Das Kölner Unternehmen übernimmt nun als industrieller Hauptauftragnehmer die Verantwortung für die Umsetzung der MGCS-Pläne. „Insbesondere wird sie das Konzept und die wichtigsten technologischen Säulen des Systems konsolidieren“, heißt es in der Mitteilung von Rheinmetall. Sprich: In Köln wird das neue Panzer-System entwickelt, dessen Gesamtdesign verantwortet und gesteuert.
Rund 50 Beschäftigte werden in Köln arbeiten, sagt Oliver Hoffmann, Pressesprecher von Rheinmetall, auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Dabei gehe es um Ingenieursaufgaben der höchsten Ebene. Die Kölner wiederum bedienen sich der technischen Fähigkeiten der Mutterhäuser von Rheinmetall, KNDS und Thales.
Köln-Mülheim: Wo Rüstungsfirma hinzieht, ist noch unklar
Die Rüstungsfirma soll Büros im rechtsrheinischen Mülheim beziehen, sagt der Rheinmetall-Sprecher. Der genaue Standort des Unternehmenssitzes soll noch nicht publik gemacht werden. Aktuell gehe es darum, das Personal zu finden, die notwendigen IT-Strukturen aufzubauen und sich einzurichten, so Hoffmann. Aktuell befindet sich die Geschäftsanschrift laut Handelsregister noch in den Räumen einer Kölner Anwaltskanzlei am Rheinufer. Fest steht wohl, dass die neuen Räume besondere Sicherheitsvorkehrungen vorweisen müssen.
Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat der Standort Köln vor allem mit seiner Lage überzeugt: Köln ist sehr gut an Paris angebunden, die Nähe zu Rheinmetall in Düsseldorf ist ebenso ein Pluspunkt. Zudem geht es um die Nähe zum Kunden – zur Bundeswehr. Vertragspartner der MGCS Project Company wird das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr mit der wenig griffigen Abkürzung BAAINBw. Dessen Sitz befindet sich in Koblenz – knapp anderthalb Autostunden von Mülheim entfernt. Geschäftsführer in Köln wird Stefan Gramolla, Oberst der Reserve und Diplom-Ingenieur mit mehr als 20 Jahren Erfahrung in Rüstungsunternehmen.
Köln schon heute wichtiger Bundeswehrstandort
„Leider ist es Teil einer neuen Realität, dass sich die Rüstungsindustrie immer mehr zu einem wirtschaftlichen Wachstumstreiber entwickelt“, kommentiert Andree Haack, Wirtschaftsdezernent der Stadt Köln, die Ansiedlung. „Schon heute ist Köln ein wichtiger Bundeswehrstandort. Dieser wird durch das europäische Jointventure von KNDS, Rheinmetall und Thales weiter gefestigt und das zeigt, dass der Technologiestandort Köln von großer Bedeutung in der europäischen Verteidigungspolitik ist.“
„Deutschland und Europa investieren derzeit erheblich in die Stärkung ihrer Verteidigungsfähigkeit“, sagt Manfred Janssen, Geschäftsführer der Köln-Business Wirtschaftsförderung. „Daher begrüßen wir, dass die MGCS Project Company GmbH Köln als Standort mit einer langen Tradition als Industrie- und Produktionszentrum ausgewählt hat.“
Die erste Aufgabe des Kölner Unternehmens besteht darin, einen Vertrag mit dem Bundesamt auszuhandeln. Alleine das ist ein hochkomplexes Unterfangen, schließlich geht es darum, ein multinationales Projekt in ein Angebot zu gießen. Dieses Angebot aus Köln soll nicht weniger als die Basis für die Produktion des neuen Waffensystems sein. „Über viele Jahre wird die Company das Gesicht zum Kunden sein“, sagt Rheinmetall-Sprecher Hoffmann.
Ursprünglich sah der Plan Deutschlands und Frankreichs vor, das neue Kampfpanzer-System ab 2035 einzusetzen. Inzwischen sprechen die beteiligten Unternehmen davon, die Kampfpanzer Leopard 2 und Leclerc bis 2040 durch das gemeinsame Bodenkampfsystem zu ersetzen.