Städtische Mitarbeitende erleben gerade im Außendienst Übergriffe – bis hin zur körperlichen Gewalt. Im Innendienst gibt es nun eine schnelle Hilfe.
Neues Alarmsystem soll helfenKöln registriert 255 Übergriffe gegen städtische Mitarbeiter in vier Jahren

Das Bürgeramt in Mülheim ist auch mit stillen Alarmmöglichkeiten für Mitarbeitende ausgestattet.
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Nach dem tödlichen Angriff auf den städtischen Kämmereimitarbeiter Kurt Braun am 13. Dezember 2019 hat die Verwaltung im April 2020 ein zentrales Melderegister für Bürgerinnen und Bürger eingeführt, die möglicherweise gefährlich sind, weil sie schon mal auffällig geworden sind.
Vorher hat diese zentrale Datenbank gefehlt, das hatte für Braun schlimme Konsequenzen: Er wusste als Mitarbeiter der Kämmerei nichts von einem vorherigen Angriff des damals 60-Jährigen, weil er Mitarbeiter des Sozialdezernates und nicht der Kämmerei angegriffen hatte. Es handelt sich um eine anderes Dezernat, die Information war für Braun nicht einzusehen.
Er ging deshalb am 13. Dezember ahnungslos in seinen Ortstermin in Dünnwald, er wollte dort eine offene Geldforderung eintreiben, verzichtete auf Polizei als Unterstützung und wurde von dem psychisch kranken Mann erstochen. Sogar der NRW-Landtag befasste sich damit, unter anderem weil der Mann zuvor in einer Psychiatrie in Merheim schon mal einen Mitarbeiter angegriffen hatte und die Staatsanwaltschaft ein Gutachten nicht einholte. Doch hat das neue Melderegister etwas gebracht? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
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Wie funktioniert das Melderegister?
Rein formal heißt die Datenbank Zentrales Melde- und Auskunftssystem bei Gefährdung von Mitarbeitenden (Zemag). Alle rund 23.000 Mitarbeitenden können Meldungen machen. Die Datenbank soll städtische Mitarbeitende vor möglicherweise gefährlichen Personen warnen, etwa bei Außenterminen, wenn die Stadt ausbleibende Zahlungen einfordert. Es soll aber auch in den Bürgerämtern helfen. Das sogenannte Aachener Modell ist die Grundlage, es hat vier Stufen der Gefahr. Stufe null: normales bis kontroverses Gespräch. Stufe eins: verbal-aggressives Verhalten wie Beleidigungen. Stufe zwei: Sachbeschädigungen, körperliche Gewalt, Bedrohung oder Nötigung. Und Stufe drei: Einsatz von Waffen, Bombendrohung, Amoklauf oder Geiselnahme. In Köln melden die Mitarbeitenden nur Vorfälle der Stufe zwei und drei, die Bürgerinnen und Bürger werden in Zemag registriert und es folgt eine Anzeige bei der Polizei.
Und was soll das bringen?
Der Name eines schon mal auffällig gewordenen Bürgers ist zentral hinterlegt verbunden mit dem Hinweis „gefährlich“. Hat ein städtischer Mitarbeiter beispielsweise einen Termin im Außendienst mit einem Bürger, kann er den Namen im Vorfeld in der Datenbank suchen und schauen, ob eine mögliche Gefahr vorliegt. In dem Fall kann er die Unterstützung der Polizei anfordern.
Wie viele gemeldete Übergriffe gab es bisher?
Laut Stadtverwaltung haben städtische Mitarbeitende seit 2019 bis heute insgesamt 255 Angriffe gemeldet, 2019 ist aber nur teilweise erfasst worden, 2023 auch. Die meisten Übergriffe gegen städtische Mitarbeitende gab es 2021, es waren 87.
Was sind die häufigsten Gründe für einen Eintrag?
Am häufigsten sind laut Stadtverwaltung Bedrohung der städtischen Mitarbeitenden (169 Fälle) und körperliche Gewalt (147 Fälle). Körperliche Gewalt meint laut einer Sprecherin beispielsweise schubsen, treten oder boxen. Danach folgt der Einsatz von Waffen und Werkzeugen mit 32 Fällen. Insgesamt gehören 223 Fälle zur zweiten Stufe des Aachener Modells und 34 zur dritten und höchsten Stufe.
Sind Außendienstmitarbeitende eher gefährdet?
Ja. Von den 255 Übergriffen waren 219-mal Mitarbeitende des Außendienstes betroffen, das entspricht 85,9 Prozent. Innendienst-Mitarbeitende waren 36-mal Opfer, also 14,1 Prozent.
Vor allem in Bürgerämtern gibt es viel Kontakt mit Bürgerinnen und Bürgern. Wie schützten sich Mitarbeitende dort?
Mittlerweile sind die Bürgerämter mit sogenannten stillen Alarmmöglichkeiten ausgestattet, sie sollen sicherstellen, dass die Mitarbeitenden unbemerkt Hilfe anfordern können.
