Wie geht es weiter am Brüsseler Platz, nachdem die Stadt das Verweilverbot vorerst ausgesetzt hat? Ein Überblick.
Brüsseler Platz in KölnAlkoholkonsumverbot als neue Lösung im jahrelangen Lärm-Streit?

Diese Schilder verkündeten am Brüsseler Platz das Verweilverbot, das jetzt vorerst ausgesetzt ist.
Copyright: Arton Krasniqi
Seit Freitagabend, 25. April, dürfen sich Menschen vorerst wieder freitags, samstags und vor Feiertagen zwischen 22 und 6 Uhr am Brüsseler Platz aufhalten, ohne dafür eine Strafe zwischen 500 und 1000 Euro zu riskieren (wir berichteten).
Das ist die Kernaussage, nachdem das Verwaltungsgericht Köln am Donnerstag das seit 7. Februar geltende Verweilverbot als „voraussichtlich rechtswidrig“ bezeichnet hatte. Gegen die Verordnung der Stadt hatten zehn Anwohner und eine Gaststätten-Betreiberin erfolgreich geklagt.
Der Beschluss des Gerichts im Eilverfahren galt aber ausdrücklich nur für die Kläger und hätte eine kuriose Situation verursachen können: Die siegreichen Kläger hätten sich rund um die Kirche St. Michael zwischen 22 und 6 Uhr dauerhaft aufhalten dürfen – alle anderen Menschen aber nicht.
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Deshalb setzte die Stadtverwaltung nach dem Beschluss das Verweilverbot nach 77 Tagen vorerst aus, sie prüft nun, ob sie Einspruch einlegt. Aber wie geht es jetzt weiter am Brüsseler Platz? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was ist das Problem am Brüsseler Platz?
Dort versammeln sich vor allem an warmen Sommerabenden etwa seit 2005 viele kleine Gruppen rund um St. Michael. Zusammen genommen sind es schon mal Hunderte Menschen. Die Stadt hat einiges gegen den Lärm getan, beispielsweise versuchen Vermittler, die Menschen zum Gehen zu überreden. Doch nichts hat richtig funktioniert. Im Jahr 2015 hatten fünf Anwohner die Stadt verklagt, sie forderten die Verwaltung auf, zwischen 22 und 6 Uhr für Nachtruhe zu sorgen. Das Oberverwaltungsgericht Münster sah das 2023 auch so. Demnach sind die Lärm-Messwerte „jenseits von Gut und Böse“ und „nicht zumutbar“.
Was ist ein Verweilverbot?
Die Stadt schreibt: „Verweilverbot bedeutet, dass man einen Ort, zum Beispiel einen Platz aufsuchen, sich dort aber nicht aufhalten darf. Man darf also über eine Fläche gehen, aber dort nicht bleiben.“ Das Verbot galt nur rund um die Kirche und die angrenzenden Straßen. Seit 7. Februar hatte sie es zunächst übergangsweise am Wochenende und vor Feiertagen eingeführt. Für eine geplante Ausweitung auf 365 Tage im Jahr hätte sich im Stadtrat aber keine Mehrheit gefunden.

Das Ordnungsamt patrouillierte zuletzt abends am Brüsseler Platz.
Copyright: Uwe Weiser
Warum galt das Verweilverbot am Brüsseler Platz?
Eben wegen des OVG-Urteils aus 2023, das seit September 2024 gültig ist, weil die Stadt mit einer Beschwerde dagegen scheiterte. Die Verwaltung musste also etwas tun. OVG-Richterin Annette Kleinschnittger hatte gesagt: „Wir sagen Ihnen nicht, was Sie zu tun haben, aber wir sagen Ihnen, dass Sie etwas zu tun haben.“ Doch Kleinschnittger nannte Optionen für die Stadt, beispielsweise ein Alkoholkonsumverbot, das Verweilverbot oder sogar einen Zaun um die Kirche. Und die Stadt entschied sich für das Verweilverbot. Es führte zu teils kuriosen Szenen: Beispielsweise durften am vorigen Wochenende Raucher vor Kneipen rauchen, ihre Begleiter mussten aber laut der Ordnungsamtsmitarbeiter entweder in die Gaststätte gehen, den Platz verlassen – oder ebenfalls rauchen.
Warum hat das Verwaltungsgericht den Klägern recht gegeben?
Das Verweilverbot ist laut Gericht „unverhältnismäßig“, weil die Stadt „mildere Mittel zur Durchsetzung der Nachtruhe, insbesondere ein Alkoholverbot, ohne hinreichende Prognose verworfen hat“. Auf gut Deutsch: Bevor die Stadt den ganzen Platz sperrt, soll sie erstmal prüfen, ob es nicht besser wird, wenn sie ein Alkoholverbot verhängt – und das auch streng kontrolliert. Das Verwaltungsgericht hält das Alkoholverbot für vielversprechend: „Dies wird voraussichtlich insgesamt dazu führen, dass die ‚Partyszene‘ den Brüsseler Platz in Zukunft meiden wird. Insoweit ist bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass für einen beträchtlichen Teil des Publikums der Alkoholkonsum mit einem Aufenthalt auf dem Brüsseler Platz fest verbunden ist.“ Das Gericht spricht im Beschluss allgemein von einem Alkoholverbot, äußert sich darin aber nicht zu einem Alkoholverkaufsverbot für etwa Kioske, sondern legt seinen Schwerpunkt auf das Alkoholkonsumverbot.
Warum hat die Verwaltung es nicht mit dem Alkoholverbot versucht?
Weil sie nicht an die Wirkung glaubt. Sie schreibt: „Auch wenn der Konsum von Alkohol zu einer erhöhten Geräuschkulisse führen kann und dies durch ein Alkoholverbot eingeschränkt würde, schränkt ein Alkoholverbot die Zahl der Menschen, die sich auf dem Platz aufhalten, nicht ein.“ Schon die normalen Gespräche ohne Alkohol seien zu laut.
Was sagen Menschen vor Ort?
Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat am Freitag mit zwei Passanten gesprochen, die namentlich nicht genannt werden wollten. Eine Frau sagte: „Wo sollen die Leute denn hin? Nicht jeder kann es sich leisten, sich irgendwo reinzusetzen.“ Ein Anwohner, der im Belgischen Viertel aufgewachsen ist, sagte: „Ich glaube, es gibt mehr Leute, die sagen, dass der Platz so sein soll, wie er vorher war.“ Er sagte aber auch: „Ich habe das Gefühl, dass das nicht so gut umzusetzen ist.“

Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Maria Helmis-Arend.
Copyright: Michael Bause
Wie sieht es der Stadtrat?
Ein großer Teil hatte sich mit dem Verweilverbot freitags, samstags und vor Feiertagen arrangiert, hätte aber eine Ausdehnung auf 365 Tage abgelehnt (wir berichteten). Stattdessen forderte ein Bündnis aus Grünen, CDU, SPD, Linken und Volt ebenso ein Alkoholkonsumverbot.
Das Bündnis vereint 76 von 90 Sitzen im Rat und hätte eine Mehrheit, doch eine Entscheidung am 3. April vertagte das Gremium, nachdem Stadtdirektorin Andrea Blome rechtliche Bedenken wegen eines Alkoholkonsumverbotes ansprach (wir berichteten). CDU-Fraktionschef Bernd Petelkau sagte jetzt: „Dass das Gericht nun gerade die mangelnde Verhältnismäßigkeit und die unzureichende Prüfung milderer Mittel beanstandet, sehen wir als Bestätigung unseres Weges.“ Und die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Maria Helmis-Arend sagte: „Ein Alkoholkonsumverbot auf nicht gastronomisch genutzten öffentlichen Flächen des Platzes wäre ein erster sinnvoller Schritt, um die Situation am Brüsseler Platz zu entspannen, ohne den öffentlichen Raum für alle zu sperren.“
Was sagt die Gastronomie?
Die Gastronomie muss seit diesem Jahr statt um 23.30 Uhr um 22 Uhr schließen. Lukas Sorgalla von der Kneipe Rosa hofft darauf, dass es noch eine andere Lösung als die vorverlegte Sperrzeit für die Außengastronomie geben kann. Nächste Woche ist ein Gespräch zwischen Gastronomen und Stadt geplant: Sorgalla setzt darauf, dass „sich hier Möglichkeiten ergeben, inwieweit man da zusammenrücken kann“.

Gastronomen am Brüsseler Platz haben im Dezember 2024 ihre Restaurant-Fenster schwarz abgehängt. Das war eine Protestaktion gegen das von der Stadt beschlossene Verweil- und Außengastro-Verbot ab 22 Uhr.
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Maike Block von der Interessengemeinschaft Gastro wird deutlicher: „Wir wollen zeigen, wie nachteilig die Situation für Gastronomen ist. Die Stadt wird dann vermutlich vorschlagen, dass die verkürzte Zeit durch Ersatzflächen kompensiert werden kann: Das hätte aber nicht die wirtschaftlichen Auswirkungen, die es braucht.“ Nicht jedes Lokal habe zudem die Möglichkeit, seine Plätze zu erweitern. Zum Sündenbock gemacht fühlt sich Christian Becker vom Lokal Tante Kurt. „Wir sind jetzt die Schuldigen und die Deppen, daber verursachen wir das Problem gar nicht“, so der Wirt. Er überlege schon, den Laden Ende des Jahres abzugeben. Die gut besuchten Sommerabende trügen ihn normalerweise wirtschaftlich durchs Jahr. „Die Sperrzeit ist ein massiver Eingriff. Ich fühle mich beeinträchtigt und drangsaliert.“
Wie geht es jetzt weiter?
Manfred Richter, Vizevorsitzender der Grünen-Ratsfraktion, erwartet von der Stadt einen Vorschlag, wie es weitergeht – und zwar „vor dem Sommer“. Angesichts des Beschlusses des Verwaltungsgerichts und der Situation im Stadtrat gilt ein Alkoholkonsumverbot als wahrscheinliche Lösung – wenn die Stadt sie für rechtlich umsetzbar hält. Beispielsweise hatte das Verwaltungsgericht Düsseldorf ein solches Verbot in Duisburg 2018 als rechtswidrig bezeichent. Die Stadt Köln ließ auf Anfrage offen, wann sie dem Stadtrat einen Vorschlag machen wird.